Gökay Sofuoglu, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Baden-Württemberg, hat die doppelte Staatsbürgerschaft. Foto: dpa

Junge Ausländer haben die Qual der Wahl: Wollen sie Deutsche bleiben, müssen sie in der Regel den Pass ihrer Eltern abgeben. Damit soll nach dem Willen mehrerer Bundesländer Schluss sein. Dazu müsste auch der Bundestag mitziehen. Gibt es eine Chance nach der Bundestagswahl?

Stuttgart - Baden-Württemberg hat im Bundesrat einen neuen Anlauf gestartet, um Menschen mit ausländischen Wurzeln die doppelte Staatsbürgerschaft zu gewähren. Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) sagte am Freitag in Berlin, bei der Einbürgerung sei die bisherige Regelung, nach der der alte Pass abzugeben ist, eine große Hürde. Baden-Württemberg brachte den Gesetzesantrag zusammen mit sechs anderen Bundesländern ein, die von SPD und Grünen regiert werden. Die Länderkammer verwies das Thema zur Beratung in die Ausschüsse. Ein erster Anlauf 2011 war im Bundesrat gescheitert.

Mittlerweile haben sich aber die Mehrheitsverhältnisse in der Länderkammer geändert. CDU und FDP, die im Bundestag die Mehrheit haben, sind aber gegen den Doppelpass. Erst am Mittwoch hatten sie im Parlament mehrere Anträge der Opposition für den Doppelpass scheitern lassen. Nach Angaben des Integrationsministeriums in Stuttgart könnte der Bundesrat am 5. Juli beschließen, den Antrag in den Bundestag einzubringen. Dieser hätte dann theoretisch die Möglichkeit, sich damit Anfang September in einer Sondersitzung zu befassen. Wahrscheinlicher sei aber, dass das Thema dort erst nach der Bundestagswahl auf die Tagesordnung kommt. „Vom Bundesrat beschlossene Gesetzentwürfe können im vereinfachten Verfahren in den neuen Bundestag eingebracht werden“, sagte ein Sprecher von Öney.

Der Doppelpass ist in Deutschland die Ausnahme

Der Doppelpass ist in Deutschland die Ausnahme. So werden hier geborene Kinder von Ausländern zwar zu Deutschen und behalten zunächst die Staatsangehörigkeit der Eltern. Zwischen ihrem 18. und 23. Lebensjahr müssen sie aber eine ihrer Staatsangehörigkeiten aufgeben. Von dieser „Optionsregel“ sind vor allem junge Türken betroffen. Für einige Länder - wie EU-Staaten, die Schweiz oder Brasilien - gelten aber andere Regeln. Menschen aus diesen Staaten können bei der Einbürgerung ihren alten Pass behalten. Öney sagte, das sei ungerecht. Schleswig-Holsteins Regierungschef Torsten Albig (SPD) beklagte, die bisherigen Regelungen seien nicht mehr zeitgemäß.

Wirtschaftsminister Nils Schmid (SPD) sagte, auch die Wirtschaft würde vom Doppelpass profitieren. „Zur Sicherung unseres Fachkräftebedarfs sind wir auch auf die Mitbürger angewiesen, deren Wurzeln nicht in Deutschland liegen“, erklärte er. „Es entspricht nicht einer modernen Einwanderungsgesellschaft und beraubt die Betroffenen eines Teils ihrer Identität, ihnen eine Mehrstaatigkeit zu verwehren.“ Auch er meinte, viele ausländische Bürger scheuten wegen der derzeitigen Regelung die Einbürgerung in Deutschland.