Wünschen sich noch besseren Austausch zwischen VfB und Kickers: Rainer Adrion (li.), Michael Zeyer Foto: Baumann

Ein Stuttgarter Stadtderby in Aspach: An diesem Samstag treffen die Fußball-Drittligisten VfB II und Kickers aufeinander. Im Vorspiel äußern sich die beiden Sportlichen Leiter Rainer Adrion und Michael Zeyer zu ihrer gemeinsamen Vergangenheit, zu Irritationen zwischen Rot und Blau und zu ihren Zukunftsplänen.

Herr Zeyer, Herr Adrion, wann hatten Sie beide das letzte Mal Kontakt?
Zeyer: Rainer, ich glaube, ich habe dich vergangenes Frühjahr angerufen. Da warst du gerade in Miami. Du kennst viele Talente, hast als ehemaliger U-21-Nationaltrainer ein gutes Netzwerk . . . Adrion: . . . aber dann kam der VfB und hat mich verpflichtet.
Und nichts war’s mit den Tipps für die Kickers. 1998/99 war Michael Zeyer unter Ihnen Spieler beim VfB. Wie haben Sie ihn erlebt?
Adrion: Michael war ein sehr guter Mittelfeldspieler. Er kam zu der Zeit meistens von der Bank, war immer bereit, wenn es drauf ankam. Er war sehr verständnisvoll und professionell. Zeyer: Aber es hat mir schon nicht gepasst, dass immer Poschi (Anm. d. Red.: Gerhard Poschner) gespielt hat. Adrion: Poschi war Führungsspieler, hatte eine große Lobby im Verein und in der Mannschaft mit dem magischen Dreieck Bobic, Balakov, Elber. Michael war als Neuzugang eher zurückhaltend und kein Lautsprecher, der seine Bedürfnisse mit aller Macht demonstrierte. Zeyer: Mein Problem war auch, dass mich noch Jogi Löw zum VfB geholt hat. Dann kam aber Winnie Schäfer als Trainer, und später setzte auch Ralf Rangnick auf andere Spieler. Adrion: Und jetzt, Michael, treffen wir uns anlässlich eines Stuttgarter Derbys, das in Aspach stattfindet. Wer hätte das gedacht? Zeyer: Keiner. Aber wer weiß, was in zehn Jahren ist. Ich wollte jedenfalls schon immer ins Management. Ich habe zwar den B- und A-Schein gemacht, aber Trainer wollte ich nicht werden. Ich bin keiner guter Pädagoge.
Herr Adrion, Sie waren schon beides.
Adrion: Viele Jahre war ich beim VfB II Trainer und Manager in Personalunion. Jetzt bin ich als Sportlicher Leiter ganz nah an der U 23, U 19 und U 17 dran, entwickle Konzepte und führe viele Gespräche mit den Trainern und den Spielern. Das deckt sich mit meiner Kernkompetenz.
Halten Sie – wie jetzt vor dem Derby – auch mal eine flammende Rede?
Adrion: Nein, auf keinen Fall. Das Team zu motivieren ist Trainersache. Zeyer: Das sehe ich genauso. Ich tausche mich sehr eng mit dem Trainer aus, aber eine Ansprache habe ich noch nie gehalten.
Herr Adrion, warum läuft es bei den Kickers so gut, seit Ihr ehemaliger Spieler das Sagen hat?
Adrion: Von außen betrachtet macht bei den Blauen wirklich alles einen sehr harmonischen Eindruck. Es wird völlig unaufgeregt agiert, die Personalentscheidungen sind stimmig. Bei meiner Zeit in Degerloch 2003 war leider alles etwas unruhiger.
Jetzt gibt es dort einen klaren Plan, ein klares Konzept. Das vermissen viele beim VfB.
Adrion: Wir sind dabei, uns neu aufzustellen. Grundsätzlich ist bei einem Bundesligisten alles weitaus komplexer und durch die viel höhere Medienpräsenz auch weitaus schwieriger, etwas zu entwickeln. Zeyer: Beim VfB II ist es Rainer und seinem Team mit drei, vier Handgriffen ja schon gelungen, die Mannschaft auf Kurs zu bringen. Adrion: Man muss abwarten, ob es so stabil bleibt. Aber wir haben in Raphael Holzhauser, Sercan Sararer, Tim Leibold und Robert Yalcin aus dem Profikader auch ordentlich aufgerüstet. Zeyer: Der VfB II hat jetzt die Qualität, um in der dritten Liga vorne mitzuspielen. Ganz wichtig war, dass mit dem Einstieg von Rainer das klare Bekenntnis zur dritten Liga erfolgte und es nicht hieß: Na ja, wenn es dumm läuft, dann steigen wir halt ab.
Wollen Sie damit sagen, dass der VfB II als Favorit ins Derby geht?
Zeyer: Die Mannschaft ist mit der zu Beginn der Runde nicht mehr zu vergleichen. Aber wir sind selbstbewusst genug, um zu sagen: Auch ohne Enzo Marchese und Marco Calamita haben wir gute Chancen zu gewinnen. Adrion: Die Kickers sind Tabellenzweiter und gut in Schuss. Uns haben die Länderspiel-Pausen bisher nicht gutgetan, danach haben wir immer verloren. Und ein richtiges Heimspiel haben wir leider auch nicht.
Die Terminierung passt Ihnen gar nicht.
Adrion: Die ist für mich total unverständlich! Dass wir aus Sicherheitsgründen am gleichen Tag wie unsere Profis gegen Bayer Leverkusen spielen müssen, kann ich absolut nicht nachvollziehen. Wir wollen das demnächst mit DFB nochmals thematisieren. Zeyer: Wenn ein kleiner Teil der Fans auf Reibereien aus sein sollte, dann brauchen sie dafür kein Spiel.
Die Unterstützung für den VfB II ist ohnehin sehr dürftig.
Adrion: Auch daran möchte ich arbeiten. Borussia Dortmund II wird oft von 2000 Fans nach vorne gepeitscht. Auch die VfB-Fans sollen sich künftig noch mehr mit dem Nachwuchs identifizieren, die Stars der Zukunft unterstützen.
Wie sehen Sie die Rivalität zwischen Rot und Blau?
Adrion: Für die Spieler ist es schon ein besonderes Spiel. Zeyer: Für die Fans auch. Ich persönlich denke wenig darüber nach.
Obwohl Sie schon öffentlich Ihren Ärger über den VfB geäußert haben. Dabei ging es um einen Spielerwechsel und die Sperrung der Cannstatter Kurve gegen Borussia Dortmund.
Zeyer: Das stimmt. Wir wollten den Torwart Kevin Müller. Der VfB II ließ ihn nicht zu uns – aber später zu Energie Cottbus ziehen. Das konnte ich nicht nachvollziehen. Ob sich ein Spieler bei uns entwickelt oder bei einem anderen Club, sollte keine Rolle spielen. Es ärgert mich, dass man nicht auf Augenhöhe mit uns gesprochen hat. Adrion: Mit wem hast du gesprochen? Zeyer: Das tut nichts zur Sache. Aus meiner Sicht fehlten die sachlichen Argumente. Dabei kann der VfB doch davon profitieren, wenn es in der Stadt einen zweiten gesunden Club gibt. Adrion: Ob rivalisierende Gedanken innerhalb der Clubs da sind, weiß ich nicht. Ich kann es nicht ausschließen. Kooperation wäre im Moment vielleicht das falsche Wort, aber wir sollten noch mehr miteinander reden, die Kommunikation verbessern. Wenn die Kickers aufsteigen, wäre dies für ein gedeihliches Miteinander noch förderlicher – vor allem zum Wohle des jeweiligen Talents.
Besar Halimi hat beim VfB II fast keine Rolle gespielt. Bei den Kickers startet der Mittelfeldmann nun durch. Was lief schief, Herr Adrion?
Zeyer: Solche Fälle gibt es immer wieder. Adrion: Sollte es aber nicht. Es gibt einige Fälle, in denen wir vielleicht noch ein Jahr hätten warten können, ehe wir einen Spieler abgeben. Wir wollen daraus lernen und das Profil der Talente noch genauer schärfen, um mit ihnen ganz individuell an ihren Schwächen zu arbeiten. Wenn Halimi oder andere Spieler sich in den nächsten zwei, drei Jahren in der Bundesliga etablieren würden, dann hätten wir etwas falsch gemacht.
Der Vertrag von Trainer Jürgen Kramny läuft am Saisonende aus. Wird verlängert?
Adrion: Wir haben darüber noch nicht konkret gesprochen. Ich entwickle für alle Trainer ein Konzept.
Wann fällt die Entscheidung?
Adrion: Nicht vor Weihnachten.
Herr Zeyer, angenommen, der VfB klopft bei Ihnen an und das Angebot als Sportdirektor passt. Würden Sie es annehmen?
Zeyer: Egal, ob jemand Trainer, Manager oder Sternekoch ist, er sollte zwei, drei, vier Jahre nachweisen, dass er gut ist. Die Versuchung ist grundsätzlich immer da. Für jeden ist ein Angebot Ausdruck von Anerkennung. Doch die Frage stellt sich in absehbarer Zeit nicht für mich.
Herr Adrion, Sie bringen Erfahrung und Fachwissen für den Posten des Sportdirektors mit. Wäre es für Sie reizvoll?
Adrion: Es ist eine große Herausforderung, einen Bundesligisten zu führen. Erfahrungen im internationalen Transfergeschäft gehören unter anderem zum Anforderungsprofil eines Sportdirektors dazu. Die habe ich leider nicht vorzuweisen.
Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass es in der kommenden Saison ein Derby VfB gegen Kickers in der zweiten Liga gibt?
Adrion: Die liegt bei null, wobei ich damit nicht sagen will, dass die Kickers nicht aufsteigen können. Zeyer: Ich bin überzeugt, dass der VfB in dieser Saison noch ganz andere Dinge erreichen kann als den Klassenverbleib.
Für die Kickers gilt das Motto: Ein Aufstieg kommt nie zu früh?
Zeyer: Ein Aufstieg kommt nie zu früh, ja. Das zeigt auch das aktuelle Beispiel von Darmstadt 98. Aber jeder weiß doch, dass bis zum Mai noch so viel passieren kann.
Wie lautet Ihr Tipp für Samstag?
Adrion: Es gibt ein schönes Unentschieden mit vielen Toren – 2:2. Zeyer: Tore fallen, das sehe ich auch so. Ich hoffe, wir schießen eins mehr als der VfB.