Das Theater ist Helen Pavels intellektuelles Zuhause. Foto: Kathrin Wesely

Helen Pavel ist derzeit neue Leiterin des Dreigroschentheaters im Stuttgarter Süden. Jürgen von Bülow wird demnächst als Künstlerischer Leiter ins Haus kommen.

S-Süd - The Show must go on – weil der Theatergründer es so gewollt hätte, weil seine Nachfolgerin es will, weil die Schauspieler es so wollen und das Publikum auch. Am 12. September war Helmut O. Herzfeld gestorben, der Gründer, langjährige Künstlerische Leiter, Regisseur, Herz und Lunge des Dreigroschentheaters. Seither hat Helen Pavel die Leitung und Geschäftsführung des kleinen, 1975 eröffneten Theaters an der Kolbstraße übernommen. Sie hat einst von Herzfeld, dem pensionierten Deutschlehrer und passionierten Regisseur, gelernt und viele Jahre selbst Regie geführt. Pavel musste ein paar Änderungen im Spielplan vornehmen, aber der Betrieb läuft weiter.

Grundsätzlich, sagt Pavel, wolle sie das Haus im Geiste Herzfelds weiterführen. „Den literarischen Anspruch will ich halten. Platte Schwänke kommen auch in Zukunft hier nicht auf die Bühne und auch kein Kitsch.“ Dennoch wird die neue, 76-jährige Intendantin dem Betrieb sanft ihr eigenes Gepräge aufdrücken. Neue Stoffe, sagt sie, hätten den alten Chef weniger interessiert. Das ist bei Pavel anders. „Kurz vor Herzfelds Tod haben wir noch über ein Stück von Woody Allan gesprochen, ‚Riverside‘. Er mochte es nicht.“ Im nächsten Jahr wird Pavel es auf die Bühne bringen. Manches werde eben ein bisschen anders: „Herzfeld mochte die modernen Klassiker, ich alles, was absurd ist.“

Verstärkung in Sicht

Im kommenden Jahr will die neue Chefin mehr Gastspiele ins Haus holen, um den eigenen Betrieb zu entlasten, aber auch, um neue Zielgruppen zu erreichen. Es sind Auftritte von Gruppen aus der freien Szene angekündigt – beispielsweise hat Pavel das New Englisch American Theatre eingebucht sowie ein italienischsprachiges Ensemble. Pavel selbst hat sich viele Jahre in der freien Szene getummelt, hat im Makal-City-Theater Pantomime gespielt, zahlreiche Gastspiele gegeben und Theaterprojekte mit Kindern ersonnen. Seit 2000 arbeitet Pavel im Dreigroschentheater mit – zunächst hatte sie für Herzfeld die Pressearbeit erledigt. Mit ihm verband sie die unbezwingbare Leidenschaft fürs Theater. Helen Pavel ist eigentlich von Haus aus studierte Bauingenieurin und hat viele Jahre in einem Stuttgarter Ingenieurbüro gearbeitet. Doch 1996 riss sie die Liebe zum Theater hinfort ins Off der freien Szene.

Sie ist froh, dass sie bald Unterstützung bekommt, dann bleibt wieder mehr Zeit für die eigentliche Theaterarbeit. Jürgen von Bülow ist bereits als neuer Künstlerischer Leiter benannt, sein Arbeitgeber wird der Trägerverein Dreigroschentheater sein. „Helmut O. Herzfeld war mein Deutschlehrer am Schickhardt-Gymnasium. Er hat mich zum Theater gebracht!“, erinnert sich der heute 61-Jährige. Der Stuttgarter Autor, Regisseur und Dozent für Filmdramaturgie war einst Regieassistent am Staatstheater Stuttgart und später Drehbuchautor für Felix Huby und Roland Emmerich. Von Bülow schrieb Drehbücher für TV-Serien wie „Marienhof“, „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ und den „Tigerenten Club“. In den vergangenen Jahren hat er wieder zum klassischen Theater zurückgefunden. Um die 50 Stücke für Amateurtheater hat er inszeniert. Diese Szene sei schon besonders, denn „Amateure spielen mit Demut, nicht mit Überheblichkeit!“

Welche Stücke auf der kleinen Bühne des Dreigroschentheaters mit dem bestehenden Ensemble realisierbar sind, will von Bülow in den kommenden Monaten ausloten. Die erste eigene Inszenierung, so schätzt er, wird er in der zweiten Hälfte des kommenden Jahres Premiere feiern. Einstweilen bringt von Bülow ein Gastspiel mit, Yasmina Rezas „Drei Mal Leben“, das er mit der Theatergruppe Uni Hohenheim inszeniert hat. Wie Pavel will auch er den Geist von Helmut O. Herzfeld am Leben und zugleich bei Laune halten: „Ich will seinen Anspruch halten, aber leichter werden. Ich glaube, das passt sehr gut in unsere heutige Zeit.“

Motivierte Truppe

Das Dreigroschen-Ensemble wird dem neuen Führungsduo voraussichtlich die Treue halten, weil es gar nicht anders kann: „Die lieben Theater, sie wollen spielen!“, sagt Pavel. Die zwölf Frauen und Männer seien im richtigen Leben Erzieherinnen, Ingenieure, Manager, Lehrer oder ausgebildete Schauspieler – ein Koch ist auch dabei – und alle seien motiviert bis in die Haarspitzen. Der routinierten Theaterfrau Helen Pavel ist bewusst, dass man Amateurschauspieler sehr pfleglich behandeln muss, „schließlich opfern sie ihre Freizeit und wollen hier etwas Positives erleben“.

Zu schaffen macht ihr eher der „krasse Männermangel“ des Ensembles in Anbetracht der Tatsache, dass die meisten Helden und Antihelden in den Theaterstücken männlich sind. Pavel schreibt eine Rolle erbarmungslos um, wenn es sein muss, denn Frauen einfach in Männerklamotten zu stecken, findet sie „albern“. Das Theater braucht einfach noch ein paar Geschichten mehr über Heldinnen.