Vorstand der Nationalen Antidopingagentur: Lars Mortsiefer Foto: dpa

Die harsche Kritik des Dopingexperten Perikles Simon im Interview mit unserer Redaktion lässt die Nationale Antidopingagentur (Nada) nicht unbeantwortet. Sie erhebt ihrerseits Vorwürfe gegen den Mediziner.

Stuttgart - Es dauerte nicht lange, bis die Nationale Antidopingagentur (Nada) zum Gegenschlag ausholte. Über den Sportinformationsdienst (SID) ließ sie am Mittwochmorgen verbreiten, was sie von der scharfen Kritik hält, die der Dopingexperte Perikles Simon im Interview mit unserer Redaktion geäußert hatte: „Eine Pauschalkritik ohne faktische Basis halten wir für nicht zielführend.“

Simon, Leiter der Abteilung Sportmedizin an der Uni Mainz und langjähriger Antidopingkämpfer auch im Auftrag der Weltantidopingagentur (Wada), hatte der Nada vorgeworfen, sie habe keinerlei Interesse daran, prominente Dopingsünder zu überführen. Zudem werde es unterlassen, die Athleten ausreichend aufzuklären, ehe diese weitreichende Persönlichkeitsrechte abgeben müssten. „Dieser Institution würde ich das Geld komplett entziehen“, sagte der 46-Jährige und verglich den Antidopingkampf mit der „Muppet Show“.

„Wir bedauern, dass sich Herr Simon jeglichem Dialog mit uns verwehrt“

Wenig überraschend, dass die Nada, eine selbstständige Stiftung des bürgerlichen Rechts, die im Wesentlichen vom Bund finanziert wird, ganz anderer Meinung ist. „Wir bedauern, dass sich Herr Simon jeglichem Dialog mit uns verwehrt, um sich gemeinsam, konstruktiv für saubere Sportlerinnen und Sportler einzusetzen“, so wird die Bonner Agentur vom SID zitiert. Auf eine Anfrage unserer Redaktion will die Nada laut einer Sprecherin „zu einem einem späteren Zeitpunkt“ zurückkommen.

Perikles Simon widerspricht dem Vorwurf, nicht zum Dialog bereit zu sein. Seine Türen stünden immer offen, sagt er, doch sei die Nada in der Vergangenheit „nur ein einziges Mal“, im Jahr 2009, auf ihn zugekommen. Damals sei es jedoch „ausschließlich darum gegangen, von mir eine Entschuldigung zu fordern“. Bereits seit Jahren gilt der Sportmediziner und Neurobiologe als einer der schärfsten Kritiker des deutschen Doping-Kontrollsystems.

Auch SPD-Politikerin Dagmar Freitag weist die Vorwürfe zurück

Das weiß auch die Sportexpertin Dagmar Freitag. Die SPD-Politikerin kenne Simon „als jemanden, der mit seiner Meinung nicht hinter dem Berg hält“, sagte die 66-Jährige und wies die Vorwürfe ebenfalls energisch zurück: „Wenn der Ruf international in höchstem Maße anerkannter Fachleute – und das sind Andrea Gotzmann und Lars Mortsiefer als Köpfe der Nada zweifellos – mit haltlosen Verdächtigungen und Unterstellungen in den Schmutz gezogen wird, ist eine Grenze überschritten.“

Freitag ist nicht nur Vorsitzende des Sportausschusses im Bundestag und war bis November 2017 Vizepräsidentin des Deutschen Leichtathletikverbands (DLV) – sie sitzt auch seit zehn Jahren im Aufsichtsrat der Nada. Es ist nur einer von vielen Interessenskonflikten im Antidopingkampf, die Simon seit Jahren beklagt. In der fehlenden Unabhängigkeit der Nada sieht der Wissenschaftler einen wesentlichen Grund dafür, warum Deutschland im internationalen Vergleich die niedrigsten Dopingquoten aufweise.

Die Zahl der Dopingfälle in Deutschland ist verschwindend gering

Laut dem Jahresbericht der Nada wurden im vergangenen Jahr 12 617 Kontrollen vorgenommen. In 69 Fällen wurden Verfahren wegen möglicher Verstöße eingeleitet, 14 haben zu Sanktionen geführt. Dies entspricht einer Quote von 0,11 Prozent. Unabhängige Studien kamen zu dem Ergebnis, dass mindestens 30 Prozent der Spitzensportler gegen die Regeln verstoßen, Perikles Simon geht sogar von bis zu 60 Prozent aus. Das Gesamtbudget der Nada belief sich 2018 auf 9,7 Millionen Euro. 6,2 Millionen wurden aus Bundesmitteln beigesteuert, der Rest überwiegend von den Sportverbänden.

Ende vergangenen Jahres hatte auch ein ehemaliger langjähriger Dopingkontrolleur in einem „FAZ“-Interview massive Zweifel an der Wirksamkeit des Kontrollsystems geäußert: Niemand wolle wirklich einen Dopingfall, nicht bei den Verbänden, nicht einmal bei der Nada. „Dass wir keinen Dopingfall wollen, ist absurd“, erwiderte Nada-Vorstand Lars Mortsiefer im Deutschlandfunk.