Fußball-Zweitligist Hamburger SV verteidigt den mutmaßlichen Epo-Doper Mario Vuskovic. Ralph Denk, der Chef des besten deutschen Radrennstalls Bora-hansgrohe, kann das nicht verstehen.
Tim Walter, das war schon in seiner Zeit beim VfB Stuttgart so, ist ein Spieler-Versteher. Der Trainer des Hamburger SV lässt nichts kommen auf seine Jungs, verteidigt sie, stärkt ihnen den Rücken. Erst recht in harten Zeiten. Mario Vuskovic (21) durchlebt gerade die schwierigste Phase seiner Karriere. Doch auf Tim Walter, klar, kann er sich verlassen. „Ich bin mit ihm in Kontakt, wir telefonieren häufig“, sagt der HSV-Coach, „die Seelenlage ist nicht gut bei ihm. Das tut mir sehr leid für den Jungen.“
Die Sätze hören sich an, als sei Vuskovic unverschuldet in Not geraten, ein Opfer der Umstände, ein Pechvogel. Sie passen ins Bild, das der Hamburger SV zeichnet, seit der Kroate bei einer Trainingskontrolle am 16. September 2022 mit dem Blutdopingmittel Epo erwischt wurde, nachgewiesen in A- und B-Probe. Vuskovic ein Leidtragender? Wäre er kein Fußballer, sondern Radprofi, Leichtathlet oder Skilangläufer, die Frage würde sich nicht stellen.
„Es geht hier ja nicht um einen möglicherweise verunreinigten Energieriegel. Epo ist hartes Doping“, sagt Ralph Denk. Weshalb sich der Chef des besten deutschen Radrennstalls Bora-hansgrohe darüber wundert, wie der HSV mit dem Fall umgeht: „Die Sache gehört vors Schiedsgericht. Für einen Verein gibt es mit einem Spieler, der des Dopings überführt wurde, keine Diskussionsgrundlage mehr.“ In Hamburg sieht man das anders.
Mehrere Anwälte unterstützen Vuskovic
Abwehrmann Vuskovic, dem angeblich fünf auf Doping- und Verbandsrecht spezialisierte Rechtsanwälte zur Seite stehen, hat sich mit dem üblichen Reflex verteidigt: Er sei geschockt und ratlos, aber unschuldig, habe keine Ahnung, wie die Dopingsubstanz in seinen Körper gekommen sei. Der HSV unterstützt diese Strategie tatkräftig. Der Club erklärte nach Bekanntwerden des positiven Tests Mitte November, „in enger Abstimmung mit dem Spieler und im Austausch mit dem DFB die nächsten Schritte zu prüfen und festzulegen“.
Im Klartext: Ein Verein, der einen vorläufig suspendierten Doper in seinen Reihen hat, will mit dem Deutschen Fußball-Bund, dessen Sportgericht das Urteil fällen wird, das weitere Vorgehen besprechen. Aus Sicht des Bora-Teamchefs ist das mehr als fragwürdig. „Ich würde mich freuen, wenn sich alle olympischen Sportarten denselben Dopingregeln unterwerfen würden“, sagt Ralph Denk, „es scheint so, als würde der HSV das Regelwerk nicht so respektieren, wie es notwendig ist.“ Dazu passen die jüngsten Aussagen von Jonas Boldt.
Der Sportvorstand des HSV attackierte die Nationale Anti-Doping-Agentur (Nada) in dieser Woche mit deutlichen Worten. „Wir sind bereit, alles aufzuklären, aber die Kooperation von der anderen Seite lässt doch zu wünschen übrig“, sagte Boldt, „wir werden ein bisschen alleinegelassen von der Nada. Das Prozedere wirft viele Fragen auf.“
Weil Vuskovic und der HSV wohl darauf setzen, etwaige Formfehler nachzuweisen, um so einen Freispruch zu erwirken, hatte der 14-malige kroatische U-21-Nationalspieler angeboten, einen DNA-Test zu machen – in der Hoffnung, dass die positive Probe nicht von ihm stammt. „Aber irgendwie“, meinte Boldt, „haben die es abgelehnt.“
Der DFB entscheidet über den Fall Vuskovic
Die Antwort aus Bonn kam prompt. „Diese Aussagen sind faktisch falsch“, erklärte die Nada, die für die Trainings- und Wettkampfkontrollen im Fußball verantwortlich ist. Der Unterschied zu den meisten anderen Sportarten: Sobald es einen positiven Test gibt, ist nicht mehr die Nada zuständig – dann wird der DFB zum Herr des Verfahrens. Auch, wenn über DNA-Tests zu entscheiden ist, die im Doping-Regelwerk zunächst gar nicht vorgesehen sind.
Wie es weitergeht? Nachdem der DFB dem Antrag auf eine erneute Fristverlängerung zugestimmt hat, haben Vuskovic und seine Anwälte bis 17. Januar Zeit, ihre Stellungnahme abzugeben. Alles andere ist offen. Auch, wie teuer der Fall am Ende für den HSV wird.
Der klamme Zweitligist hatte Mario Vuskovic, der sich derzeit in Split aufhält, im Sommer 2021 ausgeliehen und ein Jahr später bis 2025 fest verpflichtet. Hajduk Split erhielt eine Ablösesumme von drei Millionen Euro. Vuskovic gilt mit einem Marktwert von fünf Millionen Euro als wertvollster Profi im HSV-Kader, angeblich soll es schon Anfragen gegeben haben, die bei einem Weiterverkauf auf eine Summe im zweistelligen Millionenbereich hoffen ließen. Stattdessen droht Vuskovic nun eine vierjährige Sperre und womöglich weiteres Ungemach.
Die Staatsanwaltschaft ermittelt
In Deutschland ist Doping strafbar, die Staatsanwaltschaft hat die HSV-Kabine und die Wohnung von Vuskovic durchsuchen lassen. Dessen Handy und Laptop wurden beschlagnahmt, laut „Hamburger Abendblatt“ fanden sich allerdings keine verbotenen Substanzen. Trotzdem könnten im Zuge der Ermittlungen Fragen gestellt werden, die beim HSV offenbar kaum interessieren. Ist Vuskovic womöglich kein Einzeltäter? Wer sind seine Hintermänner? Welche Rolle spielt Doping im Fußball? Gibt es gar ein betrügerisches Netzwerk?
Die Antworten würde auch Ralph Denk gerne kennen. „Der Radsport macht sicher nicht alles richtig, aber wir haben ein Stück weit aus unserer Vergangenheit gelernt“, sagt der Chef des Bora-Teams. „Der Fall Vuskovic zeigt jedenfalls, dass wir weiter sind, als es andere Sportarten zu sein scheinen.“