Hier ein Foto von der Baustelle der Landesmesse auf den Fildern Foto: Lichtgut - Oliver Willikonsky

Der Region rund um den Flughafen und den Filderbahnhof droht in den nächsten Jahrzehnten ein dramatischer Bauboom. Das zeigt eine Studie. Stellt sich die Frage, wie man damit umgehen sollte?

Filder - Eine Sache muss gleich zu Beginn klar gestellt werden. Die sogenannte Filderstudie ist nur das, eben eine Studie von Experten, und politisch entschieden ist noch gar nichts. Man darf vermuten, dass nur ein Teil davon tatsächlich Realität werden wird. Doch schon das reicht aus, um zu begreifen, dass die Filderebene in 20 Jahren eine andere sein wird, als sie es heute ist, und wie enorm der Entwicklungsdruck ist, der auf ihr lastet. Die Frage ist also nicht, ob Straßen, Häuser und Fabrikhallen gebaut werden, sondern wo und wie. Insofern, das darf man durchaus so sagen, ist die Filderstudie eine einhundert Seiten starke Ladung politischen Sprengstoffs, die nur darauf wartet, gezündet zu werden.

Kaum verwunderlich, dass die Beteiligten beschwichtigen, um ja nicht den Funken zu liefern. „Das ist nur eine Gesprächsgrundlage, und manches ist politisch nicht durchsetzbar“, sagt etwa Peter Pätzold, der Baubürgermeister von Stuttgart. Ähnliches ist von Eva Noller zu hören, die die Baubürgermeisterin von Leinfelden-Echterdingen und gleichzeitig Geschäftsführerin des Kommunalen Arbeitskreis Filder (KAF) ist, der zusammen mit dem Verband Region Stuttgart die Studie bei AS+P in Auftrag gegeben hat. „Alle reden von der Verkehrsdrehscheibe, die am Flughafen mit der Fertigstellung von Stuttgart 21 entsteht“, sagt sie. Aber was sei denn die Konsequenz? Die Studie beleuchte das, und sie liefere die Möglichkeit, das Thema in den Rathäusern gemeinsam anzugehen, statt jeder für sich.

Die Studie kann dennoch als Horrorszenario eines jeden Umweltschützers und all derer, die sich keine weitere Verdichtung vorstellen können, durchgehen. Nicht von ungefähr will deshalb der KAF ein ökologisches Projekt vorantreiben, mit dem man an der Internationalen Bauausstellung 2027 in Stuttgart teilnehmen will. „Das ist ein bedeutender Schritt“, sagt Pätzold und meint damit, dass alle an einem Strang ziehen, um etwas für die Umwelt zu tun. Wie das Projekt aussieht, ist noch unklar, weshalb es mit der geplanten Bewerbung gegen Jahresende nicht klappen wird. Möglich wären als Beispiel Grünbrücken über die Autobahn als verknüpfendes Thema oder Radwege. „Das könnte einen Ausgleich schaffen für die Flächen, die in Anspruch genommen werden“, sagt Noller.

Aber was sind denn nun die Vorschläge für die Entwicklung der Filderebene?

Wohnen auf US-Stützpunkten

Von den Patch Barracks in Vaihingen aus steuert das amerikanische Militär so ziemlich alles, was in Europa geschieht. Es gibt keine Anzeichen, dass die Amerikaner diesen Standort in absehbarer Zeit aufgeben. Falls doch, stünden auf einen Schlag 55 Hektar für die Wohnbebauung zur Verfügung. Wegen der Nähe zur Uni Vaihingen könnten sich die Planer dort auch Wissenschaftseinrichtungen vorstellen. Mit den Kelley Barracks zwischen Möhringen und Plieningen könnten noch einmal 35 Hektar hinzukommen.

Synergiepark wächst weiter

Der Synergiepark zwischen Möhringen und Vaihingen ist das wichtigste Gewerbegebiet auf der Filderebene. Und es wird auch ganz unabhängig von den Ergebnissen der Filderstudie weiter wachsen. Ein Potenzial von 20 Hektar haben die Planer ausgemacht, das sie vor allem durch Umstrukturierungen und Nachverdichtungen heben wollen. Das Aurelis-Areal am Vaihinger Bahnhof könnte zu einem zweiten Step-Areal werden und vor allem Hightech-Betriebe und Start-Ups beheimaten. Einhergehen müsste das mit einem Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs.

Nachverdichtung Fasanenhof

Der Stadtteil entstand in den 60er Jahren und zeichnet sich durch lange Wohnblöcke mit üppigen Grünstreifen und Garagenzeilen aus. Es gäbe genügend Flächen für die Nachverdichtung, teilweise könnten Gebäude aufgestockt werden. Mit der Linie U6 ist der Stadtteil gut an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen. Vorbildfunktion könnte ein Projekt am Ehrlichweg haben. Über Jahre hinweg versuchten die Stadt und fünf Wohnbaugenossenschaften, dort eine solche Nachverdichtung zu realisieren. Über Jahre hinweg hagelte es Kritik. Inzwischen gibt es einen Sieger bei einem Architektenwettbewerb.

Viel Raum für die Wissenschaft

Auf der Filderebene ballen sich schon heute universitäre Einrichtungen. Neubauten werden praktisch im Jahresrhythmus ihrer Bestimmung übergeben. In Zukunft soll das so weitergehen. Rund um die Uni Hohenheim haben die Planer zehn Hektar Erweiterungsflächen ausgemacht. Auf dem Vaihinger Unicampus könnten durch Umstrukturierungen 13 Hektar aus dem Bestand hinzukommen, auf dem Eiermann-Campus am Vaihinger Autobahnkreuz noch einmal sechs Hektar und in Büsnau könnten fünf Hektar an Wiesenflächen neu entwickelt werden und.

Neue Mitte für Leinfelden-Echterdingen

Die Planer haben die Äcker zwischen Leinfelden und Echterdingen als eine Neue Mitte der Großen Kreisstadt ausgemacht mit 60 Hektar für vor allem Wohnen. Damit wäre dieses Gebiet um ein Vielfaches größer als die fünf Hektar, die die Stadt selbst dort für Wohnungsbau vorsieht – und die beiden namensgebenden Stadtteile würden dadurch de facto zusammenwachsen. Nördlich anschließend könnte übrigens das geplante Gewerbegebiet Rötlesäcker am Ostrand von Leinfelden entstehen, welches ein Potenzial von 23 Hektar hat.

Gewerbe am Flughafen

Weil die Anbindung an den Airport spätestens nach Stuttgart 21 sehr gut ist und Anwohner weniger als anderswo von Baumaßnahmen betroffen sind, sehen die Planer rund um den Zaun des Flughafens Neubaugebiete von insgesamt rund 90 Hektar vor. Zweidrittel davon entstünden auf Echterdinger Seite, ein Drittel auf Bernhausener Seite. Rechnet man die bereits bestehende Bebauung hinzu, würde mit dem Gewerbegürtel um den Flughafen der größte Industriepark auf der Filderebene entstehen. Der Synergiepark zwischen Möhringen und Vaihingen würde auf Platz 2 verdrängt.

Neue Mitte Filderstadt

Zwischen Bernhausen und Sielmingen könnten 23 Hektar zur Verfügung gestellt werden. Die Entfernung zur künftigen S-Bahn-Haltestelle Sielmingen beträgt nur 800 Meter, was den Standort interessant macht. Die Schulen könnten sich etwas vergrößern, auch für den Sport und Gewerbe könnte es mehr Platz geben. Die meiste Fläche soll aber genutzt werden, um Wohnungen zu bauen.

Gewerbe um Neuhausen

Rund um Neuhausen in Richtung Sielmingen sowie in Richtung der Autobahn könnten weitere Unternehmen eine Heimat finden. Der Vorteil des Standorts ist, dass er direkt an einer Autobahnausfahrt liegt. Aufgrund der möglichen Bedeutung dieses Areals schlagen die Planer vor, Neuhausen-Nord als interkommunales Gewerbegebiet zu entwickeln.