Ist der 25-jährige Angeklagte wirklich der Schuldige? Das scheint nun nicht mehr so ganz sicher.
Sitzt der Richtige auf der Anklagebank im Prozess um den Brand in der Asylunterkunft in Marbach im vergangenen Sommer? Diese Frage steht nach der Anhörung einiger Zeugen am dritten Verhandlungstag des Verfahrens vor der 3. Großen Strafkammer des Landgerichts Heilbronn im Raum. Die Staatsanwaltschaft klagt einen 25-jährigen Mann wegen fahrlässiger Brandstiftung sowie fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen an, der mit seinem Zwillingsbruder ein Zimmer des Heims bewohnte. Aufgrund einer psychischen Erkrankung soll er nicht schuldfähig sein und daher in einer geschlossenen Psychiatrie untergebracht werden.
„Was passiert ist, ist nicht meine Schuld“, sagte der Angeklagte mit leiser Stimme an Donnerstag im Gerichtssaal. Er sei mit Freunden in einer anderen Unterkunft in Benningen gewesen. Zurück am Bahnhof in Marbach habe ihn dann die Polizei festgenommen und später nach Weinsberg in eine Klinik gebracht. Mit monotoner Stimme und wenig Erinnerungsvermögen antwortete der junge Mann auf alle Fragen der Prozessbeteiligten, räumte aber immer wieder ein, dass er mit Zahlen und Daten große Schwierigkeiten hat.
In der Nacht vom 29. August 2019 zerstörte das Feuer einen Flügel der Flüchtlingsunterkunft derart, dass dieser abgerissen, ein zweiter saniert werden musste. Der Sachschaden beläuft sich Experten zufolge auf rund eine halbe Million Euro. Zwei Bewohner des Heims erlitten leichte Verletzungen, ein Feuerwehrmann eine leichte Rauchgasvergiftung. Für Kriminaltechniker ist das Zimmer der Brüder der Ort des Brandausbruchs gewesen.
Ein Gutachter der Polizei erläuterte am Donnerstag den Prozessbeteiligten seine Ergebnisse. Danach ist weder zweifelsfrei klar, ob die im Zimmer der Zwillingsbrüder vorgefundene lose Einbaukochplatte angeschaltet, noch, ob sie Ursache des Brandes war. Der Angeklagte meinte sich zu erinnern, an dem Tag auf der Platte eine afrikanische Reissuppe zubereitet zu haben. Der Hinweis des Vorsitzenden Richters, Thomas Berkner, lediglich Wasserkocher seien in den Zimmern erlaubt, beeindruckte ihn nicht wirklich.
Die Polizei stützte sich bei ihren Ermittlungen damals im Wesentlichen auf die Aussage des Bruders des Angeklagten. Dieser hatte in seiner Vernehmung noch am Tattag berichtet, er sei wegen des Rauchs im Zimmer der Unterkunft aufgewacht und habe es verlassen, sein Bruder sei da nicht im Raum gewesen. Doch er beteuerte sogleich, sein Bruder habe nicht vorsätzlich gehandelt, es habe wohl mit seiner Krankheit zu tun, berichtete ein Kriminalbeamter vor Gericht.
Mehrere Bewohner des betroffenen Gebäudeteils berichteten dem Beamten, einen der Brüder vor dem Feuer gesehen zu haben. Ob es sich zuverlässig in allen Fällen um den Angeklagten handelte, angesichts der Dunkelheit einerseits und der großen Ähnlichkeit der Brüder andererseits, wollte der Beamte nicht bezeugen.
Das Zwillingspaar war mehr als ein Jahr von seiner Heimat Gambia unterwegs, um schließlich von Italien aus übers Mittelmeer nach Deutschland zur Schwester in Bremen zu gelangen. Die Behörden brachten die beiden jedoch zunächst in Karlsruhe und später in Kornwestheim unter, wo es bereits einen ungeklärten Fall von Brandstiftung mit den beiden als Verdächtigen gab.
„Ich verhalte mich manchmal falsch“, sagte der Angeklagte ohne jede Regung und berichtete eher zusammenhanglos, dass er sich nicht immer wohl fühle, manchmal Stimmen höre und erst heute wisse, wie seine Krankheit heiße, nämlich Schizophrenie. Die wohl schon in seiner Jugend in Gambia verordneten Medikamente nimmt der Angeklagte, so kam es nach mehreren Frageversuchen heraus, nach Bedarf, und nicht, wie vorgesehen regelmäßig.
Weil gleich mehrere Bewohner der Unterkunft am Donnerstag nicht als Zeugen vor Gericht erschienen, werden sie nun für den kommenden Verhandlungstag am 26. Juni polizeilich vorgeladen. Dann soll auch der Zwillingsbruder gehört werden und der psychiatrische Gutachter seinen Bericht abgeben.