An der Donau-Ries-Klinik in Donauwörth soll der Arzt Patienten mit Hepatitis infiziert haben Foto: dpa

Ein medikamentenabhängiger Narkosearzt hat in Bayern womöglich mehrere Hundert Menschen mit Hepatitis C angesteckt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Donauwörth/Ellwangen - twa 1200 Warnungen hat das Gesundheitsamt schon verschickt, 230 Patienten haben sich untersuchen lassen, 19 Infektionen sind bestätigt – und es könnten noch mehr werden. Ein Narkosearzt im bayerischen Donauwörth soll Patienten mit der Leberentzündung Hepatitis C angesteckt haben. Auf welchem Weg – das ist noch genauso offen wie die Frage, ob er von dem Virus wusste, das in ihm steckte. Die Staatsanwaltschaft ermittelt.

Die Behörden alarmiert hatte kürzlich ein Hausarzt aus dem Kreis Donau-Ries. Gleich bei drei seiner Patienten hatte er Hepatitis C diagnostiziert – und alle drei waren zuvor im Donauwörther Krankenhaus operiert worden. Als die kommunale Klinik dann Anfang Oktober alle OP-Beschäftigten auf die Quelle der Viren untersuchen wollte, meldete sich ein früherer Narkosearzt: Ihn hatte man nach zehnjähriger Tätigkeit im April fristlos entlassen, weil er mit Opiaten ertappt worden war, die er zur fraglichen Zeit nicht hätte haben dürfen. Bis dahin, so das Klinikum heute, sei von der Medikamentenabhängigkeit des Mannes nichts bekannt gewesen.

Er selbst gab dann zu, mit Hepatitis infiziert gewesen zu sein; er will dies aber erst nach seiner Zeit in Donauwörth erfahren haben. Als gesichert gilt, dass beim letzten Routine-Bluttest keine Infektion aufgefallen war. Das war im November 2016; die Ansteckungen können also erst in der Zeit danach stattgefunden haben. In jenen achtzehn Monaten bis zu seiner Entlassung hat der Narkosearzt regulär an 693 Operationen teilgenommen – und ist womöglich bei vielen weiteren als Vertretung kurzzeitig eingesprungen. Das Klinikum durchforscht derzeit die Akten.

Kollegen vermuten, dass der Arzt erst sich und dann die Patienten „versorgte“

Entwarnung gibt man derweil im baden-württembergischen Ellwangen. In der dortigen Klinik St. Anna Virngrund hatte der Mediziner Anfang Oktober angeheuert. Dabei habe sich weder aus dem Arbeitszeugnis noch aus dem Vorstellungsgespräch irgendein Anhaltspunkt für das problematische Vorleben des Arztes ergeben, sagt Susanne Ditterle, Pressesprecherin im Ostalbkreis. Der Mann habe „sehr gute Referenzen“ gehabt. Und als man – nach den ersten Hinweisen von den bayerischen Nachbarn am 11. Oktober – den Arzt „noch am selben Tag“ auf Hepatitis und auf Drogen untersucht habe, habe man nichts gefunden, betont Ditterle. Außerdem habe der Mediziner angegeben, eine Therapie gemacht zu haben. Dennoch: Schon nach zwei Wochen, am 17. Oktober, trennte sich der Ostalbkreis wieder von dem Narkosearzt. Das Vertrauensverhältnis sei „nicht mehr da gewesen“.

Die Staatswaltschaft Augsburg, bei der die entsprechende Anzeige aus Donauwörth nach Auskunft von Pressesprecher Matthias Nickolai vor knapp zwei Wochen eingegangen ist, ermittelt „wegen Körperverletzungsdelikten“. Nickolai spricht von einem „sehr umfangreichen und komplexen Sachverhalt“. Das betrifft nicht zuletzt die Frage, auf welchem Weg der Arzt die Patienten angesteckt habe könnte: Hepatitis C wird meist durch infiziertes Blut übertragen, was bei den üblichen Kontakten zwischen Narkosearzt und Patienten sehr ungewöhnlich wäre.

In Medizinerkreisen kursiert deshalb die Hypothese, der offenbar opiatsüchtige Anästhesist könnte mit derselben Spritze zuerst sich und dann die Patienten „versorgt“ haben. Der Arzt hätte damit einen Teil der eigentlich sehr streng kontrollierten Betäubungsmittel für sich selbst abgezweigt. In der Tat bestätigt Jürgen Busse, der Vorstandsvorsitzende der Donauwörther Klinik, dass dort „die Verbrauchsmengen gelegentlich erhöht“ gewesen seien. Hier, so Busse laut einer Mitteilung des Landratsamtes weiter, habe „der Chefarzt unmittelbar Maßnahmen eingeleitet, um diesen Sachverhalt zu klären“. Dazu hätten „auch Gespräche mit dem Anästhesisten“ stattgefunden. Ein „arbeitsrelevantes Fehlverhalten“ sei dem Arzt aber nicht nachzuweisen gewesen – bis zum 25. April, dem Tag seiner fristlosen Kündigung.