Das Dschungelcamp hat sich überlebt – auch wegen der Kandidaten. Foto: RTL

Die Quoten sind schlecht, die Höhepunkte rar. Warum das „Dschungelcamp“ nicht mehr zieht, erklärt der Stuttgarter Medienwissenschaftler Franco Rota.

Stuttgart/Coolangatta - Stell Dir vor, RTL schickt zwölf C-Prominente ins Dschungelcamp, und keinen juckt‘s. Noch nie war die Show so langweilig wie in der aktuellen Staffel. Die Quote sank zum ersten Mal unter die Fünf-Millionen-Marke. Für den Stuttgarter Medienwissenschaftler Franco Rota ist der Niedergang der Sendung symptomatisch für den Niedergang des linearen Fernsehens.

Herr Rota, auf einer Skala von 1 bis 10. Wie sehr langweilt Sie die aktuelle Staffel des Dschungelcamps?
6 bis 7.
So schlimm?
Es liegt daran, dass sich die Zuschauer auf diesen Matthias eingeschossen haben. Ich weiß nicht, ob sie nur sein Selbstvertrauen auf die Probe stellen oder ihn auch demütigen wollen. Offenbar hoffen sie, dass man aus dem noch mehr herausholen kann, wenn man den zum 100. Mal für eine Mutprobe wählt.
Dann sind die Zuschauer Schuld daran, dass die Show so langweilig ist?
Ich weiß nicht, ob sie sich dessen bewusst sind. Aber das ist eben der Nachteil des interaktiven Fernsehens, wenn man dem Zuschauer mit dem Televote ein Instrument zur Steuerung gibt. Das ist schade, zumal der Sarkasmus der Moderatoren in diesem Jahr unübertroffen ist.
Zum ersten Mal seit Jahren ist die Quote unter die Fünf-Millionen-Marke gerutscht. Das kann doch nicht nur an einem einzigen Teilnehmer liegen.
Der Langeweile-Faktor spielt allgemein eine Rolle. Formate reizen sich irgendwann aus. Das ist das Gesetz der Serie. Auf der einen Seite nimmt die Qualität der Inszenierung zu. Sie ist aber so perfektioniert, dass Handlungen erwartbar werden. Der Zuschauer hat das Gefühl: Das kenn ich schon! Und wenn dann auch noch immer wieder derselbe Kandidat für die Prüfungen gewählt wird, gerät die Show in eine Art Langeweile-Spirale.
Obendrein, wenn diesen Kandidaten keiner kennt. Auch die anderen Namen hatte vorher keiner auf dem Schirm. Ist das auch ein Grund, warum die Quote sinkt?
Ja, wobei ich das auch schon in der vorletzten Staffel festgestellt habe. Wer von den 14- bis 49-Jährigen kannte denn noch Gunter Gabriel oder Rolf Zacher? Promis haben einen Bonus. Man will doch sehen, was die liefern. Wenn ich jemanden nicht kenne, ist er mir erstmal egal. Ich lerne ihn erst kennen, wenn ich sehe, wie er sich in Spiel- und Konfliktsituationen verhält. Die Chance muss er aber erstmal bekommen. In dieser Staffel habe ich kaum etwas über die Kandidaten erfahren. Was kann Sidney? Oder Tina, die immer nur wie tot herumliegt?
Offenbar ist der Markt für C-Promis leergefegt, die sich in den Dschungel trauen.
Ja, und die Nachzucht lässt zu wünschen übrig. Was fehlt, ist eine Zuliefershow, die noch gezielter als bisher Kandidaten in anderen Trash-Shows für das Dschungelcamp rekrutiert.
Wäre es nicht viel spannender, Leuten wie Martin Schulz oder Alice Weidel dabei zuzuschauen, wie sie im Kängurukostüm durch den Dschungel hüpfen?
Ja, aber die würden da nie einsteigen. (lacht) Die Idee ist natürlich ein Traum!
Am Dienstag wollten zum ersten Mal mehr Zuschauer „In aller Freundschaft“ oder „Um Himmels Willen“ sehen als das Dschungelcamp. Ist den Zuschauern Harmonie heute wichtiger als Krawall um jeden Preis?
Das kann man so sehen. Die Politik steht vor einer Reihe von Herausforderungen. Sie muss zum Beispiel darauf achten, dass der rechte Rand nicht ausfranst oder Europa zerbricht. Solche Entwicklungen beeinflussen auch das Verhalten des Rezipienten. Er verlangt nach Orientierung. Er sucht nach Harmonie im Fernsehen.
Sie haben das Dschungelcamp zum Seminarthema an Ihrer Hochschule gemacht, als es noch boomte. Was war denn das Erfolgsrezept der Sendung?
Das Format hat Schamgrenzen neu ausgelotet. Es hat dem Zuschauer eine Reality vorgegaukelt, von der man jetzt annehmen muss, dass sie die ganze Zeit gefaked war.
Woraus schließen Sie das?
In der 6. Folge dieser Staffel haben die Moderatoren augenzwinkernd aus fiktiven Verträgen der Kandidaten vorgelesen. Daraus könnte man ableiten, dass bestimmte Teile des Formats gescriptet werden. Früher hätte man das bei solchen Formaten nicht für möglich gehalten. Da hat man noch gedacht, dass es im Dschungel wie bei „Big Brother“ laufe: Alles echt.
Hat das Reality-TV seine Unschuld verloren?
Ach, das Format war schon zu Beginn nicht unschuldig. Die Kandidaten waren aber aktiver. Wenn Sie sich an Frauen wie diese verhaltensoriginelle Österreicherin erinnern. Wie hieß die nochmal?
Larissa Marolt.
Ja, oder an die Textil-Allergikerin Micaela Schäfer oder Brigitte „Was-geht-los-darein?“ Das waren noch Typen, die das Format bereichert haben.
Und heute?
Hocken sich die Kandidaten bloß noch ins Camp, holen ihre Gage ab und steigen nach einigen Tagen wieder aus. Sie machen damit die Sendung kaputt, getreu der Devise: Der Letzte macht das Licht aus!
Aber warum sind andere Reality-Formate wie „Berlin, Tag und Nacht“ so erfolgreich?
Weil sie immer wieder andere Lebensszenen zeigen. Der Dschungel ist jetzt bekannt. Neugierde entsteht nur noch in neuen Kontexten. Nehmen Sie zum Beispiel diese Dating-Show für Nackte auf einer Insel, „Adam sucht Eva“.