Griechenlands Rentner leiden unter den Sparvorgaben. Foto: dpa

Die griechische Regierung verspricht ein Sparpaket, das nach 2019 greifen soll. Athen soll im Gegenzug weitere Milliardenhilfen erhalten. Das Land benötigt die Gelder dringend.

Brüssel - Der griechische Finanzminister Euklid Tsakalotos braucht Geld. Wieder einmal. Im Juli muss der hoch dekorierte Wirtschaftswissenschaftler und Gründer-Vater der linken griechischen Regierungspartei Syriza, der sich selbst als Marxist bezeichnet, an die Gläubiger Athensrund sechs Milliarden Euro überweisen. Und wie immer, wenn der Zahlungstermin in Sicht rückt, zeigt sich Tsakalotos von seiner kooperativen Seite. Das ist das Ritual, das sie alle kennen, die Leute von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), die Unterhändler der Gläubiger und auch die griechische Öffentlichkeit: Plötzlich geht was. Strukturelle Reformen, die das Land wirtschaftsfreundlicher machen und die Haushaltsprobleme angehen sollen, sind denkbar. Rentenkürzungen, Privatisierungen, Steuererhöhungen.

Nun ist die dringend benötigte Tranche aus dem 86 Milliarden Euro umfassenden dritten Hilfspaket für Tsakalotos in Reichweite. In der Nacht zu Dienstag gegen ein Uhr griechischer Ortszeit hat er sich mit den Geldgebern von Euro-Rettungsschirm ESM, EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) geeinigt. Vorläufig, wie es in Berlin heißt. Aber es dürfte nichts mehr anbrennen.

Regierung muss Gesetze durchbringen

Auch das ist ein Déjà vue der Griechenland-Krise: Die Regierung von Alexis Tsipras, der mit seiner Koalition im Parlament eine knappe Mehrheit behauptet, muss die versprochenen Reformen jetzt noch in Gesetzesform gießen und dafür in den nächsten Wochen grünes Licht von den Abgeordneten bekommen. Wenn alles klar geht, könnten dann die Euro-Finanzminister Ende Mai die Einigung absegnen. Was Tskalotos den Gläubigern versprochen hat ist bereits in der griechischen Presse nachzulesen: 2019 und 2020, also wohl gemerkt nach Abschluss des dritten Hilfsprogrammes, soll ein Sparpaket im Volumen von 3,6 Milliarden Euro greifen. Dafür sollen die Renten noch einmal um neun Prozent gekürzt werden, außerdem sollen mehr Griechen Steuern zahlen. Derzeit liegt der Grundfreibetrag bei 8000 Euro. Bei dem niedrigen Lohnniveau in Griechenland bedeutet dies, dass nur etwa die Hälfte der Beschäftigten überhaupt steuerpflichtig ist. Die Reformen sind die Voraussetzung dafür, dass die Gläubiger die im dritten Hilfspaket vorgesehene zweite Überprüfung der griechischen Reformbemühungen abschließen.

Annäherung zwischen IWF und Europäern

In Grundzügen waren sich die Beteiligten über die Hausaufgaben, die die Griechen zu erledigen haben, schon länger einig. Athen hatte auch schon seit Wochen in Aussicht gestellt, zu den Reformen bereit zu sein. In den letzten Verhandlungsrunden war es dem Vernehmen nach vor allem darum gegangen, Differenzen im Lager der Gläubiger zu überwinden. Denn: Die Verwaltung der griechischen Staatsschulden von über 300 Milliarden Euro ist seit Jahren immer wieder auch ein Streitpunkt zwischen dem IWF und den europäischen Geldgebern. Deutschland und die Niederlande beharren darauf, dass der IWF an Bord bleibt. Doch der IWF bezweifelt, ob die Reformen, die Athen stemmen soll, dem Land genügend Luft zum Atmen lassen, um wirtschaftlich wieder auf die Beine zu kommen. Vor allem die Bundesregierung pochte stets darauf, dass Schuldenerleichterungen derzeit nicht auf der Tagesordnung stehen. Doch offensichtlich hat es jetzt in dieser Auseinandersetzung Bewegung gegeben: Demnach haben sich die Positionen von IWF und Bundesfinanzministerium inzwischen angenähert. Wie zu hören ist, sei der IWF im Prinzip bereit, ein 13- oder 14-monatiges Griechenland-Programm durchzuführen, das von Juli bis zum Ende der Laufzeit des dritten EU-Rettungspaketes im Sommer 2018 laufen soll. Hierzu sind aber noch in nächster Zeit Gespräche nötig: Athen will wissen, ob die ohnehin ausgesetzte Schuldentilgung noch etwas später beginnen kann. Und der IWF will wissen, wie das am Tropf der Gläubiger hängende Land nach Abschluss des dritten Rettungspaketes einen Haushaltsüberschuss von 3,5 Prozent erzielen kann. Derzeit lassen sich die Bemühungen in Griechenland noch nicht an den Daten ablesen: 2016 stagnierte das Wachstum, wie Athen in diesem Jahr auf 2,7 Prozent kommen will, wie die EU-Kommission prognostiziert, ist nicht absehbar.

Athen ist nur ein Sorgenkind

Griechenland ist nur ein Sorgenkind in Südeuropa. Alle Mittelmeeranrainer im Euro-Raum leiden unter ähnlichen Problemen: schwaches Wachstum und hohes Haushaltsdefizit. Am Besorgnis erregendsten ist die Lage in Italien. Zwar ist das Defizit mit geschätzt 2,4 Prozent 2017 nicht so hoch wie in Frankreich, das bei knapp drei Prozent landen dürfte. Viel schlimmer ist: Während in Frankreich die Wirtschaft Tritt fasst, herrscht in Italien Depression, weil es seit Einführung des Euro kein nennenswertes Wachstum mehr gab und ein hoher Teil der industriellen Wertschöpfung verloren ging. Spanien schloss seinen Haushalt 2016 mit dem Rekorddefizit im Euroraum von 4,5 Prozent ab. Und Portugal konnte sich nur durch Privatisierungserlöse auf passable 2,0 Prozent retten.