Kriminaltechniker auf dem Weg zur Spurensicherung: In Riedenberg gab es bei einem Familiendrama zwei Mordopfer Foto: SDMG

Der Stadtteil Riedenberg gilt als ruhiges Wohngebiet in guter Lage – Polizei sieht man hier selten. Am Sonntag ist alles anders: Ein Familiendrama endet mit zwei Todesopfern. Der Mann gesteht die Tat, er wird am Montag dem Haftrichter vorgeführt.

Stuttgart - Der Himmel über dem Wohnviertel in Riedenberg ist so grau und trist wie die Stimmung unter den Anwohnern: „Der Mandarinenweg ist eine Sackgasse, und man denkt, jeder kennt hier jeden – aber das ist nicht so“, sagt eine Nachbarin, die auf der gegenüberliegenden Seite des Tatorts wohnt. Schon als am Sonntagmorgen die ersten Polizeiautos und der Notarzt auftauchten, ahnte sie Schlimmes.

Das Schlimme, ein Doppelmord, hat sich in einem Mehrfamilienhaus im Mandarinenweg 4 in einer Erdgeschosswohnung ereignet. Die Polizei erfährt kurz vor 9.30 Uhr davon, als sich ein Mann per Notruf im Führungs- und Lagezentrum des Polizeipräsidiums meldet. Er sagt, dass er seine Familie getötet habe. Die ersten Streifenbeamten finden ihn nach starkem Blutverlust zusammengebrochen in der Wohnung vor. Ein Notarzt kümmert sich um den 52-Jährigen, der sich offenbar selbst das Leben nehmen wollte, und bringt ihn mit schweren Verletzungen in ein Krankenhaus.

Für seine Ehefrau, 43 Jahre alt, und den 16-jährigen Sohn kommt aber jede Hilfe zu spät. Die beiden liegen tot in der Wohnung. Wie sie umgebracht wurden, darüber will die Polizei am Sonntag keine Auskunft geben. „Das ist Täterwissen“, erklärt Polizeisprecher Stefan Keilbach. Der 52-Jährige sei der einzige lebende Beteiligte, weitere Zeugen oder gar Komplizen gebe es nicht.

Rolf K. war bisher unauffällig

Die Umstände und Blutspuren an der weißen Schutzkleidung der Kriminaltechniker am Tatort deuten darauf hin, dass der 52-Jährige seine Opfer womöglich mit mehreren Stichen getötet hat. Und nicht nur sie: Auch der Hund der Familie ist nicht mehr am Leben. Das Drama dürfte sich ohne größeren Lärm abgespielt haben – die Nachbarn hatten jedenfalls nichts mitbekommen. Freilich ist die Tatzeit noch nicht eindeutig geklärt: Eine Obduktion in der Gerichtsmedizin soll nähere Erkenntnisse bringen.

Das Motiv des 52-jährigen Familienvaters ist unklar. Rolf K. war weder in der Nachbarschaft auffällig – noch zuvor in den Polizeiakten wegen Gewaltdelikten registriert. In ähnlichen Dramen in und um Stuttgart hatte meist eine bevorstehende Trennung eine Rolle gespielt. Der Partner will das Ende einer Beziehung nicht akzeptieren, sieht sich und seine Welt in Trümmern, will sich und alles auslöschen. Die eigenen Kinder werden getötet, um ihnen das Leben als Waise zu ersparen. Eine Mutter, die vor wenigen Monaten vom Stuttgarter Landgericht für die Tötung ihrer beiden Kinder zu neun Jahren Haft verurteilt wurde, hatte erklärt, sie habe sterben und ihre Kinder nicht alleine lassen wollen. Nicht selten, so auch in diesem Fall, spielen aber auch psychische Erkrankungen wie Depressionen und Wahnvorstellungen eine Rolle.

Ein ruhiges Wohngebiet

Das Quartier in Riedenberg, in dem sich das Drama ereignet hat, ist ein ruhiges Wohngebiet mit Mehrfamilienhäusern und Vorgärten. Es gibt wenige Spaziergänger auf den Straßen, Schaulustige gibt es schon gar nicht, ab und zu halten Autos, die Bewohner ziehen sich lieber in ihr Heim zurück. „Das Wohngebiet ist mindestens 25 bis 30 Jahre alt, so etwas hat es hier bisher nicht gegeben“, sagt ein Ehepaar aus der nahen Melonenstraße.

Tatsächlich hat die Polizei im Stadtteil wenig zu tun. Die letzte große Aufregung gab es Anfang Oktober, als ein Küchenbrand in der Klara-Neuburger-Straße mit 90 000 Euro Schaden einen Großeinsatz der Feuerwehr notwendig machte. Noch viel länger zurück liegt der brisante Fund einer Handgranate aus dem Zweiten Weltkrieg im Wald zwischen Riedenberg und Birkach, die ein achtjähriges Mädchen in einem Gebüsch entdeckt hatte. Das war im April.

Man kennt sich „vom Sehen“

Rolf K. ist seit Ende der 90er Jahre, noch vor der Geburt seines Sohnes, im Mandarinenweg gemeldet. Eigentlich müsste man ihn nach so langer Zeit kennen. Doch dem scheint nicht so: „Vom Sehen kennen wir die Leute bestimmt“, sagt ein Ehepaar aus der Nachbarschaft, „aber nicht namentlich, die Gegend ist doch sehr anonym.“ Die Wohnungseigentümer hier, heißt es, hätten meist ein höheres Einkommen, und die Mieten liegen über dem Durchschnitt. Hier sollen eher Beamte und Bürofachkräfte wohnen.

Eine 78-jährige Nachbarin, die gerade vom Schwimmen kommt und die Familie kennt, ist angesichts des Polizeiaufgebots in der Straße erschüttert: „Ich hatte nicht den Eindruck, dass sich hier eine Tragödie anbahnen würde, aber man sieht in die Leute ja nicht hinein.“ Die Familie sei regelmäßig entweder gemeinsam oder einzeln mit ihrem Hund spazieren gegangen. Die Anwohnerin ist beim Anblick der Szenerie fassungslos: „So schnell kann es zu Ende sein.“