Kamila Walijewa darf im Einzel starten, ein Freispruch von den Vorwürfen ist das aber nicht. Foto: imago/Kyodo News

Die Entscheidung in der Doping-Affäre um Kamila Walijewa ist getroffen. Gut ist damit aber gar nichts.

Peking - Kamila Walijewa darf bei den Olympischen Spielen weiter antreten, dies hat die Ad-hoc-Kommission des Internationalen Sportgerichtshofes (Cas) in Peking entschieden. Bei der russischen Eiskunstläuferin war in einer Dopingprobe vom 25. Dezember 2021 die verbotene Substanz Trimetazidin (Herzmittel) gefunden worden, die Nachricht erreichte die zuständigen Stellen erst während der Spiele in China. Dass Walijewa erst 15 Jahre alt ist, verkompliziert den Fall. Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

 

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Wie wird das Urteil begründet?

Die drei Sportrichter legten Wert darauf, dass Walijewa als besonders schutzbedürftig gelte, da sie noch nicht 16 Jahre alt ist. Die Anti-Doping-Regeln der russischen Anti-Doping-Kommission (Rusada) und der Code der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada) seien für vorläufige Suspendierungen bei Minderjährigen nicht ausreichend. Cas-Generaldirektor Matthieu Reeb betonte den „irreparablen Schaden“, zu dem ein Ausschluss geführt hätte. Der Cas begründete das Urteil auch damit, dass es aufgrund einer unklaren Beweislage und der Verzögerungen bei der Auswertung des Dopingtests unfair wäre, der Russin eine Teilnahme zu verwehren.

Ist damit das letzte Wort gesprochen?

Nein. Die Russin läuft an diesem Dienstag im Kurzprogramm (11 Uhr MEZ) unter Vorbehalt wie auch in der Kür am Donnerstag (11 Uhr MEZ). Erst nach den Winterspielen wird es daher auch um das Teamgold für Russland gehen, zu dem Walijewa beigetragen hat – dann beginnt das übliche Prozedere, wenn eine positive Dopingprobe vorliegt.

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Was bedeutet das für den Wettkampf?

Als Reaktion auf eine mögliche nachträgliche Disqualifikation von Walijewa lässt der Eislauf-Weltverband ISU 25 statt 24 Läuferinnen im Kürfinale an den Start.

Was geschieht, wenn Walijewa nach der Kür auf den Medaillenplätzen landet?

Dann wird es weder eine Blumen- noch eine Medaillenzeremonie geben. Eine Siegerehrung soll, laut IOC, auf würdevolle Art nachgeholt werden, sobald das sportrechtliche Verfahren um Walijewa abgeschlossen ist.

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Wie reagiert die Wada?

Enttäuscht. Sie wirft dem Cas vor, die Bestimmungen des Wada-Codes nicht angewendet zu haben. Es gebe darin „keine spezifischen Ausnahmen in Bezug auf obligatorische vorläufige Suspendierungen für geschützte Personen, einschließlich Minderjähriger“. Das bedeutet im Klartext: Die Cas-Richter hätten die Suspendierung Walijewas aufrechterhalten können, sie mussten nicht zwingend aufgrund deren Alter so entscheiden.

Was wirft die Wada den Russen vor?

Sie gibt Rusada eine Mitschuld an der Verzögerung der Analyse. Die Probe wurde nicht als Prioritätsprobe gekennzeichnet, als sie beim Anti-Doping-Labor in Stockholm einging, was bedeutete, dass das Labor nicht wusste, dass es die Analyse beschleunigen sollte. Rusada behauptete, eine Reihe von Coronafällen im Labor hätte die Auswertung von Walijewas Probe erheblich verzögert. „Wir wären alle nicht hier, wenn es wie üblich eine Woche oder zehn Tage gedauert hätte“, sagte Cas-Generaldirektor Matthieu Reeb.

Wird auch im Umfeld der jungen Eiskunstläuferin ermittelt?

Das IOC versicherte, die Personen ausleuchten zu wollen, die Walijewa regelmäßig umgeben. „Wir haben die Entourage-Kommission“, sagte IOC-Sprecher Mark Adams, „wir wollen, dass die Wada das Team untersucht.“ Dazu gehören vor allem Filipp Schwezki, ein Arzt mit einschlägiger Dopingvergangenheit, sowie Trainerin Eteri Tutberidse, der in der Szene der zweifelhafte Ruf einer Schleiferin vorauseilt.

Wie reagierten Walijewas Landleute?

In Russland ist die weitere Starterlaubnis mit großer Erleichterung aufgenommen worden. „Morgen feuert das ganze Land sie an“, schrieb das Russische Olympische Komitee (ROC). Der Präsident des Eiskunstlaufverbandes, Alexander Gorschkow, sagte: „Das Einzige, was man hier sagen kann, ist, dass der gesunde Menschenverstand und die Gerechtigkeit gesiegt haben.“ Im Staatsfernsehen war die Rede davon, Walijewa sei „freigesprochen“ worden – was nicht zutrifft.

Wie fallen weitere Reaktionen aus?

Sarah Hirshland, der Präsidentin des Nationalen Olympischen Komitees der USA, ist unzufrieden. „Athleten haben das Recht zu wissen, dass sie alle unter den gleichen Bedingungen antreten. Dieses Recht ist ihnen verweigert worden“, sagte Hirshland. Thomas Weikert, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), blickt aufgrund des Alters der Spitzensportlerin nach vorn. „Der Fall bestärkt uns in der Auffassung, dass jungen Athleten Zeit gegeben werden muss – ein humaner Leistungssport darf nicht zu früh viel verlangen.“ Eiskunstlauf-Olympiasiegerin Katarina Witt sieht darin ebenfalls ein Problem. „Vielleicht sollte das Alter für die Teilnahme auf der olympischen Weltbühne auf 18 Jahre festgelegt werden“, teilte die 56-Jährige mit, 15-Jährige gehörten in die Jugendspiele.

Hat das Auswirkungen auf den Ausschluss Russlands als Staat?

Russland darf nach dem Dopingskandal der Winterspiele 2014 sowie den Tricksereien im Dopinglabor Moskau bis 16. Dezember nicht als Nation mit eigener Flagge und Hymne antreten. „Es wird deutlich, dass das Auslaufenlassen der Sperre den Unterschieden zwischen den einzelnen Sportarten nicht Rechnung trägt“, sagte DOSB-Präsident Weikert.