Rund 12 000 Menschen haben in Dresden ein Zeichen für Menschlichkeit gesetzt. Foto: Getty Images Europe

Im Gedenken an die eigene Zerstörung im Zweiten Weltkrieg erinnert Dresden auch an das Leid der Menschen in aktuellen Konflikten. Bei der Stadtbevölkerung kommt das nicht durchweg gut an.

Dresden - Mit der Erinnerung an die Bomben-Opfer, aber auch an die eigene NS-Vergangenheit hat Dresden der Zerstörung der Stadt im Zweiten Weltkrieg gedacht. Als Zeichen für Versöhnung und Menschlichkeit verbanden am Montagabend rund 12 000 Menschen am 72. Jahrestag der Bombardements der Alliierten mit einer Menschenkette beide Elbseiten.

Zum Auftakt hatte Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) an die Teilnehmer appelliert, mit dem Gedenken eine Brücke in die Gegenwart zu schlagen. „Auf dieser Welt werden zahlreiche Konflikte kriegerisch ausgetragen und die Menschenwürde mit Füßen getreten.“ Dieses Leid „betrifft uns in einer globalisierten Welt direkt.“

An der Menschenkette, die sich durch die Altstadt und am Ufer der Neustadt-Seite entlangzog, nahmen auch viele Familien mit Kindern teil. Der Andrang war groß: Auf den Elbbrücken standen die Menschen Hand in Hand und dicht an dicht. Auch Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und weitere Regierungsmitglieder reihten sich ein.

NS-Vergangenheit spaltet

Mit diesem Symbol mache Dresden deutlich, „dass nicht irgendwer die Stadt für sich vereinnahmen kann“, sagte der Regierungschef mit Blick auf Neonazis und Störer aus dem Pegida-Umfeld, die in den vergangenen Tagen immer wieder versucht hatten, das Gedenken für ihre Zwecke zu instrumentalisieren.

„Die lautesten und schrillsten Stimmen werden mit der größten öffentlichen Aufmerksamkeit bedacht. Das ist nicht nur schade, sondern es raubt uns jede Möglichkeit, Themen zu besprechen, die für unser Zusammenleben in dieser Stadt essenziell sind“, warnte Hilbert. Zugleich erinnerte das Stadtoberhaupt an die NS-Vergangenheit der Stadt.

In Dresden habe die NSDAP Mehrheiten versammelt „wie in keiner zweiten deutschen Großstadt“. Die heftigen Reaktionen auf seine Aussage, dass Dresden vor den Angriffen alliierter Bomber am 13., 14. und 15. Februar keine unschuldige Stadt gewesen sei, belegten, wie diese Frage die Bevölkerung „immer wieder aufs Neue spaltet“.

Gedenken an mehreren Orten der Stadt

Der Jahrestag hatte am Vormittag mit einem dezentralen Gedenken an mehreren Orten der Stadt begonnen. Hilbert legte an einem Gedenkstein auf dem zentralen Altmarkt eine weiße Rose nieder. Dort waren nach den Luftangriffen alliierter Bomber vom 13. und 14. Februar 1945 die Leichen von knapp 7000 Todesopfern verbrannt worden.

Weitere Veranstaltungen gab es unter anderem am Alten Leipziger Bahnhof, von wo aus die meisten Dresdner Juden zwischen 1938 und 1945 deportiert worden waren. Im Urnenhain Tolkewitz wurde an die Ermordung psychisch kranker und behinderter Menschen in der NS-Zeit erinnert.

Am Nachmittag versammelten sich mehrere hundert Menschen auf dem Wettiner Platz, wo 1933 die deutschlandweit erste Bücherverbrennung der Nationalsozialisten stattfand. Auf einem „Mahngang Täterspuren“ des Bündnisses Dresden Nazifrei ging es anschließend zu Schauplätzen der NS-Herrschaft in der Stadt.

Rechtsextreme missbrauchen Jahrestag

Sachsens Integrationsministerin Petra Köpping (SPD) bezeichnete die Erinnerungskultur als „Geschenk“ der Demokratie. Dass die Sachsen seit so vielen Jahren in einem vereinten und friedlichen Land lebten, sei ein Privileg. „Wir tragen als Deutsche und Europäer eine besondere Verantwortung den vielen Menschen gegenüber, die heute von Krieg betroffen sind und sich nichts sehnlicher wünschen als Frieden in ihrer Heimat.“

Wie schon am Wochenende missbrauchten auch am Jahrestag Rechtsextremisten das Gedenken für ihre Ideologie. Die NPD legte einen Kranz auf dem Heidefriedhof nieder, wo viele der Bombenopfer in Massengräbern liegen. Auch der wegen Volksverhetzung vorbestrafte Holocaust-Leugner Gerhard Ittner war auf dem Friedhof zugegen. Nachdem er bei einer Kundgebung am Samstag in Dresden den Holocaust indirekt erneut als „Lüge“ und den Nationalsozialismus als „Modell für die ganze Welt“ bezeichnet hatte, wird gegen ihn ermittelt.

Rechtsextreme nutzen das Gedenken seit Jahren für ihre Zwecke und rechnen die Opferzahlen hoch, um so „alliierte Kriegsverbrechen“ zu belegen und den Holocaust zu relativieren. Einer Historiker-Kommission zufolge kamen bei den Bombardements in Dresden etwa 25 000 Menschen ums Leben.