Der Bürgermeister von Montereau hat versprochen, an Paare Potenzpillen zu verteilen, damit im Dorf mehr Kinder gezeugt werden. Foto: dpa

Der Bürgermeister eines Dorfes in Frankreich will drohendem Bevölkerungsschwund auf typisch französische Art entgegenwirken. Hinter dem Gag steckt ein ernstes Thema.

Paris - Jean Debouzy hortet noch kein Viagra in seiner Amtsstube. Der Bürgermeister von Montereau im Département Loiret rechnet auch nicht damit, dass er tatsächlich welches besorgen muss. Wenn aber jemand aus seiner Gemeinde komme und nach dem Potenzmittel verlange, werde er reagieren, erklärt der Lokalpolitiker. Jean Debouzy freut sich über die Viagra-Anfragen der Medien, hat er doch einen kleinen Stein ins Rollen gebracht.

Der Grund: Montereau kämpft mit einem sehr ernsten Problem. Es gibt zu wenige Kinderin der 600 Einwohner zählenden Gemeinde, die etwa 100 Kilometer südlich von Paris liegt. Weil keine grundsätzliche Veränderung der Lage in Sicht ist, kam der findige Bürgermeister auf eine ungewöhnliche Idee. Er hat offiziell vorgeschlagen, in dem Dorf Viagra verteilen zu lassen. Auf diese Weise will er die Bewohner zur Produktion von mehr Kindern anregen.

In der Gemeindeverordnung Nummer 2019_042 heißt es nun wörtlich: „Der Bürgermeister plädiert für das Verteilen von kleinen blauen Pillen. Die Pillen werden an Paare im Alter zwischen 18 und 40 Jahren verteilt.“

Zu wenige Kinder für die Schule

Das klingt skurril, für Jean Debouzy ist es aber alles andere als ein Witz. Es gebe nicht mehr genügend Kinder, um künftig alle Schulklassen zu füllen, sagte der Bürgermeister. „Ohne die Kinder wird unser Dorf sterben.“ Im Moment gingen in Montereau etwa 30 Kinder in die verschiedenen Klassen der Grundschule. Falle auch nur eine Klasse weg, sei die ganze Schule gefährdet. Die Kinder müssten dann in Schulen in einem anderen, weit entfernten Dorf wechseln.

Jean Debouzy ist nicht der einzige Bürgermeister in Frankreich, der mit skurrilen Aktionen auf die schwierige Schulsituation in den kleinen Gemeinden auf dem Land aufmerksam macht. Auch in Crêts-en-Belledonne im Département Isère an der Grenze zur Schweiz ist die Schule wegen des Kindermangels von der Schließung bedroht. Kurzerhand meldeten die Verantwortlichen 15 Schafe bei der Behörde zur Einschulung an. Am ersten Schultag erschien um acht Uhr ein Schäfer und trieb die Herde pünktlich zur ersten Stunde vor die Schule. „Wir haben hier tatsächlich ein Problem mit der Zahl der Kinder“, räumte die Elternvertreterin Gaëlle Laval in Crêts-en-Belledonne ein, „aber das nationale Bildungsministerium kümmert sich nicht um die pädagogischen Argumente, die wir hier vor Ort vorbringen, es zählen nur die Zahlen.“

In andern Gemeinden wurden die Schulen auch schon auf „Leboncoin“, einer populären Internetseite für Kleinanzeigen und allerlei Krimskrams, zum Verkauf angeboten. Ein anderer Bürgermeister stöhnte wegen der dünnen Personaldecke immer wieder über den Unterrichtsausfall und hat kurzerhand den Lehrern per Dekret verboten, krank zu werden.

Die Wut der Provinz auf den Minister in Paris

Die Bürgermeister und Schulleiter in der französischen Provinz sind im Moment allerdings nicht allzu gut auf die Politiker in Paris zu sprechen. Das liegt vor allem an Bildungsminister Jean-Michel Blanquer. Der arbeitet mit Hochdruck an einer Reform, die unter anderem vorsieht, Vor-, Grund- und Mittelschulen im ländlichen Raum zusammenzulegen. Die betroffenen Lehrer sprechen verächtlich von „Bildungsfabriken“, die da entstehen würden.

Anstatt tatenlos abzuwarten, hat Jean Debouzy mit seiner Viagra-Verordnung in Montereau nun also in Sachen Kindermangel die Flucht nach vorne angetreten. Eine zentrale Frage ist allerdings noch ungeklärt: Wer das Potenzmittel bezahlt, sollte tatsächlich ein Paar danach fragen.