Vonovia plant die Sanierung von Gebäuden im Gebiet Auf der Prag. Die Mieter des Unternehmens rechnen mit enormen Kostensteigerungen nach der Modernisierung und fordern vom Bezirksbeirat Unterstützung.
- Punkt 7 der Tagesordnung des Bezirksbeirats Nord, die „Mietsituation Vonovia“, hat am Montag rund zwei Dutzend Mieter in den Kleinen Sitzungssaal im Rathaus kommen lassen. „Wir fordern, Vonovia zu enteignen“, „Vonovia nimmt Menschen ein Zuhause“, „Wohnen bald Unbezahlbar“, steht auf den hochgehaltenen Plakaten. Grund für die Protest-Aktion der Vonovia-Mieter aus der Friedhofstraße 11 sowie Mönchstraße 3 und 5 ist die geplante Modernisierung ihrer Wohnungen durch den Wohnungskonzern, der allein in Stuttgart rund 4600 Wohnungen besitzt. Baustart für die Maßnahmen in der Friedhofstraße 11 mit 81 Wohnungen soll kommende Woche sein. Die beiden Gebäude in der Mönchstraße mit insgesamt 154 Wohnungen sollen 2020 dran kommen
„Durch die Sanierung werden unsere Wohnungen 40 bis 53 Prozent teurer“ stellt Mia Bohm fest. Die 36-jährige ist Sprecherin der Nachbarschaftsinitiative „Treff F (Friedhofstraße) 11“ und sagt: „Egal ob Rentner, Berufstätige oder Arbeitslose: Alle haben Angst, dass sie nach der Sanierung die Mieten nicht mehr bezahlen können.“
Auch Ursula Kienzle bereitet die Sorge um Mietsteigerungen schlaflose Nächte. Die 78-Jährige bezieht 416 Euro Grundsicherung im Monat plus „angemessen Kosten“ fürs Wohnen. Derzeit bezahlt sie für ihre 52,8 Quadratmeter große Zwei-Zimmer-Wohnung 417 Euro Kaltmiete. „Nach der Sanierung sind 236 Euro mehr fällig“, sagt sie und befürchtet, dass sie nach 17 Jahren ausziehen muss. „Soll ich dann auf den Campingplatz oder gleich auf den Friedhof?“ fragt sie. In ihrer Wohnung soll unter anderem auch der Boden rausgerissen werden. „Der ist in Ordnung. Ich will keinen neuen Boden“, stellt sie fest.
Bezirksbeirat muss es bem moralischen Beistand belassen
Manal Ahmed ist alleinerziehende Mutter dreier Kinder. Die Familie lebt von rund 2500 Euro netto. Davon gehen für ihre Vier-Zimmer-Wohnung derzeit 776 Euro für die Kalt- und 967 Euro für die Warmmiete weg. Künftig soll sie 346 Euro mehr bezahlen. Wie ihr Einkommen dann reichen soll? Die 46-Jährige weiß es nicht. Und Elisabeth Hörsch bezahlt 599 Euro Kaltmiete. Warm berappt die ebenfalls 78-jährige 797 Euro für ihre 69 Quadratmeter große 3-Zimmerwohnung. Nach der Sanierung schlägt die Warmmiete mit 1086 zu Buche – bei einem Nettoeinkommen von 1600 Euro. Und ein Techniker der Bahn hat sich entschlossen, von Stuttgart ins sächsische Pirna zu ziehen, denn seine Miete würde um 244 Euro steigen und im Osten sind die Mieten generell niedriger.
Viel mehr als moralischen Beistand können die besorgten Mieter vom Bezirksbeirat allerdings nicht erwarten. „Unsere Mittel, um Ihnen Unterstützung zukommen zu lassen, sind begrenzt“, stellte Bezirksvorsteherin Sabine Mezger fest. Ihre „moralische Unterstützung“ formulierten die Beiräte jedoch einstimmig in ihrem Beschlussantrag. Darin fordern sie die Stadtverwaltung auf zu prüfen, „welche Möglichkeiten es gibt, bezahlbaren Wohnraum besonders in den Stadtteilen Auf der Prag um Am Pragfriedhof zu erhalten und durch Modernisierung begründete Mietsteigerungen über die quartiersübliche Höhe hinaus zu verhindern“. Außerdem fordern die Beiräte die Erweiterung der Milieuschutzsatzung auf die betroffenen Wohngebäude, unter anderem auf die Friedhofstraße 11 sowie die Mönchstraße 3 und 5. Der Antrag entspricht auch dem Antrag der SPD-Stadträte: Sie fordern die Verwaltung auf, bis zum Herbst Vorschläge zu machen, in welchen Stadtgebieten die Mieter mit Hilfe der Milieuschutzsatzung geschützt werden können.
Eine Sprecherin von Vonovia erklärte auf Anfrage, dass das Unternehmen nach der Modernisierung „deutlich“ unter der Umlage der gesetzlich möglichen elf Prozent bleibt und die tatsächliche Mieterhöhung erst am Ende der Maßnahmen festgelegt wird. Den Mietern in der Friedhofstraße sei außerdem mittlerweile ein Staffelung der Mieterhöhung auf etwa die nächsten fünf Jahre angeboten worden. „Wir haben kein Interesse, daran, mit unseren Kunden vor Gericht zu streiten“, so die Unternehmenssprecherin.