Gähnende Leere: Wie hier im Ludwigsburger Goethe-Gymnasium wird es bald an allen Schulen aussehen. Foto: factum/Archiv

Weil Schulen und Kitas dicht machen, richten manche Städte im Kreis Ludwigsburg eine Notbetreuung ein – für Kinder von Eltern, deren Job unerlässlich für das Funktionieren des öffentlichen Lebens ist. Ludwigsburg schließt unter anderem größere Bars, Kinos und die Bäder.

Kreis Ludwigsburg - Die Kliniken im Landkreis bereiten sich auf steigende Patientenzahlen vor, Schulen und Kindergärten werden geschlossen, Ludwigsburg macht unter anderem Kinos, Bars und Bäder dicht – spätestens jetzt steht fest: Das öffentliche Leben wird in Ludwigsburg und im Umfeld wegen des Coronavirus auf absehbare Zeit auf ein Minimum heruntergefahren. Mehrere Stunden tagte am Freitag der Corona-Stab der Ludwigsburger Stadtverwaltung, um 19.20 Uhr wurde das Ergebnis verkündet, und es fällt drastisch aus: öffentliche Einrichtungen wie Stadtbibliothek, Volkshochschule, Sporthallen, Lehrschwimmbecken, Seniorenbegegnungsstätten und Jugendeinrichtungen werden geschlossen, ebenso die Schwimmbäder und das Ludwigsburg-Museum. „Das ist ein tiefgreifender, aber notwendiger Eingriff in das öffentliche Leben“, sagte der Oberbürgermeister Matthias Knecht.

Kinos, Bars, Clubs, die Volkshochschule, Schwimmbäder – alles muss schließen

Einem Beschluss der Landesregierung folgend, hat das Rathaus zudem angeordnet, zahlreiche Veranstaltungen abzusagen. Das gilt nicht nur für große Hallen wie das Forum, sondern auch für Kinos, Klubs und Bars. „Dort sind alle Veranstaltungen mit über hundert Besuchern ebenfalls untersagt“, betont das Rathaus.

Dass Schulen und Kindergärten in Baden-Württemberg und in anderen Bundesländern geschlossen werden, hatte sich abgezeichnet. Doch während die Entscheidung beispielsweise in Bayern bereits am Freitagmorgen verkündet wurde, trat die baden-württembergische Regierung erst um die Mittagszeit vor die Medien – und stellte die Schulen damit vor erhebliche Probleme. Mathias Hilbert, Geschäftsführender Schulleiter der Ludwigsburger Gymnasien, ist wütend über dieses Timing. „Ich halte das für politisch unangemessen und respektlos“, ärgert er sich. „In Bayern ist man fähig und kriegt es hin, die Pressekonferenz morgens zu machen und die Schulen ordentlich zu informieren.“

Die Schulen sind sauer über die späte Entscheidung der Landesregierung

In Baden-Württemberg waren die meisten Schüler längst zuhause, als die Mitteilung kam. „Ein starkes Stück“, findet Hilbert, „Hunderte Schulen warten auf diese Information. Da fragt man sich schon, mit welcher Arroganz hier gearbeitet wird.“ Immerhin sei die Corona-Problematik ja nicht erst seit gestern bekannt. „Man hätte sich im Kultusministerium auch etwas früher Gedanken machen können, wie man darüber informiert, damit die Schulen einigermaßen vernünftig ins Wochenende gehen können.“

Gänzlich unvorbereitet gehen die Schulen allerdings nicht in die kommenden Wochen. Nicht nur die Ludwigsburger Gymnasien haben untereinander abgesprochen, dass sie ihre „Schüler jetzt nicht einfach in die Ferien schicken“, berichtet Hilbert. „Wir werden versuchen, alle so gut wie möglich mit Lernmaterialien auszustatten, E-Learning und Lernplattformen nutzen. Wir versuchen, das Beste daraus zu machen.“ Auch die Freiberger Oscar-Paret-Schule, mit 1400 Schülern eine der größten im Kreis, bereitet seit zwei Wochen „für jedes mögliche Szenario digitale Lernplattformen vor“, berichtet Schulleiter René Coels. Klar sei aber aber, dass Homeschooling kein adäquater Ersatz für den regulären Unterricht sei. Von Dienstag an bis nach den Osterferien bleiben die Schulen zu: „Das ist fast so lange wie die Sommerferien, und danach sind gleich Prüfungen“, so Coels. Da sei wenig Spielraum, noch etwas aufzufangen. Die Schüler könnten aber zumindest üben und Gelerntes verfestigen.

Die Schüler sollen trotzdem etwas lernen

„Wir sind froh, dass die Schulen am Montag noch offen sind, damit wir alles noch weiter vorbereiten können“, sagt Nicole Stockmann, Schulleiterin an den Ellentalgymnasien Bietigheim-Bissingen. Die Schule baue eine Schulcloud auf, damit die Lehrer die Schüler mit Lernmaterial und Aufgaben versorgen können.

Die Bietigheim-Bissinger Stadtverwaltung organisiert zudem eine Notbetreuung für die Kinder von Eltern, deren Job unerlässlich für das Funktionieren des öffentlichen Lebens ist. Auch Remseck und Ludwigsburg richten entsprechende Gruppen ein. Die Notfallversorgung werde überall dort angeboten, wo es erforderlich ist, erklärt das Ludwigsburger Rathaus. Etwa für Angehörige der Polizei und Feuerwehr, der Lebensmittelproduktion und Infrastruktur, medizinisches und pflegerisches Personal.

Die Krankenhäuser verschieben Operationen

Die Krankenhäuser bereiten sich unterdessen darauf vor, dass die Zahl an Corona-Patienten deutlich steigen wird. „Wir rechnen damit, dass es kommende Woche richtig losgeht“, sagt Jörg Martin, Geschäftsführer der Regionalen Kliniken-Holding (RKH). „Derzeit schaffen wir weitere Intensiv- und Beatmungskapazitäten.“ Martin versichert: „Wir werden die Patienten gut versorgen können. Es gibt genügend Beatmungsgeräte, Schutzkleidung und Masken.“ Von Montag an sollen Krankenhäuser in Deutschland Patienten-Aufnahmen, Operationen und Eingriffe verschieben, um sich auf die Corona-Fälle konzentrieren zu können. „Alle Operationen werden wir aber nicht verschieben“, sagt Martin, „Krebspatienten zum Beispiel werden auf jeden Fall operiert. Alles andere wäre unethisch.“

Trotzdem stellt die Krise die Kliniken vor Probleme. „Wenn wir Operationen verschieben, werden wir unsere Unternehmensziele nicht erreichen“, so Martin. „Wir hoffen sehr auf finanzielle Unterstützung.“ Zusatzkosten entstünden auch durch das extra eingestellte Wachpersonal, das kontrolliere, dass die Besuchersperre in den Krankenhäusern eingehalten werde. Hinzu kommt: „Von der Schließung der Kitas und Schulen ist eine mittlere bis hohe dreistellige Zahl unserer Mitarbeiter betroffen, die wegen Kinderbetreuung zeitweise ausfallen werden.“ Die Holding beschäftigt rund 8000 Mitarbeiter. Damit die Patientenversorgung trotzdem gewährleistet ist, „muss jeder ans Bett, der kann“, so Martin, etwa fortgeschrittene Pflegeschüler, deren Schulen aktuell geschlossen seien.

„In dieser Krise zeigt sich, welches Rückgrat für die Gesellschaft die Krankenhäuser sind“, sagt der Geschäftsführer. Gleichzeitig brächen ihnen die Regulierung und der Druck, immer effizienter werden zu müssen, fast das Genick. „Wenn es überstanden ist, muss die Gesundheitspolitik dringend mit kühlem Kopf überlegen, was man künftig verbessern muss.“