Bei Wahlkampfauftritten hetzt Donald Trump besonders gerne gegen die Presse. Foto: AP

Präsident Donald Trump führt seit seinem Amtsbeginn einen Krieg gegen die Medien. Damit setzt er für Politiker im ganzen Land den Ton im Umgang mit Journalisten. Die Folgen bekommen selbst die kleinsten Redaktionen zu spüren.

Storm Lake/Columbia - Storm Lake ist ein kleines Nest im Nordwesten Iowas mit 10 000 Einwohnern. In einem schmucklosen Bau an der Railroad Street stehen ein Dutzend Schreibtische zu einem Newsroom zusammen. Die Mitarbeiter an den Tischen bringen mittwochs und freitags eine Lokalzeitung heraus: die „Storm Lake Times“. Der Chefredakteur Art Cullen erinnert mit dem Schnauzer und dem grauen Haar an Mark Twain. Er hat das Blatt 1990 mit seinem Bruder John gegründet, die Auflage beträgt 3000 Exemplare. Doch ihre Wirkung reicht weit über Storm Lake hinaus.

Der Journalismus kämpft mit Problemen

Zu den regelmäßigen Themen der Zeitung zählt die Agrarwirtschaft, die riesig ist im ländlich geprägten Mittleren Westen. Cullen hat keine Angst davor, sich mit den Mächtigen anzulegen. So deckte er auf, wie Agrarkonzerne für die Verteidigung des Landkreises bezahlten, als der wegen Trinkwasserverschmutzung angeklagt war. Der 61-Jährige Cullen erhielt dafür voriges Jahr den Pulitzerpreis – die höchste Ehre für Journalisten.

Besonders der amerikanische Journalismus hat mit vielen Problemen zu kämpfen — allen voran aber mit US-Präsident Donald Trump. Der bezeichnet kritische Medien als „Feinde des Volkes“. Sie seien „unehrlich“ und „unfair“, kurz: „fake news.“ Üblicherweise richtet sich Trumps Wut gegen große Medien wie die „New York Times“ oder die „Washington Post“. Unter dem Radar des Präsidenten aber erscheinen im ganzen Land 7112 Tages- und Wochenzeitungen. Wie erleben die Journalisten im Kernland Trumps Attacken?

Kleine Zeitungen sind betroffen

Art Cullen von den „Storm Lake Times“ sagt: „Wir werden angegriffen.“ Aber nicht von Trump, sondern von Abgeordneten im republikanisch regierten Iowa, die ihn als „Lieferanten von Fake-News“ bezeichnen und aufgrund seiner kritischen Berichte nicht mehr mit ihm sprechen wollen. „Sie wenden Trumps Taktik auf lokaler Ebene an“, sagt Chefredakteur Cullen.

Columbia im Bundesstaat Missouri ist eine Universitätsstadt mit 120 000 Einwohnern. Aus einem kleinen, dunklen Büro heraus bringt Charles L. Westmoreland Licht in politische, wirtschaftliche oder gesellschaftliche Angelegenheiten der Stadt. Vor einem Jahr hat der bullige Typ mit Glatze und schmaler Brille den Job als Chefredakteur der Lokalzeitung angetreten, der „Columbia Daily Tribune“ mit 15 Mitarbeitern und 15 000 Abonnenten.

Verschwörungstheorien sickern ein

Sobald jemandem nicht gefalle, was in der Zeitung steht, etwas nicht ins eigene Bild passe oder etwas einfach nicht wahr sein solle, werde der Vorwurf Fake-News geäußert, sagt er. Der Präsident ist das Vorbild, dem andere, oft republikanische Politiker, nacheifern. Es liegt der Schluss nahe, dass Trump mit seinem Auftreten andere legitimiert, sich ebenso zu verhalten. So sickert die Wortwahl Fake-News genau wie die sogenannten alternativen Fakten oder Verschwörungstheorien aus dem Weißen Haus in alle Schichten des Landes.

Westmoreland nennt ein Beispiel. Immer wieder diskutierten Bürger in Columbia ein Gerücht. Die Stadtverwaltung verstecke 300 Millionen Dollar in der Schweiz. Die „Tribune“ prüfte und berichtete: Die Stadt hat einen nicht ganz so geheimen Reservefonds von 300 Millionen, um Bedienstete zu bezahlen oder Ausgaben wie Straßenreparaturen zu schultern. Das Geld lagert außerdem nicht in der Schweiz.

Zeitungen schafften Vertrauen

Deshalb ist Westmoreland überzeugt: Lokalmedien werden gebraucht. Doch fürchtet der 39-Jährige, dass Fake-News zu einem gängigen Ausdruck werden. Niemand stimme allem immer zu, sagt der Chefredakteur und warnt doch: „Wenn es keinen glaubwürdigen Journalismus mehr gibt, weil niemand mehr irgendetwas glauben möchte, dann schadet das der Demokratie.“

Seit den Gründungstagen der USA haben Zeitungen in den Gemeinden die Identität gefördert, den sozialen Zusammenhalt und politischen Aktivismus. Sie bestimmten die Agenda für Debatten, beeinflussten politische Entscheidungen und schufen Vertrauen in Institutionen. Oftmals waren sie die wichtigste oder sogar einzige Quelle für Nachrichten aus der Heimat.

Sinkende Auflagen und Entlassungen

Sie informieren und decken Missstände vor Ort auf wie den Immobilienbetrug in der Nachbarschaft oder den Korruptionsskandal der örtlichen Verwaltung. Die englische Sprache beschreibt dies mit der schönen Wendung des „watchdog journalism“: der Journalist als Wachhund, der Demokratie und Freiheit verteidigt.

Allerdings kämpfen auch die Redaktionen in den USA mit schrumpfenden Anzeigenerlösen, sinkenden Auflagen und Entlassungen. Fast 1800 Lokalzeitungen mussten in den vergangenen 15 Jahren schließen, zeigte eine Studie der University of North Carolina.

Die Autoren warnen vor wachsenden Nachrichtenwüsten: In 171 Landkreisen erscheint heute keine Zeitung und kein anderes Lokalmedium mehr. Viele können aufgrund von Sparzwängen nicht mehr umfassend über ihr Verbreitungsgebiet berichten.

Schwieriges Verhältnis

Die Probleme in der Vergangenheit sind freilich nicht auf Trump zurückzuführen, aber: „Der Präsident hat verstärkt, was es schon seit vielen Jahren gibt“, sagt Gordon Russel, leitender Redakteur beim „Advocate“ New Orleans in Louisiana. Gemeinsam mit der Ausgabe in der Hauptstadt Baton Rouge kommt das Blatt auf eine Auflage von knapp 100 000.

Trump sei nicht der erste Republikaner mit einem schwierigen Verhältnis zur Presse. Auch George W. Bush „war kein großer Fan der Medien“, erinnert sich Russel‚ „aber er zog nicht in einen Krieg gegen die Medien“.

Russel findet Trumps Medienhetze „frustrierend“. Fakten ließen sich nicht in Zweifel ziehen, sondern lediglich verschieden interpretieren. Er nennt ein Beispiel: Louisiana lag bis vor Kurzem ganz vorne bei der Zahl an Inhaftierten pro Einwohner. Nun ließe sich darüber diskutieren, ob das Leben nun sicherer sei oder zu viele Menschen im Gefängnis sitzen, sagt Russel.

Schüsse auf Journalisten

Er hat nichts gegen unterschiedliche Argumente und Interpretationen. Die Zahl der Insassen jedoch könne jeder überprüfen und sei damit ein Fakt. Trump versuche jedoch, Maßstäbe zu verschieben, bis es am Ende „keine Fakten mehr gibt“.

Trump befeuert so eine Stimmung, die zur Gefahr für Journalisten werden könnte. So starben fünf Menschen, als im Juni ein Mann in der Stadt Annapolis in Maryland mit einer Flinte auf die Mitarbeiter einer Lokalredaktion schoss. Im August gingen beim „Boston Globe“ Morddrohungen ein, die Redaktion des TV-Senders CNN bekam Ende Oktober eine mutmaßliche Rohrbombe per Post.

Kein schneller Wandel erwartbar

Die Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen und der interamerikanischen Menschenrechtskommission warnten kürzlich: „Trumps Attacken sind strategisch, sollen das Vertrauen in die Berichterstattung untergraben und Zweifel an überprüfbaren Fakten schüren.“ Die USA hätten die Verpflichtung, die Pressefreiheit zu respektieren.

Charles L. Westmoreland von der „Columbia Daily Tribune“ erwartet deshalb nicht, dass sich in seinem Land schnell Grundlegendes ändern kann, selbst unter einem anderen Präsidenten nicht. „Ich denke, die Menschen müssen wieder beginnen zu lernen, zivilisiert miteinander umzugehen.“ Journalismus sei heute wichtiger als je zuvor, sagt Westmoreland. „Es gibt so viele Informationen, man kann alles mit ein paar Tastaturanschlägen finden. Aber die Frage ist, ob man dem auch ohne Weiteres glauben kann.“

Chefredakteure bleiben optimistisch

Journalisten hätten zu oft versucht, als Erster eine Information zu haben, meint der Chefredakteur. Für ihn sei es nicht mehr wichtig, der Erste zu sein. Er will die beste Geschichte haben — die richtigen Fakten inklusive. Und wenn ein Journalist Westmoreland nach dem Sinn seiner Arbeit fragt, erwidert er: Der Kampf gegen Desinformationen gebe ihm „auf jeden Fall eine Bestimmung“.

Art Cullen, der Chef der „Storm Lake Times“, spricht von einer, „goldenen Stunde für den Journalismus“. Es mache ihm Mut, dass nirgendwo auf der Welt die Pressefreiheit so stark in die Verfassung geschrieben sei wie in den USA, sagt er. „Das macht mir Hoffnung, dass wir diese Regierung überleben.“

Umfragen machen Mut

Jüngste Umfragen geben den Chefs der Lokalzeitungen recht. 73 Prozent der Amerikaner, unabhängig von ihren politischen Präferenzen, halten Lokalblätter für vertrauenswürdig. Das belegt eine Studie des renommierten Poynter-Instituts. Das Ergebnis lasse darauf schließen, dass „die Versuche des Präsidenten, die Medien zu diskreditieren, weniger Wirkung haben“, schreibt die Forschungseinrichtung aus Florida.

Zum Vergleich: In Deutschland liegt das Vertrauen in die Lokalzeitung laut einer PWC-Studie bei 67 Prozent.