Wer ist als CDU-Chef am besten geeignet? Norbert Röttgen (von links), Armin Laschet und Friedrich Merz kämpfen mit Maske und harten Bandagen. Foto: dpa/Michael Kappeler

Drei Männer wollen CDU-Vorsitzende werden. Jetzt müssen sie in die Corona-bedingte Verlängerung. Wie läuft der Wahlkampf bei den drei Herren aus Nordrhein-Westfalen, die bald auch Kanzler werden wollen?

Stuttgart - Ohne die zweite Welle der Corona-Pandemie wäre am Freitag in Stuttgart der neue CDU-Vorsitzende gewählt worden. Nun geht der virtuelle Wahlkampf vor dem nun geplanten Digitalparteitag am 16. Januar in die Verlängerung. Noch sieht sich Friedrich Merz vorne, bei Armin Laschet läuft es weniger rund, dafür könnte ihm der Dritte im Bunde gefährlich werden. Ein Stimmungsbericht aus dem Innern der CDU sechs Wochen vor der Entscheidung.

 

Norbert Röttgen

Als krasser Außenseiter, als der er bei Bekanntgabe seiner Kandidatur im Februar gegolten hatte, konnte Norbert Röttgen befreit aufspielen. Beobachter attestieren ihm nicht nur einen bisher fehlerfreien Auftritt, der ihn in manchen Umfragen auf Platz zwei hinter Merz hat aufrücken lassen. In der Partei wird auch goutiert, dass Röttgen am wenigsten dazu beigetragen habe, dass Noch-Parteichefin Kramp-Karrenbauer unlängst von einem „ruinösen Wettbewerb“ sprach. Während sich Laschet und Merz immer wieder einmal beharken, ist Röttgen in den vergangenen Monaten nicht durch unangenehme Verbalattacken aufgefallen.

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag ist bisher am ehesten derjenige gewesen, der den ein oder anderen Akzent setzen konnte. Das war der Fall, als das Land über die politischen Konsequenzen aus der Vergiftung des russischen Oppositionellen Alexej Nawalny diskutierte und Röttgen das Aus für die deutsch-russische Gaspipeline Nord Stream 2 forderte. Der 55-Jährige hat Vorschläge für ein digitales Deutschland 2025 unterbreitet und der Partei gerade in Gestalt der 38-jährigen Rheinland-Pfälzerin Ellen Demuth ein ziemlich neues Gesicht als mögliche CDU-Chefstrategin präsentiert. Das wird von vielen Parteimitgliedern durchaus als „erfrischend“ empfunden, während im Zusammenhang mit Laschet schon mal das Adjektiv „lasch“ und bei Merz das Wörtchen „selbstverliebt“ fällt.

Röttgen darf also zurecht von „Rückenwind“ sprechen und sich über jüngste Umfrageerfolge freuen. Ob er bei den Delegierten eine echte Chance hat, ist unklar. Auch Röttgen verbringt viel Videokonferenzzeit mit diversen Kreisverbänden, aber eine nennenswerte Unterstützung aus seinem Heimatlandesverband gilt als fraglich. Dort ist die Erinnerung noch lebendig, wie Röttgen sich erst in einem Mitgliederentscheid gegen Laschet durchsetzte und dann 2012 ein historisch schlechtes Landtagswahlergebnis einfuhr. Seit dieser Zeit gilt Röttgen nicht unbedingt als Teamspieler – viel hängt davon ab, ob seinen Beteuerungen, aus der damaligen Zeit gelernt zu haben, Glauben geschenkt wird.

Armin Laschet

Der vollste Terminkalender ist nicht automatisch Ausweis der größten Beliebtheit – sonst wäre Armin Laschet der Sieg bei der Wahl zum CDU-Chef nicht mehr zu nehmen. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident setzt voll auf seine Regierungserfahrung, erst recht in der Coronapandemie, während der die Länderchefs fast im Wochenrhythmus zusammen mit der Kanzlerin fundamentale Entscheidungen treffen. Als einziger der Kandidaten hat er schon eine Wahl gewonnen und beweist in seinem Landeskabinett überdies, dass der Mitte-Mann die vielen CDU-Strömungen zu einem Ganzen zusammenfügen kann. Diese Idee liegt auch seiner eigenen Teamlösung mit dem parteiintern beliebten Bundesgesundheitsminister Jens Spahn zugrunde.

Nur zieht sie bisher nicht, im Gegenteil: In manchen Umfragen findet sich Laschet auf dem dritten Platz wieder. Die Gründe dafür wüsste er wohl selbst gerne. Klar ist, dass Corona ihm kaum Zeit für eine eigenständige Parteikampagne und Gespräche mit der Basis gelassen hat – aus dem Regierungsbonus droht ein Malus zu werden. Selbst sein Tandempartner Spahn hat ihn gerade öffentlich ermahnt, stärker um die Partei zu kämpfen. Und noch immer hängen ihm die „Öffnungsdiskussionsorgien“ aus dem Frühjahr nach, als er sich gegen Merkels vorsichtigeren Kurs stellte. Längst wird das bevölkerungsreichste Bundesland nicht besser oder schlechter durch die Pandemie geführt als andere, das Negativimage aber ist geblieben. Bestes Beispiel: Kürzlich stellte sich heraus, dass sein Sohn Joe, in der Textilindustrie tätig, im Frühjahr medizinische Schutzausrüstung besorgen sollte. Was auch als voller Einsatz für die damals fehlenden Masken und Kittel gesehen werden könnte, wird bei Laschet unter dem Stichwort Vetternwirtschaft diskutiert.

Abschreiben lässt sich der 59-Jährige deshalb aber noch nicht. Obwohl alle drei Kandidaten aus NRW stammen, ist der Landesvorsitzende der erklärte Favorit des Landesverbandes mit den meisten Delegierten. Solange aber die Umfragewerte im Keller bleiben, dürften die Gerüchte über einen möglichen Rückzieher zugunsten Spahns nicht verstummen.

Friedrich Merz

An Selbstbewusstsein hat es Friedrich Merz nie gemangelt. Und so wähnt sich der 65-Jährige aus dem Sauerland nicht nur in den Umfragen unter CDU-Anhängern vorne, sondern auch unter den 1001 Parteitagsdelegierten, die am Ende darüber entscheiden, wer das Chefbüro im Berliner Konrad-Adenauer-Haus beziehen wird. Die zuletzt lancierten Berichte, dass an der Basis ein Nachdenken über den Kandidaten Merz eingesetzt habe, weil der schon so dünnhäutig auf die pandemiebedingte Parteitagsverschiebung reagiert hat und doch als Vorsitzender oder Kanzlerkandidat eigentlich ein dickes Fell bräuchte, tut der 1,98-Mann als Manöver aus dem gegnerischen Lager ab. Viele Landesverbände, nicht zuletzt den zweitgrößten aus Baden-Württemberg, meint er, längst in der Tasche zu haben.

Als Lehre aus seiner Niederlage 2018 gegen Annegret Kramp-Karrenbauer verlässt er sich diesmal allerdings nicht auf seine demoskopische Führung. Intensiv beackert er seit dem Frühjahr die Delegierten und die Kreisverbände, die sie aufstellen. Da wird zum Hörer gegriffen, zwei bis drei Mal pro Woche diskutiert Merz per Videoschalte mit den Christdemokraten vor Ort. Sein kürzlich erschienenes Buch „Neue Zeit. Neue Verantwortung“ soll die bei manchem lang vermisste inhaltliche Orientierung geben. Ob das gelungen oder das Programm doch seine Person selbst ist, bleibt Ansichtssache.

Viele Delegierte empfinden Merz‘ mögliche Wahl weniger umstürzend, als sie das vor zwei Jahren gewesen wäre. Damals stand die Befürchtung im Raum, Angela Merkels Regierung könne daran zerbrechen, weil sich Merz und die Kanzlerin in herzlicher Abneigung verbunden sind, seit sie ihm 2002 den Fraktionsvorsitz abnahm. Nun herrscht Zuversicht, dass die beiden Intimfeinde die wenigen Monate bis zur Bundestagswahl überbrücken könnten. Die Erfolgsaussichten mit einem Kanzlerkandidaten Merz werden dabei unterschiedlich bewertet: Während die einen befürchten, der Polarisierer könnte dem rot-rot-grünen Lager ins Kanzleramt verhelfen, legen die anderen dies als profilbildend aus. Klar ist aber allen: Ein Wahlkampf mit ihm dürfte härter und schärfer werden.