Eine Orchesteraufstellung wie diese von den Donaueschinger Musiktagen 2017 ist in Corona-Zeiten undenkbar. Foto: SWR/Ralf Brunner

Das älteste und wichtigste Neue-Musik-Festival der Welt ist abgesagt worden – vor allem wegen des in Baden-Württemberg geltenden Beherbergungsverbots. Wie geht es weiter?

Donaueschingen - Die Nachricht war ein Paukenschlag: Am Montagabend, vier Tage vor Beginn der diesjährigen Donaueschinger Musiktage, haben die Veranstalter, also der Südwestrundfunk (SWR), die Gesellschaft der Musikfreunde Donaueschingen und die Stadt Donaueschingen, das diesjährige Festival abgesagt. Als Gründe wurden das geltende Beherbergungsverbot des Landes Baden-Württemberg sowie „die sich drastisch verschlechternden Corona-Infektionszahlen“ genannt. Der SWR-Redakteur und Künstlerische Leiter des Festivals, Björn Gottstein, präzisiert am Dienstag: Ausschlaggebend sei das Beherbergungsverbot gewesen – in Kombination mit der Tatsache, dass die SWR-Standorte Mainz und Stuttgart zu Risikogebieten erklärt worden seien, was die Durchführung durch SWR-Mitarbeiter in Donaueschingen unmöglich gemacht habe. Das älteste und international bedeutendste Festival für zeitgenössische Musik, 1921 als Kammermusikfestival mit Neue-Musik-Schwerpunkt unter der Schirmherrschaft des Donaueschinger Fürsten Max Egon II. gegründet, macht Zwangspause – enttäuschend für die Veranstalter, eine Katastrophe für die beteiligten Musiker und Komponisten. 25 neue Werke sollten am Wochenende uraufgeführt werden. Sie alle sind komponiert, schon geprobt und vor allem mit den geltenden Hygieneregeln in Einklang gebracht worden.

„Der Schmerz“, so Gottstein, „sitzt tief.“ Dennoch sei vonseiten des Festivals kein Versuch unternommen worden, von der Landesregierung eine Modifizierung der Corona-Verordnung und speziell des Beherbergungsverbots etwa durch eine Ausnahmegenehmigung von Dienstreisen zu erbitten: „Wir richten uns streng nach den Vorgaben des Landes.“ Aus dem Ministerium für Wissenschaft und Kunst kommentiert dessen Pressesprecher Roland Böhm: „Das Ministerium hat am Montagabend durch die Absage des Festivals erstmals von den Problemen erfahren. Hier hat sich von den Veranstaltern niemand gemeldet. Die Staatssekretärin Petra Olschowski bedauert die Absage des Festivals außerordentlich.“ Was die finanzielle Seite der Absage beträfe, so wolle man „mit den Institutionen, von denen wir gefördert werden, darüber sprechen, wie wir dieses Jahr abrechnen“ – schließlich sei schon einiges Geld ausgegeben worden.

Über eine Verschiebung einiger für 2020 geplanter Projekte ins nächste Jahr denke man zwar noch nach, aber da die Donaueschinger Musiktage dann ihr 100-jähriges Bestehen feiern, sei der Jahrgang 2021 schon so gut wie vorgeplant. Und überhaupt: „Am liebsten würden wir jetzt die Ärmel hochkrempeln und das nächste Jahr planen, aber wer weiß, wie die Situation dann ist. Das ist bedrückend.“

„Wir richten uns streng nach den Vorgaben des Landes“

Immerhin wird das Museum Art Plus eine Klanginstallation der Musiktage in sein Ausstellungsprogramm übernehmen. Ein Konzertprojekt, für das die Halle schon hergerichtet wurde und dessen Interpreten bereits angereist sind, soll in Donaueschingen noch aufgenommen und dann auf SWR 2 gesendet werden.

Außerdem wird das SWR-Symphonieorchester das Programm des Eröffnungskonzertes aufzeichnen. An diesem Freitag sendet SWR 2 als kleines Live-Surrogat schon mal einen Probenmitschnitt von dieser Veranstaltung: Der gerade als „Dirigent des Jahres“ ausgezeichnete Titus Engel dirigiert sechs Corona-konforme Orchesterminiaturen von Klaus Lang, Mica Levy, Cathy Milliken, Lula Romero, Oliver Schneller und Michael Wertmüller. Wenn möglich, sollen noch mehr der fertiggestellten Werke durch Rundfunkaufnahmen ohne Publikum gerettet werden. „Wir können“, so Björn Gottstein, „doch nicht alles einfach wegwerfen.“