Der Erfurter Sportmediziner muss in Haft bleiben. Foto: AP

Der im Zusammenhang mit den Doping-Razzien bei der Nordischen Ski-WM festgenommene Sportmediziner aus Erfurt bleibt in Haft. Ihm droht eine Gefängnisstrafe bis zu zehn Jahren. Der Skandal kann sich auch auf andere Sportarten ausweiten

Erfurt/ München - Die Erschütterungen des Doping-Bebens bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld sind am Tag danach auch in Deutschland weiter zu spüren. Dem im Zusammenhang mit Razzien in Erfurt festgenommene Sportmediziner Mark S. droht eine Gefängnisstrafe von bis zu zehn Jahren.

 

Sollte dem Arzt und seinem mutmaßlichen Komplizen in der Causa ein gewerbs- oder bandenmäßiges Delikt nachgewiesen werden, sieht das 2015 verabschiedete Anti-Doping-Gesetz dieses Strafmaß vor. Das bestätigte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft München, Anne Leiding, auf dpa-Anfrage.

Bei einer Razzia des österreichischen Bundeskriminalamtes bei der Nordischen Ski-WM in Seefeld waren am Mittwoch sieben Personen, darunter fünf Athleten aus Österreich, Kasachstan und Estland, verhaftet worden.

In der Praxis wurden auch Fußballer behandelt

In Erfurt wurde parallel dazu der Arzt festgenommen. Am Donnerstag wurde er einem Haftrichter vorgeführt. Dieser bestätigte die Fortdauer der Haft, woraufhin der Angeklagte zur Untersuchungshaft nach München gebracht wurde. Die Anwälte von Mark S. teilten auf Anfrage mit, „keine Stellungnahme zum jetzigen Zeitpunkt abzugeben“.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) begrüßte die Festnahmen und Ermittlungen und sprach in Berlin von einem „schönen Erfolg beim Kampf gegen Doping, was da in Österreich geschehen ist“.

Der Spitzensport muss nach dem Schlag weitere Enthüllungen fürchten. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ am Donnerstag berichtet, wurden in der Praxis des Sportmediziners auch Fußballer, Schwimmer, Radsportler, Handballer und Leichtathleten behandelt. „Es werden sicherlich auch noch andere Sportarten betroffen sein“, hatte am Mittwoch schon Dieter Csefan vom österreichischen Bundeskriminalamt gesagt und von einem seit Jahren weltweit agierenden Netzwerk und einer „kriminellen Organisation“ gesprochen.

Hörmann wies Anschuldigungen zurück

DOSB-Präsident Alfons Hörmann schloss hingegen aus, dass auch deutsche Kader-Athleten in der Praxis behandelt wurden. „Nach all dem, was mir bis zum jetzigen Zeitpunkt vorliegt, gibt es nicht einen deutschen Athleten, der von dieser Praxis betreut oder in irgendeiner Form untersucht wurde. Ich spreche jetzt von Kader-Athleten“, sagte der Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes am Donnerstag im ZDF.

Er wies in dem Zusammenhang entsprechende Anschuldigungen des österreichischen Verbandschefs scharf zurück. „Was er da versucht darzustellen oder zu antizipieren, entspricht schlichtweg nicht der Wahrheit. Ich kann es nur als wenig gelungenes Ablenkungsmanöver von den eigenen Unzulänglichkeiten im ÖSV werten“, führte Hörmann aus. ÖSV-Chef Peter Schröcksnadel hatte zuvor im ORF gesagt: „Ich habe auch gehört, es sind scheinbar auch deutsche Athleten betroffen, deutsche Ärzte betroffen.“ Man könne „das nicht immer auf das kleine Österreich abschieben“.

Arzt wurde sofort die Lizenz entzogen

Der Landessportbund Thüringen entzog nach der Festnahme von Mark S. der betroffenen Arzt-Praxis mit sofortiger Wirkung die Lizenz als „Sportmedizinische Untersuchungsstelle“. Dabei räumte der Verband eigene Versäumnisse ein. Denn bei der Fortschreibung der ursprünglich bis 2018 laufenden Lizenz um weitere vier Jahre entging dem LSB, dass in der Zwischenzeit Mark S. in die Praxis eingetreten war.

Dem Mediziner war schon in seiner früheren Rolle als Radsport-Teamarzt die Verwicklung in Doping-Praktiken vorgeworfen worden. Unter anderen hatten die des Dopings überführten ehemaligen Radprofi Bernhard Kohl aus Österreich und Stefan Schumacher ihn einst belastet. Mark S. hatte jegliche Vorwürfe abgestritten.

Nach seiner Festnahme droht ihm nun neben den strafrechtlichen Konsequenzen auch ein berufsrechtliches Verfahren durch die Landesärztekammer Thüringen. „Sollten sich die Vorwürfe gegen den Arzt bestätigen, wird die Kammer mit aller Härte vorgehen“, sagte eine Kammersprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Das könne für den Arzt den Verlust der ärztlichen Zulassung (Approbation) bedeuten.

Kein Kontakt zwischen Mediziner und deutschem Team

In Österreichs Tageszeitungen waren die Doping-Razzien und die möglichen Folgen der „Operation Aderlass“ am Donnerstag das Aufmacherthema. „Misstrauen ist im Sport die Höchststrafe“, schrieben die „Salzburger Nachrichten“. Vom „Seefelder Fanal“ schrieb „Der Standard“. Das „Oberösterreichische Volksblatt“ stellte fest: „Und täglich grüßt das Murmeltier - nach den Olympischen Spielen 2002 in Salt Lake City, 2006 in Turin und 2014 in Sotschi sind erneut Teile des heimischen Langlaufteams in einen Dopingskandal verwickelt.“ Die „Kleine Zeitung“ sah „Die Gier nach Geld und Ruhm“ als Hauptursache. Der „Kurier“ glaubt: „Dümmer geht’s nicht.“

Nach Aussagen des DSV-Vorstandsmitglieds Stefan Schwarzbach gibt es keinen Kontakt zwischen dem Mediziner und dem deutschen Dachverband. „Der Arzt, wenn man ihn denn überhaupt noch so bezeichnen mag, hat keine Verbindungen zum Deutschen Skiverband, zumindest keine Verbindungen, die uns irgendwie bekannt wären“, sagte Schwarzbach.

Langlauf-Bundestrainer Peter Schlickenrieder regte indes eine Diskussion nach diesem Winter an. „Es ist wichtig, dass wir eine Wertediskussion führen. Man muss auch mal Dinge relativieren“, sagte er in Seefeld. „Ob du am Ende des Tages 27 Mal Olympiasieger oder zehnmal Vierter geworden bist, ist völlig scheißegal.“ Es müsse klar sein, „dass der Erfolg nicht alle Mittel heiligt“.