Foto: Breuninger

100 Bürger diskutierten über neues Quartier am Karlsplatz – Verschönerungsverein unzufrieden.

Stuttgart - Grundsätzliche Zustimmung erntete die Konzeption des künftigen Dorotheen-Quartiers an Markt- und Karlsplatz am Donnerstagabend während einer Bürgerinformation im Rathaus. Kritik gab es aber am gläsernen Dachaufbau des dreigliedrigen Neubaukomplexes.

Matthias Hahn (SPD) bemühte Fußballvokabular: „Das ist der Anpfiff zum Auslegungsverfahren“, klärte der Baubürgermeister die rund 100 Gäste im Rathaus über den baurechtlichen Genehmigungsstand des Dorotheen-Quartiers auf. Dort will das Handelshaus Breuninger für 200 Millionen Euro einen Neubau anstelle des Innenministeriums errichten. Für die Architekten des Stuttgarter Büro Behnisch, das im Jahr 2010 als Sieger aus einem Planungswettebewerb für die Neubebauung des ein Hektar großen Areals hinter dem Breuninger-Stammhaus hervorging, bedeutet dies: Sie müssen in den nächsten Monaten ranklotzen und konkrete Entwurfspläne anfertigen. Auf deren Grundlage soll der Gemeinderat laut Hahn am 2. Oktober den so genannten Auslegungsbeschluss fassen. Kommt es zu keinen gravierenden Einwänden gegen die öffentlich ausgelegten Blaupausen, könnten die Stadträte am 28. Februar 2013 den Satzungsbeschluss fassen, der einer Baugenehmigung gleichkommt.

Kritik hagelte es am Dachaufbau

Inzwischen sind es andere Prämissen als im Wettbewerb, unter denen die Architekten dem Quartier Gestalt und Funktion verleihen sollen. Nach der Landtagswahl entschied die neue grün-rote Regierung das Hotel Silber an der Ecke zur Holzstraße für einen künftigen Gedenk- und Lernort zu erhalten. Im Hotel Silber folterte in der Nazizeit die Geheime Staatspolizei (Gestapo) Regimegegner. Aus zwei großen Komplexen, das damals noch als Da-Vinci-Projekt firmierte, ist heute ein dreigliedriges Gebäudeensemble mit „angenehmen und angemessenem Namen geworden“, wie Hahn unter Applaus des Publikums anmerkte.

„Bislang sind viele Dinge am Dorotheen-Quartier noch nicht ausgearbeitet“, schickte Hahn einer Präsentation von Baumassen und Sichtachsen voran. Gelbe Karten, also Verwarnungen, vom Publikum an die Architekten konnte er dadurch nicht vermeiden. Zwar bescheinigten die meisten Wortmelder der aktuellen Konzeption wesentliche Verbesserungen und Fortschritte gegenüber der ursprünglichen Zwei-Bauten-Version. Doch Kritik hagelte es am Dachaufbau. Wie berichtet sollen den drei Gebäuden gläserne Dächer übergestülpt werden, die sich in geschwungener Form über die obersten vier bis fünf Stockwerke ausdehnen. Flache Dachteile sollen begrünt werden.

Freihalten von Sichtachsen, etwa zwischen Markthalle und Hotel Silber

„Die Dachskulpturen müssen nachgearbeitet werden“, forderte Wolfgang Müller vom Verschönerungsverein unter Beifall. Mehrere Redner sahen in den wuchtigen Dächern die Aufgliederung des Vorhabens konterkariert. „Die lassen den Komplex wieder zusammenwachsen“, so die Befürchtung. SPD-Stadträtin Monika Wüst sah im Gegensatz zum Parteigenossen Hahn sogar die „Bedeutung benachbarter historischer Gebäude entwertet“.

Vorstand Müller kündigte eine Stellungnahme des Vereins zum Bauvorhaben an, in der man detailliert die kritischen Aspekte des Vorhabens benennen werde. Dazu gehörten auch das Freihalten von Sichtachsen, etwa zwischen Markthalle und Hotel Silber. Harald Stingele, Vorsitzender des Vereins Gedenk- und Lernort Hotel Silber, lobte die neue „Kleingliedrigkeit“ des Quartiers als Fortschritt. Wichtig sei, dass die Lederstraße, die zwischen Hotel Silber und dem südlichen Baukörper des Quartiers verläuft, keine Hinterhofatmosphäre ausstrahle.

Erste Impulse will ein runder Hotel-Silber-Tisch mit Vertretern von Landesregierung, Gemeinderat und Bürgerinitiativen liefern, der sich am 25. Juni das erste Mal zusammensetzt, wie am Rande der Veranstaltung bekannt wurde. Stefan Rabbold, Projektleiter bei Behnisch Architekten, bemühte sich, die Kritik am Dorotheen-Quartier zu entschärfen. „Wir wissen, dass wir an Fassaden und Dach arbeiten müssen“, bat er das Publikum um Geduld, die detaillierte Entwurfsplanung abzuwarten.

Und dieser blickt Baubürgermeister Hahn zuversichtlich entgegen, wie er mehrfach betonte.