Der Learjet 45 der DRF Luftrettung wird verkauft, obwohl er neu ist. Mehrere Piloten werden deshalb entlassen – und kritisieren die DRF scharf Foto: DRF

Die DRF Luftrettung in Filderstadt ist neben dem ADAC der größte deutsche Luftrettungsdienst – und zuletzt in finanzielle Turbulenzen geraten. Ein Sparprogramm soll zurück in die schwarzen Zahlen führen. Neun gekün- digte Piloten gehen jetzt vor Gericht.

Stuttgart - Das Spielfeld in der Rettungsbranche ist klein. Wenn da ein prominenter Mitspieler außer Tritt gerät, kommen sofort Transfergerüchte auf. Die DRF Luftrettung mit Sitz in Filderstadt hat im vergangenen Jahr zum ersten Mal seit langem einen Verlust in Höhe von rund zwei Millionen Euro hinnehmen müssen. Der Grund: Man konnte wegen schlechter Wetterlagen an verschiedenen Standorten die Hubschrauber nicht so oft aufsteigen lassen wie erhofft. Damit fehlt es an Geld, aber nicht an Spekulationen um eine Übernahme.

Die Winnender Björn-Steiger-Stiftung zum Beispiel will in China ein Milliardengeschäft stemmen und dort den Rettungsdienst aufbauen. Dafür braucht sie einen direkten Zugang zum Markt der Luftrettung. Den hat sie bisher nicht. Ein Einstieg bei der DRF und anderen Kandidaten ist dort ein Thema. „Wir können Überlegungen und Gespräche mit Marktteilnehmern über einen operativen Einstieg der Steiger-Stiftung in die Luftrettung bestätigen“, sagt deren Sprecherin Anna Eberchart. Kooperationen oder Übernahmen seien nicht ausgeschlossen. Die Gespräche befänden sich in einem fortgeschrittenen Stadium, „sind aber aufgrund der Tragweite des Themas noch nicht abgeschlossen“. Ein Dementi klingt anders.

Das kommt dafür von der DRF. „Wir sind zwar einstmals auf Initiative der Steiger-Stiftung gegründet worden, wissen aber von einem aktuellen Interesse an uns nichts“, sagt Sprecherin Petra Hentschel. Man sehe „keinerlei Notwendigkeit zu einem Einstieg oder einer Übernahme“.

Das liegt auch daran, dass die von einem gemeinnützigen Verein und einer Stiftung getragene DRF erste Erfolge beim eingeschlagenen Sparkurs sieht. „Wir erwarten 2014 ein positives Jahresergebnis“, sagt Hentschel. Zum einen seien mehr Flugstunden möglich gewesen, zum anderen griffen verschiedene Maßnahmen. „Wir stehen wirtschaftlich wieder gut da und haben den Zuschlag für einen neuen Standort in Brandenburg bekommen“, so die Sprecherin.

Allerdings läuft das Engerschnallen des Gürtels nicht ohne Misstöne ab. Vor wenigen Tagen haben sich die DRF und zwei ihrer Mitarbeiter vor dem Stuttgarter Arbeitsgericht getroffen. Sieben weitere Prozesse werden folgen. Beim Überprüfen ihrer Wirtschaftlichkeit hat die DRF beschlossen, Teile ihres Geschäfts einzustellen. Neben Rettungshubschraubern betreibt sie auch drei Flugzeuge. Sie holen Fördermitglieder bei Krankheit aus dem Ausland, machen für Kunden Vermessungsflüge und haben seither auch für Versicherungen Patienten nach Deutschland zurückgeflogen. Letzteres Geschäft fällt künftig weg, weil es sich nicht lohnt. Deshalb wird ein Flugzeug verkauft, neun von 15 Piloten sind betriebsbedingt gekündigt worden. Alle klagen dagegen.

Neben ihrer persönlichen Situation bemängeln die Piloten, dass das erst vor kurzem angeschaffte Flugzeug jetzt mit großem Verlust verkauft worden sei. Noch dazu an einen Anbieter in Luxemburg, dessen Chef im Präsidium des Fördervereins sitze. „Das hat ein Gschmäckle“, sagt einer der Betroffenen. Die DRF weist das zurück. „Wir haben an denjenigen verkauft, der das beste Angebot abgegeben hat“, sagt Sprecherin Hentschel – und räumt ein: „Eine solche Maßnahme löst immer Unruhe aus.“

Der Markt in der Rettungsbranche ist eben klein – nicht nur für Piloten.

Info

Die Luftrettung in Deutschland ist unter mehreren großen und kleinen Anbietern aufgeteilt. Es gibt bundesweit rund 70 Standorte. Eine besondere Rolle spielt dabei die DRF Luftrettung mit Sitz in Filderstadt (Kreis Esslingen). Sie ist neben dem ADAC und vor dem Innenministerium größter Anbieter.

Die DRF ist 1972 auf Initiative der Björn-Steiger-Stiftung als Deutsche Rettungsflugwacht e.V. gegründet worden. Ein Jahr später hob der erste Rettungshubschrauber ab. Die Zahl der Standorte, Einsätze und Mitarbeiter stieg in den vergangenen 42 Jahren stetig an. 2008 folgte eine Umorganisation unter dem neuen Namen DRF Luftrettung. Sie besteht seither aus einem gemeinnützigen Förderverein und einer Stiftung. Beide zusammen betreiben als operatives Organ die DRF Stiftung Luftrettung gemeinnützige AG mit mehreren Tochtergesellschaften. Für die DRF arbeiten rund 460 Festangestellte, dazu kommen viele Mitarbeiter auf Honorarbasis.

Die DRF Luftrettung ist mit ihren Tochtergesellschaften derzeit an 30, künftig an 31 Standorten mit insgesamt 50 Hubschraubern präsent. Die Schwerpunkte liegen in Baden-Württemberg, darunter die Region Stuttgart, sowie in Bayern und den neuen Bundesländern. Sie hat seit ihrem Bestehen weit über 700 000 Einsätze geflogen. In diesem Jahr sind es bisher rund 34 000. Dazu zählen Rettungseinsätze ebenso wie der Transport von Intensivpatienten zwischen Kliniken oder das Zurückbringen von Verletzten aus dem Ausland in ihre Heimatländer.

Die DRF Luftrettung finanziert sich aus den Zahlungen der Krankenkassen. Die reichen aber nicht. Deshalb muss ein Viertel der Aufwendungen mit Spenden und Beiträgen der Fördermitglieder gedeckt werden. (jbo)