In Frankreich regiert „En marche“ mittlerweile, in Deutschland ist die nur fünf Monate alte „Demokratie in Bewegung“ bisher nicht mehr als eine Splitterpartei. Foto: Getty

Bald sind Erst- und Zweitstimme gefragt. Hier soll es um kuriose und ernste Beobachtungen und Begleiterscheinungen im Bundestagswahlkampf gehen - als Drittstimme sozusagen. Heute geht es um die kleine neue Partei „Demokratie in Bewegung“.

Berlin - Funktioniert das Experiment auch östlich des Rheins? Am Abend des 24. September könnte sich ein Blick darauf lohnen, was sich im Lager der „Sonstigen“ so getan hat, konkreter, wie die Parteineugründung „Demokratie in Bewegung“ abgeschnitten hat. Auf manche Weise, nicht nur vom Namen her, ist die DiB eine Kopie von „République en marche“, jenem politischen Sammelbecken, das phönixgleich aus dem Nichts Frankreichs politische Landschaft völlig umgekrempelt, Emmanuel Macron bis ins französische Präsidentenamt getragen hat und nun die Pariser Nationalversammlung kontrolliert. Ist diese Anti-Parteien-Partei, die eine Mitmachpartei für alle sein und den politischen Betrieb offener, transparenter gestalten will, auch für die Bundesbürger interessant? Unzufriedenheit mit dem politischen Ist-Zustand gäbe auch hierzulande wohl genug, doch es fehlt am Bekanntheitsgrad und an einem Zugpferd an der Spitze. Bleibt „En Marche“ also ein französisches Phänomen?

In Baden-Württemberg auf dem Wahlzettel

Von den 48 Parteien, die zur Bundestagswahl zugelassen wurden, versuchen 42 nun tatsächlich ihr Glück, 34 wiederum mit eigenen Landeslisten. Auf Platz 25 listet der Bundeswahlleiter die Neulinge von „Demokratie in Bewegung“ auf, gegründet erst im April, als Macrons Truppe in Frankreich so richtig zum Höhenflug ansetzte. In Windeseile wurden in gerade einmal fünf Wochen Landesverbände in allen 16 Bundesländern gegründet. Allerdings reichte die Zeit dann nicht, um überall fristgerecht die notwendigen Unterstützerunterschriften zusammenzubekommen. In immerhin acht Bundesländern tritt „DiB“ aber an, darunter die bevölkerungsreichen Länder Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Nordrhein-Westfalen. „Wir stehen auf 75 Prozent der Wahlzettel“, sagt der Vorsitzende Alexander Pitsch stolz. Und mancher Wahl-o-mat-Nutzer hat sich schon verwundert die Augen gerieben, dass seine politischen Überzeugungen am ehesten zur „DiB“ passen könnten.

Für ein Europa von unten – so lässt sich ihre Position vielleicht am ehesten zusammenfassen. „Die EU ist nicht wirklich demokratisch und nicht wirklich solidarisch – wenn diese beiden Punkte angegangen werden, gibt es zu Europa angesichts der großen Herausforderungen wie Klimaschutz, Finanzmarktkontrolle und Migration überhaupt keine gute Alternative“, sagt der Chef der jungen Partei, die bisher nur rund offizielle 250 Mitglieder zählt, aber immerhin auf weitere etwa 1000 engagierte „Beweger“ zählen kann, wie das in der eigenen Parteisprache heißt. Der proeuropäische Grundtenor und die offene Struktur stellen die größte Ähnlichkeit zu „En Marche“ dar. Dass Macron als Präsident mittlerweile nach Pitschs Ansicht eine „Ein-Mann-Nummer“ abzieht, gefällt dem deutschen Ableger aber genauso wenig wie sein liberaler wirtschaftspolitischer Ansatz.

Bei mehr als 0,5 Prozent der Stimmen gibt es Geld

Sie träumen bei DiB vom Überspringen der Fünf-Prozent-Hürde, die realistischere Hoffnung hat die 0,5-Prozent-Hürde im Blick: Wer diese Marke erreicht, wird Teil der staatlichen Parteienfinanzierung, hat also Geld, um sich politisch schlagkräftigere Strukturen aufzubauen. Richtig glücklich wäre der Vorsitzende, wenn es noch ein wenig mehr würde und, so Pitsch, „wir am Wahlabend nicht nur unter ferner liefen mit den anderen Kleinstparteien abgehandelt werden, sondern im Fernsehen irgendwie Erwähnung finden würden“. So gestärkt soll es dann in die Zukunft gehen – in die Landtagswahlen, die Europawahl 2019 und den übernächsten Bundestag. Vielleicht lohnt sich am 24. September ein kleiner Blick, ob da etwas in Bewegungen gerät.