Warnung: Eine neue Betrugsmasche verknüpft die Vergabe von Impfterminen mit der Abfrage von Bankdaten und anderen persönlichen Informationen. Foto: Eibner-Pressefoto/Fleig / Eibner-Pressefoto

Eine Seniorin aus Holzgerlingen ist von einer angeblichen Gesundheitsamtsmitarbeiterin angerufen und ausspioniert worden. Doch wie die Betrügerin dann das Konto des Opfers plündern konnte, ist auch der Polizei ein Rätsel.

Holzgerlingen - „Man muss den Leuten, die diesen Trick erfunden haben, fast ein Lob aussprechen. Das war wirklich genial,“ sagt eine 75-jährige Seniorin aus Holzgerlingen, die offenbar das Opfer einer neuen und besonders perfiden Betrugsmasche geworden ist. Das ironisch gemeinte Kompliment gilt der angeblichen Mitarbeiterin des Böblinger Gesundheitsamts, die am Dienstagmorgen bei der Seniorin angerufen hatte, sie mit dem Thema Impftermin köderte und am Ende reichlich Geld von ihrem Kreissparkassenkonto erschleichen konnte. Der Fall stellt die Polizei vor einige Rätsel.

Das 75-jährige Opfer sagt, die Betrügerin sei äußerst überzeugend gewesen

Dass sie überhaupt auf diesen Betrug hereinfallen konnte, mag die 75-Jährige selbst kaum glauben. Sie sei geistig fit und bei solchen Dingen normalerweise sehr misstrauisch, versichert sie. Allerdings sei die Anruferin mit ihrer Masche einfach so überzeugend gewesen. „Welcher Bürger vermutet schon einen Betrug, wenn das Gesundheitsamt anruft?“, sagt die Seniorin. Eine Lüge: „Das Gesundheitsamt hat mit der Impfterminvergabe nichts zu tun, ruft deswegen nicht an und fragt erst recht nicht nach Bankkartennummern“, stellt Landratsamtspressesprecher Benjamin Lutsch an dieser Stelle klar.

Gerade weil der Trick aus ihrer Sicht „leider sehr genial“ sei, will die Dame möglichst viele Menschen davor zu warnen. Ausführlich schildert sie deshalb im Gespräch mit dieser Zeitung, wie der Betrug abgelaufen sei.

„Unbekannter Anrufer“ habe auf dem Display gestanden, als am Dienstagmorgen das Telefon klingelte. Anrufe mit unterdrückten Nummern ignoriere sie meist. Allerdings habe sie zwei Freundinnen, bei denen dies ebenfalls der Fall sei. Also ging sie doch ran und hatte eine „ganz freundliche und charmante Dame“ am Telefon, die sich ihr als Schwester Barbara vom Gesundheitsamt Böblingen vorstellte. Sie habe gute Nachrichten: Das Gesundheitsamt könne ihr einen Impftermin anbieten.

Wie kamen die Kriminellen an alle diese Informationen?

Als die 75-Jährige erklärte, dass sie ihre erste Impfung bereits am 3. April in Stuttgart erhalten habe, bot ihr die Anruferin reaktionsschnell einen Zweit-Impftermin beim Gesundheitsamt in Böblingen an. Schließlich sei das doch viel näher und praktischer. Als die Holzgerlingerin zustimmte, kündigte die Anruferin an, sie werde ihr zum Abgleich ihre persönlichen Daten vorlesen. Zu ihrer Verblüffung wusste die Frau offenbar sehr genau über sie Bescheid. Äußerst schleierhaft: Selbst Geburtsort und ihr Mädchenname stimmten.

Bei einem zweiten Anruf wenige Minuten später gelang es der falschen „Schwester Barbara“, sich immer tiefer ins Vertrauen ihres Opfers zu plaudern. Sogar einen Impftermin für den Partner der Seniorin hatte sie im Angebot. Schließlich erzählte die Trickbetrügerin noch etwas über eine Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsamt und der Böblinger Kreissparkasse. Dafür bräuchte sie nur noch die Bankkartennummer der Seniorin. Wohl gemerkt: Nicht die Kontonummer oder die PIN. Das sei viel zu gefährlich, gaukelte die Frau am Telefon Vertrauenswürdigkeit vor. Dabei brauchten die Täter die Kontonummer offenbar gar nicht mehr – ihnen fehlte nur die Kartennummer auf der Rückseite der EC-Karte, und das aus einem bestimmten Grund.

Die Seniorin wurde stutzig – aber zu spät

Unmittelbar nach Beendigung des Gesprächs wurde die Holzgerlingerin stutzig. Sie rief erst beim Gesundheitsamt, dann bei der Kreissparkasse an und ließ schließlich umgehend ihr Konto sperren. Seit dem betrügerischen Anruf war keine halbe Stunde vergangen. Dennoch war es zu spät: Fünf Minuten vor Sperrung des Kontos hatte jemand bereits per Telefonüberweisung den Maximalbetrag von 2000 Euro abgebucht. Zum Glück für die Seniorin versichert die Bank, ihr das Geld wieder zurückzuüberweisen.

Nun fragen sich die Ermittler: Wie könnten die Täter an die Daten der 75-Jährigen gelangt sein? „Ich habe bei keinem Gewinnspiel, keinem Preisausschreiben mitgemacht“, sagt die 75-Jährige. Sie habe auch kein Onlinebanking, bei dem Daten abgefischt worden sein könnten. Seltsam auch: „Uns sind bisher keine weiteren Betrugsanrufe dieser Art bekannt“, sagt Polizeipressesprecherin Yvonne Schächtele.

Welche Hürden hat das Telefonbanking für Betrüger?

Dass die Täter die Beute über Telefonbanking abzapfen, ist zudem ungewöhnlich. Denn der Aufwand ist für die Betrüger groß: Im Fall der Kreissparkasse Böblingen müssen sie bei einem Servicemitarbeiter anrufen und mehrere Sicherheitsfragen beantworten. „Da werden personenbezogene Fragen gestellt, die nur die Kontoinhaber wissen können“, sagt Banksprecherin Miriam Höhn. Etwa die letzte Kontobewegung. Oder die Bankkartennummer. Bei anderen Geldinstituten muss Telefonbanking erst beantragt und mit einer PIN gestartet werden.

Offenbar hatten die Täter im Holzgerlinger Fall auch erst beim dritten Versuch Erfolg. Die Polizei geht nun den Geldbewegungen nach – und auch die sind für solche Betrügereien ziemlich unüblich. Die 2000 Euro sind nach ersten Erkenntnissen nicht gleich ins Ausland verschwunden.

Hat alles vielleicht in Berlin begonnen?

Vielleicht liegt die Wurzel allen Übels ja in Berlin: Dort wurde der Holzgerlingerin vor fünf Jahren die Geldbörse gestohlen. Das Geld war weg, auch die Ausweise und Scheckkarten. Zwar wurden die nach ein paar Tagen gefunden und per Post zurückgeschickt. Doch womöglich, und das ist jetzt nicht mehr auszuschließen, sind die Daten vorher noch in dunkle Kanäle geraten. Und werden nun dreist von Ganoven genutzt. Eines ist sicher: Sie heißen jedenfalls nicht Schwester Barbara.