Klaus-Dieter Apelt hat die Geschicke der kleinsten Gemeinde im Kreis Göppingen zwölf Jahre lang ehrenamtlich geleitet. Jetzt will er in den Ruhestand. Foto:  

Ständig Ärger und das auch noch ehrenamtlich – kein Wunder, dass Klaus-Dieter Apelt in den Ruhestand drängt. Lange Zeit hatte niemand Lust, als Nachfolger zu kandidieren. Jetzt gibt es plötzlich sogar zwei Bewerber.

Drackenstein - Wer denkt, auf dem Land sei die Welt noch in Ordnung, sollte mal mit Klaus-Dieter Apelt reden. Der Noch-Bürgermeister von Drackenstein, der kleinsten Gemeinde nicht nur im Kreis Göppingen, sondern in der ganzen Region Stuttgart, macht aus seiner Amtsmüdigkeit kein Geheimnis. „Zum einen habe ich das Alter“, begründet der 67-Jährige seinen Rückzug aus dem Amt. „Zum anderen ist es als Bürgermeister auch nimmer so schön wie früher.“

Lange Zeit sah es so aus, als würde sich niemand bereit erklären, Apelts Nachfolge anzutreten, doch jetzt gibt es zwei Kandidaten – zum Erstaunen aller Beteiligten. Denn der Chef im Drackensteiner Rathaus arbeitet ehrenamtlich. Er erhält nur eine Aufwandsentschädigung. Und Apelt klagt über die zunehmende Regelungswut der Behörden und erzählt von Bürgern, die es in keiner Weise zu schätzen wissen, dass da einer seine Freizeit für sie opfert.

Immer mehr Vorschriften und unzufriedene Bürger

„Es gibt immer mehr Regeln und Vorschriften, um die wir uns kümmern müssen, man denke nur an Themen wie den Datenschutz.“ Das Gestalten, so der Dorfschultes, sei dem Verwalten zum Opfer gefallen, auch in so kleinen Orten wie Drackenstein. „Bald kreisen wir vor lauter Vorschriften nur noch um uns selbst.“

Und obwohl sich in einem 420-Seelen-Ort wie Drackenstein eigentlich jeder kennt, schreckt so mancher offenbar nicht vor Hassmails an den Rathauschef zurück. Ein Schreiber habe etwa bedauert, dass es Adolf Hitler nicht mehr gebe, erzählt Apelt. „Er hat geschrieben, den hätte er gerne als Bürgermeister, um den jetzt amtierenden zu vergasen – also mich.“

Jemand muss den Job machen

Er sei „ein kleiner ehrenamtlicher Bürgermeister in einer noch kleineren Gemeinde“, sagt Apelt. „Eigentlich sollten die Leute froh sein, dass da einer ist, der sich um alles kümmert und aufpasst, dass alles richtig abläuft. Aber das sind sie nicht.“ Stattdessen nehme das Gemecker ständig zu. „Den Hilfs- und Rettungskräften geht das ja ganz ähnlich – alles, was sie leisten, ist immer selbstverständlich“, schimpft Apelt.

Doch so undankbar der Posten als ehrenamtlicher Bürgermeister auch sein mag, irgendjemand muss den Job machen. Weil sich lange kein Kandidat hatte finden lassen, befürchtete Klaus-Dieter Apelt schon, die Kommune müsse bei der Wahl am kommenden Sonntag leere Wahlzettel an die Bürger verteilen.

Schon mit wenigen Stimmen könnte irgendjemand Bürgermeister werden

Das hätte zur Folge gehabt, dass jeder X-Beliebige hätte gewählt werden können. Tatsächlich fällt die Wahl nicht aus, wenn es keinen Kandidaten gibt. Die Gemeindeordnung schreibt in dem Fall vor, die Wahl mit leeren Stimmzetteln durchzuführen. Die Bürger können darauf dann ihren Wunschbürgermeister vermerken. Erreicht keiner der auf den Zetteln genannten im ersten Wahlgang eine absolute Mehrheit, gibt es einen zweiten Wahlgang. Dann reicht die relative Mehrheit.

Im Prinzip könnte dann jemand mit zwei Stimmen Bürgermeister werden, wenn alle anderen Namen nur einmal genannt werden. „Und wer immer das dann wäre, müsste die Wahl annehmen, wenn er keine der zulässigen Verhinderungsgründe anführen könnte, ein Alter von mehr als 62 Jahren etwa oder eine schwere Krankheit zum Beispiel.“

Feuerwehrchef springt in die Bresche

Die Vorstellung, dass „irgendein Dubbel“ Bürgermeister in seiner Gemeinde wird, hat den Kommandanten der Ortsfeuerwehr Roland Lang am Ende dazu bewogen, sich zu opfern und für das Amt zu bewerben. „Wegen der Feuerwehr habe ich ja eh schon viel mit der Gemeindeverwaltung zu tun gehabt“, meint er. Außerdem habe er einige Ideen zum Thema Bürgerbeteiligung. Und dass Undank der Welten Lohn ist, dass hat Lang vermutlich bereits bei der Feuerwehr gelernt.

Ob er am Sonntag tatsächlich gewählt wird, ist aber noch nicht ausgemacht. Denn völlig überraschend hat sich nach dem Ablauf der Bewerbungsfrist dann auch noch ein zweiter Bewerber aus einem Nachbarort gemeldet. Ein offizieller Kandidat ist er wegen der verspäteten Meldung zwar nicht, aber theoretisch könnte auch er das Rennen machen, wenn genügend Bürger seinen Namen auf ihren Wahlzettel schreiben.

Klare Regeln für das Bürgermeisteramt

Einwohner:
Ob eine Gemeinde einen ehrenamtlichen Bürgermeister hat, hängt in erster Linie von der Einwohnerzahl ab: Bei weniger als 500 ist der Bürgermeister ehrenamtlich. Bis 2000 kann die Kommune zwischen Haupt- und Ehrenamt wählen. Bei mehr als 2000 Einwohnern ist ein hauptamtlicher Bürgermeister nötig. Manche Kommunen haben aus Kostengründen einen ehrenamtlichen Bürgermeister gewählt.

Aktuell:
Derzeit gibt es im Land 109 Gemeinden mit 1000 bis 2000 Einwohnern. Im Jahr 2016 hatten nur drei von ihnen einen ehrenamtlichen Bürgermeister. Eine davon war Stetten am Bodensee. Inzwischen ist man dort aber wieder auf einen hauptamtlichen Rathauschef umgeschwenkt.