J. R. R. Tolkiens „Hobbit“, die Vorgeschichte zur „Herr der Ringe“-Trilogie, ist ein Thema bei den Dragon Days. Lassen Sie in unserer Bildergalerie nochmals die „Herr-der-Ringe“-Triologie Revue passieren. Foto: dpa

Cross-Media-Festival Dragon Days zeigt im Literaturhaus Fantastik in Literatur, Film, Grafik und digitaler Kultur.

Stuttgart - Der Begriff „Fantasy“ ist, könnte man sagen, ziemlich vorbelastet. Man assoziiert mystische Universen voller Wesen mit spitzen Ohren und hohen Hüten, denkt an Elfen, Trolle, Zwerge und Zauberer, anmutige Einhörner oder bösartige Orks. Kein Wunder also, dass Tobias Wengert den Begriff „Fantastik“ vorzieht, wenn er über den Gegenstand des von ihm kuratierten Festivals „Dragon Days“ spricht, das vom 5. bis 8. Juli im Literaturhaus stattfindet. „Fantastik ist breiter gefasst“, sagt Wengert, „es umfasst die Genres Fantasy, Science Fiction und Horror“. Das Festival soll nun die Fantastik als literarische, filmische, digitale, soziale und grafische Kunstform vorstellen und Einflüsse auf unsere Kultur zeigen.

Was die Einflüsse auf die Kultur angeht, zitiert Wengert dabei auch gerne den ARD-Literaturkritiker Denis Scheck („Druckfrisch“), den er gleich für drei Veranstaltungen als Moderator gewinnen konnte: „Ich habe Scheck gefragt, welches die drei besten Fantastik-Romane seien, die man gelesen haben muss. Darauf hat er mir geantwortet: Sie meinen, außer ,Odyssee‘, ‚Don Quixote‘ und ‚Gullivers Reisen‘?”

Wie breit das Spektrum des Festivals ist, zeigt schon ein kurzer Blick auf das Programm: Alan Moores und David Lloyds Comic-Meisterwerk „V wie Vendetta“ und dessen Verfilmung, die die bei Occupy und anderen Protestbewegung beliebten Guy-Fawkes-Masken inspirierte, gehören ebenso dazu wie die Vorstellung der „Enzyklopädie der Drachen“ von Mircea Cartarescu – immerhin einer der aktuell renommiertesten rumänischen Autoren.

Ein Festival-Schwerpunkt: Steampunk, ein Science-Fiction-Subgenre, das sich an Zukunftsvisionen aus dem 19. Jahrhundert à la Jules Verne anlehnt

Wie Literatur und bildende Kunst interagieren können, zeigt ein Abend um den Roman „Hyddenworld“ von William Horwood: Zusätzlich zu Lesung und Gespräch mit dem britischen Autor entwickelt der Speedpainter Kemane Bâ live in wenigen Minuten Bilder zur Welt des Volkes der winzigen, unterirdisch lebenden Hydden, wobei das Publikum durch Zuruf gestalterischen Einfluss nehmen kann. Die etwas kleineren Fantastik-Fans schließlich dürfte die Drachenkinder-Nacht in der Buchhandlung Hugendubel begeistern.

Ein Festival-Schwerpunkt: Steampunk, ein Science-Fiction-Subgenre, das sich an Zukunftsvisionen aus dem 19. Jahrhundert à la Jules Verne anlehnt. Die Zukunft ist hier von mit Dampfkraft betriebenen Luftschiffen und Robotern (englisch „steam“ = Dampf) geprägt und mutet in Mode und Baustilen reichlich viktorianisch an. Vorgestellt wird dabei unter anderem der zweite Teil des jüngst beim Ludwigsburger Cross Cult-Verlag erschienenen Steampunk-Comics „Steam Noir“ von Autorin Verena Klinke und Zeichner Felix Mertikat, beide aus Stuttgart. Mertikat gilt momentan als großer Hoffnungsträger der deutschen Comicszene.

Warum werden die Drachen ausgerechnet in Stuttgart losgelassen? „Diese Stadt ist für so ein Festival prädestiniert“, sagt Wengert und nennt gleich mehrere Gründe. Stuttgart ist der Sitz der Hobbit Presse, der Fantasy-Abteilung des Klett-Cotta-Verlags, in dem unter anderem die Romane von J. R. R. Tolkien („Der Herr der Ringe“) veröffentlicht werden – Verleger-Sohn Michael Klett war es, der Tolkien überhaupt erst für den deutschen Markt entdeckt hatte. Dazu kommt, dass in der Region mit Panini und Cross Cult gleich zwei Comic-Verlage mit breitem Fantastik-Segment sowie zahlreiche Animationsfilmstudios wie Studio Soi oder Pixomondo zu Hause sind. Vor diesem Hintergrund hatte Wengert, der seit einigen Jahren Ausstellungen über Animationsfilm kuratiert, schon länger den Plan, ein Fantastik-Festival zu organisieren. Den letzten Anstoß habe der diesjährige Start von Peter Jacksons „Der Hobbit“-Verfilmung gegeben.

Tolkiens Romanvorlage wird denn auch Thema des Eröffnungsabends am 5. Juli sein

Tolkiens Romanvorlage wird denn auch Thema des Eröffnungsabends am 5. Juli sein: Denis Scheck wird mit Michael Klett über „Der Hobbit“ und seinen Autor sprechen, aus dem Roman lesen wird Andreas Fröhlich, Synchronsprecher der Figur des durch den magischen Ring deformierten „Gollum“ aus der „Herr der Ringe“-Verfilmung. Auf welche Weise Figuren wie Gollum zum Leben erweckt werden können, zeigt im Anschluss die Stuttgarter Animations-Firma Unexpected mit einem Motion-Capture-Anzug.

Dass Tolkien seine fantastischen Universen nicht nur in Literatur, sondern auch in Zeichnungen und Bilder verwandelte, zeigt außerdem die Ausstellung „Die Kunst des Hobbit“, die am Eröffnungsabend startet und bis zum 19. September im Literaturhaus zu sehen ist.

Erstaunlich wenig Überzeugungsarbeit habe es bedurft, das Festival im Literaturhaus zu platzieren, sagt Wengert: „Literaturhaus-Leiter Florian Höllerer war nicht nur schnell von dem Konzept überzeugt, er hat auch gleich gesagt, wenn er so ein Festival mache, dann solle es gleich drei Jahre hintereinander stattfinden. Und jedes Jahr müsse etwas Neues hinzukommen.“

Der Grundstein für Stuttgart als deutsche Fantastik-Hauptstadt dürfte also gelegt sein.

Wissenswertes zu denDragon Days:

Das Fantastik-Festival findet vom 5. bis zum 8. Juli im Stuttgarter Literaturhaus statt (Breitscheidstraße 4).

Donnerstag, 5. Juli: Gespräch mit dem Stuttgarter Verleger Michael Klett zu J. R. R. Tolkiens Roman „Der Hobbit“ (Moderation. Denis Scheck). Danach führt die Stuttgarter Firma Unexpected im Hinblick auf Peter Jacksons Verfilmung (Start: 13. Dezember) die Motion-Capture-Technik vor, bei der Bewegungen eines Schauspielers aufgezeichnet und auf Figuren wie Gollum übertragen werden (20 Uhr).

Freitag, 6. Juli: Filmvorführung „V wie Vendetta“ (16.30 Uhr), Lesung und Gespräch „Hydden World“ mit Autor William Horwood (20 Uhr, Moderation: Denis Scheck).

Samstag, 7. Juli: Lesung „Der letzte Schattenschnitzer“ mit Autor Christian von Aster, (17 Uhr), Lesung „Ein Lied von Eis und Feuer“ mit dem deutschen Schauspieler Tom Wlaschiha, der in der TV-Serien-Verfilmung „Game of Thrones“ mitwirkt, deren Entstehung die Effektfirma Pixomondo anhand der zweiten Staffel erläutert, die in Stuttgart gemacht wurde (20 Uhr).

Sonntag, 8. Juli: Steampunk-Comics mit den Autoren Felix Mertikat, Bernd Perplies, Verena Klinke und Alex Jahnke (16 Uhr), Vorstellung „Enzyklopädie der Drachen“ mit dem Autoren Mircea Cartarescu (20 Uhr).

www.dragondays.de, www.literaturhaus-stuttgart.de