Viel Platz auf und vor der Bühne: die Sängerin Dota Kehr und der Gitarrist Jan Rohrbach im Scala Ludwigsburg Foto: Jan Georg Plavec

Die Sängerin Dota Kehr hat am Mittwoch im Scala Ludwigsburg gespielt. Was sagt uns das Konzert zum Stand der Popmusik in Zeiten von Corona?

Ludwigsburg - Der Kultursommer neigt sich dem Ende zu. Abends wird es wieder kühler. Leider lauert auch für Konzertbesucher drinnen Ansteckungsgefahr. Wie also geht es in Sachen Popmusik weiter, wenn der Herbst endgültig da ist?

Das Konzert der Sängerin Dota Kehr sowie des Duos Mackefisch im Scala Ludwigsburg am Mittwochabend gibt einige Hinweise. Auf den Bierbänken draußen sitzt niemand, um sich das Konzert auf der Leinwand anzusehen. Deshalb kommen alle im luftig bestuhlten Scala-Saal zusammen – bestens ausgestattet mit Masken und einem Hinweisblatt, das über die Konzert- und Hygieneregeln aufklärt.

Beobachtung Nummer eins: So viel anders fühlt sich das nicht an – jedenfalls bei Konzerten zwischen Liedermacher und Pop, die man schon vor Corona bevorzugt im zurückgelehnten Setting anhörte. Deshalb hat das Duo Mackefisch auch die volle Aufmerksamkeit des Publikums. Die Songs sind so politisch, wie Chansons sein können. Mackefisch spielen sie mit einer erfrischenden Leichtigkeit, die allenfalls von den arg Reinhard-Mey-haften Texten gebremst wird. Songs geht es schließlich nicht anders als Menschen: Wer die Last der Welt auf seinen Schultern trägt, hüpft nicht unbeschwert durchs Leben.

Man kann durchaus Spaß haben

Die Texte von Dota Kehr sind den Freuden und Ärgernissen des Alltags ähnlich nah. Sie haben aber diese Doppelbödigkeit, die in Richtung Pop deuten. Das gilt auch für die leicht melancholischen Gedichte der von den Nazis aus Deutschland vertriebenen galizischen Dichterin Mascha Kaléko. Dota Kehr hat sie auf ihrem aktuellen Album vertont und spielt sie im Mittelteil des Konzerts. Die Sängerin und ihr Gitarrist Jan Rohrbach finden als Duo den richtigen, anrührenden Sound dazu. Mal schiebt Rohrbach die Lieder mit rhythmisch gespielter E-Gitarre an, mal verleiht ein hübsch verzerrter Akkord den Songs eine zusätzliche klangliche und emotionale Tiefe – ein wirklicher Gewinn.

Beobachtung Nummer zwei an diesem Corona-Konzertabend: Man kann durchaus Spaß haben. Zwar sind die Konzertregeln eindeutig: „Das Aufstehen und Tanzen am Platz ist nicht gestattet“. Aber man kann ja auch im Sitzen so tun, als ob. Klatschen ist auch erlaubt, und wenn das Publikum dabei so herrlich aus dem Takt kommt wie hier im Scala, erinnert das ein bisschen an jene körperliche Erfahrung, die Popkonzerte immer schon waren.

Das gibt es nicht im Stream

Nach dem Lockdown fehlt freilich die Konzert-Übung, selbst wenn man wie Dota Kehr seit bald zwanzig Jahren im Geschäft ist. Ausgerechnet vor dem ersten Song – die Musiker stehen schon auf der Bühne – muss eine Batterie organisiert werden, und es geht auch mal eine Ansage in die Binsen. Dafür gelingen die Songs umso besser. „Wir stehen immer noch hier“, singt Dota Kehr im Song „Neonlicht“. Den hat sie mit dem Sänger Moritz Krämer eingespielt. Der ist nicht vor Ort, wird aber von dem Mannheimer Sänger Stefan Ebert charismatisch ersetzt. Zum Schluss gibt’s eine Umarmung. „Wir wohnen im selben Haushalt!“, ruft Dota Kehr ins Mikrofon, und für einen Moment können auf und vor der Bühne alle herzlich lachen. Beobachtung Nummer drei: Wie schön, dass solche Momente weiterhin möglich sind. Es gibt sie nämlich nicht im Livestream.