Im Neuen Rathaus werden die Entscheidungen vorbereitet. Foto: Pressefoto Horst Rudel

In den kommenden Monaten will Esslingen so viel Geld investieren wie schon seit Jahrzehnten nicht mehr. Dabei ist noch vollkommen offen, ob sich die Einnahmesituation nach der kleinen Krise im Jahr 2019 tatsächlich wieder verbessert.

Esslingen - Die Beschreibung spricht Bände: Der Doppelhaushalt 2020/2021, den der Esslinger Oberbürgermeister Jürgen Zieger im Gemeinderat eingebracht hat, sei „mehr als ausgeglichen“. In dieser etwas schrägen Formulierung spiegelt sich die aktuelle Esslinger Stimmungslage, die sich speist aus dem Schock des Einbruchs der Gewerbesteuereinnahmen im vergangenen Jahr und einem vorsichtigen Optimismus, dass die ganz große Wirtschaftskrise dieses Mal doch noch vermieden werden kann.

Das lässt sich in Zahlen ganz konkret belegen: Im Jahr 2018 flossen 104 Millionen Euro Gewerbesteuern in die Esslinger Stadtkasse. Das war ein absoluter Rekord – und machte rund ein Drittel der gesamten Einnahmen der Stadt Esslingen aus. Im vergangenen Jahr kam dann das böse Erwachen. Statt der erwarteten rund 80 Millionen Euro zahlten die Gewerbetreibenden nur 50 Millionen ein. Für das laufende und das nächste Jahr rechnet die Stadt nun jeweils wieder mit 76 Millionen Euro – also mit deutlich mehr als im vergangenen Jahr.

Investiert werden mehr als 100 Millionen Euro

Stimmt diese Prognose wird die Stadt Esslingen zwar im Jahr 2020 ein leichtes Minus in Höhe von 4,4 Millionen Euro zu verkraften haben, im Jahr 2021 soll es mit 15,7 Millionen Euro dann aber ein deutliches Plus geben, macht summa summarum den erwähnten „mehr als ausgeglichenen Doppelhaushalt“. Bei gleichbleibenden Rahmenbedingungen zeichnet sich aber schon jetzt ab, dass die Stadt in den darauf folgenden Jahren 2022 bis 2026 insgesamt 60 Millionen Schulden aufnehmen muss, will sie alle anstehenden Verpflichtungen und Aufgaben erledigen.

Doch zunächst geht es um die nähere Zukunft. Und da fängt gerade eine Zeit an, für die mit 70 Millionen Euro im Kernhaushalt und noch einmal rund 33 Millionen Euro beim Eigenbetrieb „Städtische Gebäude Esslingen“ einer, wie der Esslinger Finanzbürgermeister Ingo Rust betont, „der investitionsstärksten Haushalte der letzten Jahrzehnte“ vorliege. Allein 22 Millionen Euro fließen in den kommenden zwei Jahren in die Sanierung und den Neubau von Schulen. In den kommenden fünf Jahren wird die Stadt insgesamt 60 Millionen Euro in bauliche Maßnahmen im Bildungsbereich investieren.

Geld für Neubauten und Belegungsrechte

Finanziert werden muss mit rund zehn Millionen Euro auch der Erwerb von Belegungsrechten für 70 Neubauwohnungen in der Zeller Alleenstraße. Ein weiterer Beitrag zur Stadtentwicklung ist die Verlagerung der Stadtwerke aus der Neuen Weststadt ins Gewerbegebiet Neue Neckarwiesen. Diese 4,2 Millionen Euro nimmt die Stadt in die Hand, um in innenstadtnaher Lage weiteren Wohnraum zu schaffen.

Lieb und teuer ist der Stadt auch das Betreuungsangebot. Im Rahmen der „Personaloffensive Kindertageseinrichtungen“ werden 70 Stellen geschaffen, mit deren Hilfe nicht nur zusätzliche Gruppen eröffnet werden sollen, sondern auch die Arbeitsbedingungen für die bisher schon eingestellten Mitarbeiter verbessert werden sollen. Rund vier Millionen Euro zusätzlich kostet diese Maßnahme pro Jahr. Ein erheblicher Betrag fließt auch in den Klimaschutz. Allein die Anschaffung eines Elektrohybridbusses kostet eine Million Euro. Bis 2023 sollen 17 solcher neuen Busse angeschafft werden, wobei die Stadt hier auf Zuschüsse vom Bund hoffen darf.

Grundsteuererhöhung ist umstritten

Ein Knackpunkt bei den nun anstehenden Beratungen ist die von der Stadt vorgeschlagene Erhöhung der Grundsteuer von 425 auf 445 Prozentpunkte. Damit würde Esslingen in der Region von Platz sieben auf Platz vier der Städte mit den höchsten Grundsteuern – hinter Stuttgart, Remseck und Weinstadt – klettern. Eine Million Euro zusätzlich soll die Maßnahme der Stadt bringen.

Letztlich, so betont der Esslinger Stadtchef Jürgen Zieger, sei der Entwurf des Doppelhaushalts nur eine Zusammenfassung der bereits vom Gemeinderat und der Verwaltung gemeinsam beschlossenen Ziele. Er enthalte keine Überraschungen und keine Prestigeprojekte. Deshalb sieht Zieger den Beratungen gelassen entgegen. Die zweite Lesung ist für den 17. Februar, die Verabschiedung für den 1. April geplant.