Torschütze Kevin Dicklhuber: Das 1:1 gegen Kiel fühlte sich an wie eine Niederlage Foto: Pressefoto Baumann

Wenn ein Team in der 89. Minute das 1:0 erzielt, sind in 99 von 100 Fällen drei Punkte sicher. Die Stuttgarter Kickers zählen zur Ausnahme: Gegen Holstein Kiel kassieren die Blauen in der Nachspielzeit das 1:1 – und Trainer Morales bittet erneut um Geduld.

Stuttgart - Hinten dicht und vorne hilft der liebe Gott. Diese taktische Marschroute hatte Trainer Massimo Morales – ein wenig vereinfacht ausgedrückt – für die Drittliga-Partie gegen Kiel ausgegeben. Der Plan wäre fast aufgegangen. In der 89. Minute traf Kevin Dicklhuber mit einem Flugkopfball nach Maßflanke von Fabio Leutenecker völlig unerwartet für die 3600 Zuschauer zum 1:0 für die Blauen, was man aufgrund der zuvor wenig überzeugenden Angriffsbemühungen gut als Beistand vom Fußball-Gott werten konnte; jedoch ließen die Kickers in der Nachspielzeit nach einem Eckball Marcel Gebers am Fünf-Meter-Raum gewähren, der durchkreuzte Morales’ Plan und köpfte zum 1:1 ein. „Das ist ganz bitter“, stöhnte Dicklhuber, „das 1:1 fühlt sie wie eine Niederlage an.“ Und Leutenecker knurrte: „So ein blödes Gegentor – wir müssen sofort abstellen, dass wir bei späten Standards so unsortiert sind.“ Trainer Morales war jedenfalls bedient: „Ich hatte nicht einmal die Zeit, mich richtig zu freuen – schon stand es 1:1.“

Ein Treffer, ein Punkt, immerhin die jeweils ersten der Saison, doch drei Zähler hätten es sein können – auch wenn Präsident Rainer Lorz irgendwie recht hatte, als er meinte: „Wenn das Spiel nach 85 Minuten zu Ende gewesen wäre, wären wir mit dem Remis zufrieden gewesen.“ Keine Widerrede, doch die Partie dauerte nun mal 93 Minuten. Und das, was die Kickers über weite Strecken boten, machte ihrem Anhang nur geringe Freude und noch weniger Mut. Engagement konnte ihnen keiner absprechen, doch gegen Kieler, die von der ersten Minute an mit einem 0:0 zufrieden schienen, passierte in der Offensive reichlich wenig. Statt Ideen gab es lange Bälle, statt Kombinationen regierte der Zufall. „Die spielerischen Mittel sind zurzeit beschränkt“, räumte Morales ein, „aber ich habe gesehen, was ich sehen wollte: Die Mannschaft lebt, sie hat sich für das Spiel von Wehen rehabilitiert.“

Reicht diese Leistung, um in der Liga zu bleiben?

Schön und richtig, doch auf lange Sicht stellen sich die Kickers-Fans die Frage: Reicht diese Leistung, um in der Liga zu bleiben? Da wachsen beim Anhang die Zweifel. Präsidiumsmitglied Guido Buchwald sprach zwar von „erkennbaren kleinen Schritten“, die das Team nach vorn mache, und dass sich „die Mannschaft finden wird“. Und Coach Morales betonte erneut, dass Geduld gefragt sei, schließlich fehlten noch immer wichtige Spieler wie die Neuzugänge Elia Soriano, Karim Rouani und Patrick Milchraum. Doch die Ungewissheit, ob mit deren Mitwirkung wirklich alles besser wird, ist keineswegs ausgeräumt. Die Kickers hoffen – und mit ihnen die Fans.

Zu allem Überfluss müssen die Blauen den nächsten Rückschlag in personeller Hinsicht verkraften. Wie gegen Erfurt musste Daniel Engelbrecht ausgetauscht werden – ihm war wieder übel geworden. Der Stürmer wurde kurz vor Schluss vom Feld geführt und in ein Krankenhaus gebracht. Dort bleibt er bis Mittwoch, wo er von Kopf bis Fuß durchgecheckt wird. „Er wurde schon nach dem Erfurt-Spiel von mehreren Spezialisten untersucht“, erzählte Morales, „sie alle haben grünes Licht für einen Einsatz gegeben. Wir müssen abwarten.“