So sehr sich die Moderatoren auch mühen: Die Staffel läuft unter dem Motto „Ich bin ein Zuschauer – Holt mich hier raus!“ Foto: dpa

Die Einschaltquoten brechen ein, die Kandidaten sind bockig – und die Zuschauer gelangweilt. Hat das RTL-Dschungelcamp überhaupt noch eine Zukunft? Klar ist wohl nur: So kann es nicht weitergehen.

Stuttgart - Eigentlich ist man vom Dschungelcamp auf RTL anderes gewohnt: Eigentlich wird so richtig gezickt, gezofft und gelästert. Eigentlich lässt irgendwer irgendwann die Hüllen fallen und eigentlich rastet einer so richtig aus. Eigentlich – aber nicht im Dschungelcamp 2018. Fünf Thesen, warum sich das Format überlebt hat.

These 1: Es ist langweilig, Unbekannte leiden zu sehen

Schon vor dem Staffelauftakt am 19. Januar wurde bemängelt: Die Dschungel-„Promis“ 2018 kennt keiner. Klar, es waren auch bekannte Gesichter dabei – Natascha Ochsenknecht und Ansgar Brinkmann zum Beispiel. Aber spätestens seit dieser Staffel ist klar, wer schon mal beim „Bachelor“ war oder mit Daniela Katzenberger verwandt ist, qualifiziert sich als potenzieller Camp-Bewohner. Und wer aus der werberelevanten Zielgruppe kennt schon Tina York oder Sydney Youngblood? Na, herzlichen Glückwunsch, RTL. Der Sender tut sich mit der Kandidatenwahl jedenfalls keinen Gefallen. Denn: Besteht der Reiz, jemanden im Camp leiden zu sehen, nicht eigentlich darin, dass man die Person kennt? Mag man den Kandidaten nicht, ist man schadenfroh. Mag man ihn, leidet man mit. Ist der angebliche Promi unbekannt, passiert einfach nichts: Welchen Sinn hat das Format dann noch?

These 2: Der Überraschungseffekt tendiert gegen null

Haben sich die Zuschauer in der Vergangenheit noch geekelt, wenn den „Stars“ Tiergenitalien und lebende Insekten vorgesetzt wurden, so kann sie heute nichts mehr schockieren. Ob Essensprüfung, Horrorhaus oder dunkle Erdlöcher – die Dschungelprüfungen sind in jeder Staffel irgendwie gleich. Klar, dass der Zuschauer irgendwann immun wird gegen den ganzen Ekel. Der Kotzreiz bleibt aus, Langeweile die Folge. In Staffel zwölf waren die Zuschauer allerdings zum Teil auch selbst dafür verantwortlich. Immer wieder wählten sie Matthias Mangiapane zur Dschungelprüfung. Das nahm nicht nur die Spannung bei der abendlichen Entscheidung, sondern auch bei der Dschungelprüfung selbst. Denn Mangiapane hatte ein klares Motto: Lieber ein Stern als kein Stern. Ehrgeiz: Fehlanzeige. Die Aussicht auf alle Sterne gleich null.

These 3: Die gewohnten Skandale bleiben aus

2004 lästerte sich Désirée Nick durch den australischen Dschungel. 2016 verbreitete Ex-Fußballer Thorsten Legat durch seine regelmäßigen Ausraster Angst und Schrecken und in der letzten Staffel brachte Helena Fürst so ziemlich alle Camp-Bewohner auf die Palme. In Staffel zwölf passierte – Natascha Ochsenknecht sei Dank – nichts dergleichen. Daniele Negroni hatte zwar das Potenzial zum Camp-Choleriker, im Vergleich zu den vorigen Staffeln sollte man aber eher von Stimmungsschwankungen, weniger von Ausrastern sprechen. Auch von Ex-Profifußballer Ansgar Brinkmann hatte die Fernsehgemeinde wohl mehr erwartet. Vielleicht, weil er in der Vergangenheit für das ein oder andere Skandälchen sorgte. Vielleicht, weil der Kultspieler mit der Ansage „Bin bis fünf Uhr früh in meiner Stammkneipe zu erreichen“ auf seinem Anrufbeantworter einfach viel von sich erwarten ließ. Im Camp trat Brinkmann allerdings so gar nicht in die Choleriker-Fußstapfen von Thorsten Legat. Im Gegenteil: Als es an Tag zehn ungemütlich wurde, verließ Brinkmann das Camp. Keine Lust auf Konfrontation.

These 4: Selbst die „Stars“ haben keine Lust mehr

Nicht nur Brinkmann hat den australischen Dschungel freiwillig verlassen. Transgender-Model Giuliana Farfalla hat vier Tage vorher den alles entscheidenden Satz „Ich bin ein Star – holt mich hier raus“ gesagt und sich ins Hotel verabschiedet. Sydney Youngblood ist zwar nicht freiwillig gegangen, hat aber regelrecht um seine Rauswahl gewinselt. Und Tina York: Sie vegetiert im Camp vor sich hin und hofft – bislang vergebens – auf ihren Rauswurf. Da stellt sich natürlich die Frage: Welche Zukunft hat das Format, wenn selbst die C-Promis im Camp keine Lust mehr haben?

These 5: Die reale Welt ist zynisch genug

Eins ist klar: Die Zeiten zwischen Staffel eins und zwölf haben sich geändert. Waren die Zuschauer damals vielleicht noch froh über jegliche Art von Zynismus im deutschen Reality-TV, ist die reale Welt 2018 grausam genug. Hasstiraden, Wutreden und Skandale seitens der Politik sind im echten Leben längst angekommen. Gut möglich, dass die deutsche Fernsehgemeinde einfach genug hat von einem Format, dessen Ziel es ist, Menschen bloßzustellen und vorzuführen.