Besonders viele Neuinfizierte gibt es im Landkreis Rottal-Inn im Südosten Bayerns (Symbolbild). Foto: dpa/Matthias Balk

Von dunkelrot bis pink, ein Landkreis in schwarz. Die Farben auf Bayerns Corona-Landkarte zeigen eine dramatische Entwicklung. Ab Donnerstag gilt deshalb wieder landesweit der „K-Fall“.

München  - Die Corona-Krise in Bayern spitzt sich immer weiter zu. Angesichts der dramatisch steigenden Corona-Infektionszahlen gilt in Bayern ab Donnerstag erneut der landesweite Katastrophenfall. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe aufgrund „der aktuellen besorgniserregenden Situation in der Corona-Pandemie die Feststellung des Katastrophenfalls ab dem 11. November 2021 angeordnet“, teilte die Staatskanzlei am Mittwoch in München mit. Kurz zuvor hatte Söder dies auch in einer Sitzung der CSU-Landtagsfraktion angekündigt. Das Innenministerium werde zeitnah eine Bekanntmachung erlassen.

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Die Feststellung des Katastrophenfalls ermöglicht eine koordinierte und strukturierte Vorgehensweise aller im Katastrophenschutz mitwirkenden Behörden, Dienststellen und Organisationen. Der Katastrophenfall war in der Corona-Pandemie schon zweimal ausgerufen worden: zum ersten Mal im März 2020 (er galt dann bis Mitte Juni 2020) und zuletzt vom 9. Dezember 2020 bis zum 4. Juni 2021.

Viele Neuinfizierte im Südosten Bayerns

Das Coronavirus bringt die Behörden und Krankenhäuser im Land längst wieder an den Rand ihrer Leistungsfähigkeit. Besonders viele Neuinfizierte gibt es im Landkreis Rottal-Inn im Südosten Bayerns. „Die Lage ist dramatisch“, sagte etwa der Landrat Michael Fahmüller (CSU). Sein Landkreis lag am Mittwoch (Stand: 3.12 Uhr) nach Auskunft des Robert Koch-Instituts (RKI) bei einer Sieben-Tage-Inzidenz von 1104,3 - und damit bundesweit an der Spitze. Auch in anderen Regionen des Freistaats grassiert das Virus so stark, dass immer mehr Krankenhäuser an ihre Kapazitätsgrenzen kommen.

In mehr als der Hälfte der 96 bayerischen Kreise und größeren Städte waren am Mittwoch weniger als zehn Prozent der Intensivbetten frei, wie aus dem Divi-Intensivregister hervorgeht. Davon meldeten 21 Kommunen, die Intensivstationen seien bis auf das letzte Bett voll belegt. Landesweit waren 653 Covid-Patienten in Intensivbehandlung, gut 130 mehr als vor einer Woche und rund doppelt so viele wie noch vor drei Wochen. Im landesweiten Schnitt sind knapp 91 Prozent der Intensivbetten belegt.

Verschärfung der Corona-Regeln zeigt Auswirkungen

Experten in Krankenhäusern machen dafür unter anderem die unterdurchschnittliche Impfquote in Bayern verantwortlich. Bei den vollständig Immunisierten lag sie mit Stand vom Mittwochvormittag bei 65,2 Prozent. Im besonders betroffenen Landkreis Rottal-Inn waren es nach Zahlen vom 6. November sogar nur 52,9 Prozent. Bundesweit sind derzeit 67,3 Prozent der Gesamtbevölkerung geimpft.

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Die Verschärfung der Corona-Regeln in Bayern vor allem für Ungeimpfte zeigt aber offenbar nun erste messbare Auswirkungen auf die Zahl der Erstimpfungen. „Im Freistaat wurden am Dienstag 12 100 Menschen erstgeimpft. So viele Erstimpfungen wurden an keinen anderen Tag im Oktober und November verabreicht“, sagte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) der dpa. „Damit setzt sich der Trend der vergangenen sieben Tage fort, an denen wir eine steigende Nachfrage nach Erstimpfungen verzeichnen“, berichtete er. Das sei eine positive Entwicklung. Auch die Nachfrage nach Auffrischungsimpfungen steige: In der vergangenen Woche seien rund 88 700 Auffrischungsimpfungen verabreicht worden, über 10 000 mehr als in der letzten Oktoberwoche.

Söder fordert Notfallplan

Söder forderte angesichts der dramatischen Lage einen Notfallplan von SPD, Grünen und FDP - und eine Impfpflicht für bestimmte Berufe. Die Lage sei höchst besorgniserregend, Corona sei „mit aller Macht zurück“, sagte er am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in München. „Es droht ein schlimmer Corona-Winter. Das, was in einigen Bundesländern stattfindet, ist nur der Vorläufer für das ganze Land“, warnte der CSU-Chef. „Deshalb der dringende Appell an die künftige Bundesregierung, ihr bisheriges Corona-Paket massiv nachzuschärfen.“

„Masken, Abstand halten, 3G und auch 2G sind ordentliche Instrumentarien. Aber es könnte sein, dass sie nicht reichen“, sagte Söder. „Wir brauchen für den Winter einen Notfallplan, der im Fall der Fälle aktiviert werden kann. Mit den bisherigen Maßnahmen werden wir exorbitant steigende Wellen allein nicht brechen können. Am Ende wäre dann der Staat wehrlos gegenüber Corona. Deswegen: Die neue Ampel darf das Land und die Bürger nicht allein lassen.“

Zudem forderte Söder eine partielle Impfpflicht, insbesondere für bestimmte Berufsgruppen. „Das ist dringend notwendig, mindestens in sensiblen Bereichen, beispielsweise in Alten- und Pflegeheimen oder Krankenhäusern.“ Massiv vorangetrieben werden müssten auch die Booster-Impfungen. „Das wird nur gehen, indem der Geimpften-Status nach neun Monaten verfällt, wie schon in Österreich. Die Impfzentren müssten deshalb bundesweit reaktiviert werden. „Und es reicht nicht, nur die über 70-Jährigen nochmal zu impfen. Jeder muss die Möglichkeit haben.“

Konkurrenzsituation in den Krankenhäusern

„In den Krankenhäusern droht tatsächlich eine Konkurrenzsituation wie noch nie: zwischen ungeimpften Covid-Patienten sowie geimpften Krebs-, Schlaganfall- und Herzpatienten“, warnte Söder. „Das wird die Gesellschaft weiter extrem spalten.“ Zudem brauche man einen „Pflege-Booster“. „Das heißt, es muss jetzt ein zusätzlicher, steuerfreier Pflege-Bonus ausgelobt werden, um die stille Abwanderung der Pflegekräfte zu verhindern.“ Der CSU-Chef fügte hinzu: „Außerdem sollten wir für hoffnungsvolle Corona-Medikamente schnell eine sorgsam geprüfte Notfallzulassung haben, wie in den USA.“

Auch der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe Südost (DBfK) rief die Menschen deshalb dazu auf, sich immunisieren zu lassen. „Nur so wird sich der drohende Kollaps in der Pflege verhindern lassen“, sagte die Geschäftsführerin Marliese Biederbeck. Pflegende arbeiteten am Limit und das unter erschwerten Bedingungen. Trotzdem seien immer noch keine handfesten Lösungen für den Personalengpass in Sicht.

Landkreis Traunstein nur knapp unter 1000er-Inzidenz

Neun bayerische Landkreise führten am Mittwoch die Liste der Regionen mit den meisten Neuansteckungen pro 100 000 Einwohner in Deutschland an. Nur knapp unter 1000 lag die Inzidenz im Landkreis Traunstein. Die Landkreise Dingolfing-Landau, Miesbach, Regen, Berchtesgadener Land und Oberallgäu überschritten die Marke von 800, Mühldorf am Inn und Bad Tölz-Wolfratshausen lagen knapp darunter. Sonneberg in Thüringen war der erste nicht-bayerische Landkreis.

Für ganz Bayern betrug die Sieben-Tage-Inzidenz am Mittwoch 395,8. Die Gesundheitsämter im Freistaat meldeten dem RKI innerhalb eines Tages 10 237 Neuinfektionen und 55 Todesfälle. Für die Menschen sind damit deutlich schärfere Schutzmaßnahmen verbunden. Seit Montag steht die Krankenhaus-Ampel auf Rot, da auf den Intensivstationen mehr als 600 Menschen wegen einer Covid-19-Erkrankung behandelt wurden.