Umweltaktivisten stehen am Tag der Urteilsverkündung mit Schildern vor dem Bundesverwaltungsgericht. Foto: dpa

Nach dem Leipziger Urteil zu möglichen Fahrverboten geht das Schwarze-Peter-Spiel weiter: Berlin sieht die Kommunen in der Pflicht, die nötigen Konsequenzen zu ziehen. Die Union lehnt eine Blaue Plakette indes weiter ab.

Berlin - Die Bundesregierung hat nicht die Absicht, den Zorn von Millionen von Dieselfahrern auf sich zu ziehen. Obwohl die Umweltverbände die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zur Möglichkeit von Fahrverboten als Erfolg feiern, hält die geschäftsführende Regierung an ihrem Vorgehen fest. Danach seien jetzt die Kommunen gefragt, lautet der Tenor in Berlin. Die Städte sollen entscheiden, ob und in welchem Umfang Fahrverbote notwendig sind. Dies sei allein deren Entscheidung. Der Bund will mit einem Mix von Maßnahmen helfen, Fahrverbote zu vermeiden: Dazu gehört das Milliardenprogramm „saubere Luft“, die Förderung des Nahverkehrs und der Elektromobilität.

Die Hoffnung der Länder, dass der Bund die Blaue Plakette einführt, dürfte sich so rasch nicht erfüllen. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte zwar, die neue Regierung werde mit Ländern und Kommunen über eine Plakette für schadstoffarme Dieselfahrzeuge beraten. Doch im Regierungslager werden diese Äußerungen heruntergespielt. Es gehe darum, Gesprächsbereitschaft zu signalisieren. In der Sache sind die Positionen unverändert: Das CSU-geführte Verkehrsministerium unter dem geschäftsführenden Minister Christian Schmidt (CSU) ist strikt gegen die Blaue Plakette. Einig sei die Regierung, dass es keine Fahrverbote geben soll. Deshalb sei es auch nicht erforderlich, eine neue Kennzeichnung für Autos einzuführen, sagte Schmidt.

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Alles deutet darauf hin, dass auch das Kanzleramt dieser Ansicht ist. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte in der jüngsten Fraktionssitzung jedenfalls, dass sie von möglichen Fahrverbote in einzelnen Kommunen nur begrenzte Auswirkungen auf die Bürger erwartet. Die Union will mit der Blauen Plakette nicht das Signal aussenden, dass bestimmte Dieselautos nicht mehr den Standards genügen. In Regierungskreisen hieß es, das Bundesverwaltungsgericht habe auf die Verhältnismäßigkeit der Maßnahmen abgestellt. Wenn eine Blaue Plakette eingeführt würde, käme das einem flächendeckenden Fahrverbot gleich. Das sei unverhältnismäßig, hieß es in Berlin.

Der CDU-Verkehrspolitiker Steffen Bilger bestätigte die Skepsis. „Die Schadstoffwerte sind in fast allen Städten besser geworden. Die Verantwortung für weitere Maßnahmen liegt nach wie vor in den Kommunen. Wir wollen keine Blaue Plakette.“ Der Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion, Wolfgang Reinhart, weicht von der Parteilinie ab: „Die Aussicht auf die Einführung einer Blauen Plakette 2020 kann übereilte Schritte mit flickenteppichartigen Fahrverboten verhindern. Die Blaue Plakette schafft Planungssicherheit, Kontrollierbarkeit, Übersichtlichkeit. Sie ist ein wirksames Mittel. Fahrverbote sind die schlechteste und letzte Möglichkeit.“

Offen für die Blaue Plakette zeigt sich auch Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD). Sie kann sich die Kennzeichnung dann vorstellen, wenn sich Fahrverbote als unvermeidlich herausstellen sollten. Vorerst will aber auch Hendricks mit dem vorhandenen Instrumentenkasten die Schadstoffwerte in den Städten senken. Dazu zählen die Software-Updates von mehr als fünf Millionen Dieselfahrzeugen, die Kaufanreize der Hersteller und der Mobilitätsfonds des Bundes in Höhe von einer Milliarde Euro. Hendricks will zudem die Automobilindustrie verpflichten, die Hardware-Nachrüstung der Dieselfahrzeuge vorzunehmen. Das lehnen sowohl die Automobilindustrie als auch das Verkehrsministerium ab. Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen wird wohl erst fallen, wenn eine neue Regierung im Amt ist.