Wegen einer Drohnen-Warnung sind Tausende von Flugpassagieren im Flughafen London-Gatwick gestrandet. Foto: AP

Drohnen unbekannter Herkunft haben seit Mittwochabend im britischen Flughafen Gatwick Chaos verursacht. Aus Sicherheitsgründen wurden, mitten im Weihnachstrubel, hunderte von Flügen abgesagt.

London - Tausende von Flugpassagieren saßen bereits in der Nacht auf Donnerstag im Flughafen Gatwick oder in Flugzeugen fest. Andere stiegen statt in London in Paris oder Amsterdam aus ihren Maschinen, weil der gesamte Flugverkehr umdirigiert wurde. Viele Reisende mussten nach der Schließung des Rollfelds eine kalte Nacht im Flughafen Gatwick verbringen.

Auch am Donnerstag drängten sich noch ratlose Menschenmengen in den Flughafen-Hallen, weil es den Behörden nicht gelang, die Lage in den Griff zu bekommen. Mit 110 000 Passagieren rechnete Gatwick an diesem Tag allein. Gatwicks Betriebsdirektor Chris Woodroofe aber musste auch nachmittags noch gestehen, dass er keine Ahnung habe, wann die Polizei wieder Flüge zulassen würde.

Unklar schien zeitweise sogar, wer in der Regierung sich für die Lage in Gatwick verantwortlich fühlte. Erst am Nachmittag meldete sich im Oberhaus Liz Sugg, die Staatssekretärin für Luftfahrt, zu Wort. Baronin Sugg erklärte, die illegal herum sausenden Drohnen hätten weitläufige Störungen im Luftverkehr verursacht. Man werde dafür sorgen, dass „so etwas in Zukunft nicht mehr vorkommen kann“.

Die Flughafenleitung musste auf Geheiß der Polizei den gesamten Flugverkehr einstellen

Zeitweise waren gestern zwanzig Polizeieinheiten im Einsatz, um heraus zu finden, wer die Drohnen steuerte. Fluggeräte dieser Art müssen in Großbritannien mindestens einen Kilometer Abstand zu Fluggeländen wahren. Am Mittwoch gegen 21 Uhr aber waren zwei Drohnen gesichtet worden, die direkt an und über den Rollfeldern des zweitgrößten britischen Flughafens operierten.

Jeweils eine Drohne kehrte nach Pausen immer wieder zurück, sodass die Flughafenleitung auf Geheiß der Polizei den gesamten Flugverkehr einstellen musste. Direktor Woodroofe entschuldigte sich für die Maßnahme und erklärte, die Polizei wolle die betreffenden Fluggeräte nicht abschießen aus Angst davor, mit ihren Geschossen das Ziel zu verfehlen und Passanten zu gefährden.

Von einer Terrorattacke in Gatwick mochte zunächst niemand ausgehen

Nach Auskunft der Polizei handelte es sich bei den Drohnenflügen um eine bewusste Störung des Flugverkehrs in Gatwick, also um eine kriminelle Aktion. Wer in Großbritannien mit einer Drohne Flugzeuge oder Flughäfen gefährdet, muss mit bis zu fünf Jahren Gefängnis rechnen. Einzelne britische Abgeordnete haben bereits eine Erhöhung dieses Strafmaßes verlangt.

Von einer Terrorattacke in Gatwick mochte zunächst niemand ausgehen, wiewohl die Polizei nichts ausschließen wollte. Polizeichefs forderten die Bevölkerung auf, ihr mit Informationen zu Hilfe zu kommen.

Man arbeite intensiv an „neuen Methoden“, mit denen sich Drohnen aus dem Verkehr ziehen ließen, hieß es gestern. Kritiker der Behörden erklärten, entsprechende Technologie gebe es schon seit Jahren. Die Flughäfen hätten schlicht versäumt, etwas zu unternehmen.

Eisenbahn-Gesellschaften boten, bei Nachweis der Flugtickets Gratis-Beförderung an

In der Tat haben in der Vergangenheit Cockpit-Besatzungen schon oft von Drohnen berichtet, die sie beim Start oder bei der Landung in gefährlicher Nähe ihrer Maschinen entdeckten. Der Vorfall in Gatwick war aber der erste, der den gesamten Abbruch des Flugverkehrs nach sich zog.

Gestrandete Passagiere klagten am Donnerstag darüber, dass sie viele Stunden ohne Hilfe und ohne weitere Informationen in Gatwick verbringen mussten. Familien mit Kindern suchten sich über Nacht verzweifelt warm zu halten. Eine Augenzeugin berichtete, sie habe schwangere Frauen und Kleinkinder auf dem Boden schlafen sehen. Behinderte Passagiere mussten die Nacht auf unbequemen Stühlen verbringen.

Viele Fluggäste, deren Maschinen nicht mehr in Gatwick landen konnten, fanden sich in schottischen oder nordenglischen Flughäfen wieder. Eisenbahn-Gesellschaften boten, bei Nachweis der Flugtickets Gratis-Beförderung an, zum Beispiel zwischen Glasgow und Gatwick. Aus dem Flughafen Manchester, in dem ebenfalls mitten in der Nacht Flüge landeten, wurde dagegen berichtet, Taxifahrer hätten 600 Pfund für eine Fahrt nach Gatwick verlangt.

Um diese Jahreszeit sind viele Flüge ausgebucht

Ein Passagier, der in den Irak fliegen wollte, aber in Gatwick festsaß, schüttelte nur ungläubig den Kopf: „Ein Flugzeug bei uns landet auch noch, wenn in der Nähe eine Bombe hoch geht. Hier haben ein paar Drohnen zur Schließung des ganzen Airport geführt.“

Tausende, die in der Vorweihnachtswoche einen kurzen Urlaub antreten oder nach Hause fliegen wollten, mussten sich gestern auf längere Wartezeiten einstellen. Um diese Jahreszeit sind viele Flüge ausgebucht und Ersatzplätze nur schwer zu finden. Entsprechend groß war in Gatwick die Ungewissheit und das Gedränge am Donnerstag.

Einzelne Fluggesellschaften suchten eilends nach Alternativen. British Airways und Ryanair forderten Passagiere auf, von Heathrow oder von Stansted aus zu ihren Zielen zu fliegen. Easyjet bot freies Umbuchen und eine Gratis-Übernachtung an. Beim Gatwick-Schalter von Norwegian Airlines dagegen bildete sich am Donnerstagmorgen eine 300 Meter lange Schlange. Empörte Passagiere berichteten, am Schalter habe nur eine einzige Person Auskunft erteilt.