Präsident Donald Trump sieht die Briefwahl weiter kritisch und macht daher einen fragwürdigen Vorschlag. Foto: AP/Andrew Harnik

Zwei Monate vor der Wahl in den USA zieht Präsident Trump weiter gegen die Briefwahl ins Feld - nun auch mit einem fragwürdigen Vorstoß. Trump-Herausforderer Biden reist nach Kenosha, um dort einen Kontrapunkt zum Besuch des Präsidenten zu setzen.

Washington - US-Präsident Donald Trump hat Briefwähler bei der Wahl im November zum Versuch einer doppelten Stimmabgabe und damit zu einer potenziell illegalen Handlung ermutigt. Nach US-Bundesrecht kann die Abgabe von mehr als einer Stimme bei einer Präsidentschafts- oder Kongresswahl eine Geldstrafe von bis zu 10 000 Dollar (8450 Euro) und/oder Haft von bis zu fünf Jahren nach sich ziehen. Trump sagte dem lokalen Sender WECT am Mittwoch (Ortszeit) bei einem Besuch in Wilmington im Bundesstaat North Carolina, Briefwähler sollten am Wahltag im Wahllokal erneut versuchen zu wählen. Sollte das Briefwahl-System so gut funktionieren, wie von dessen Befürwortern angegeben, „dann werden sie nicht in der Lage dazu sein“.

Trump wollte mit seinem Vorstoß auf das angebliche Betrugspotenzial bei der Briefwahl hinweisen, gegen die er seit Wochen Sturm läuft. Sollte es Briefwählern möglich sein, am Wahltag erneut persönlich abzustimmen, hätte er einen Beleg für seine These, dass das Briefwahl-System nicht ausreichend vor Betrug geschützt sei.

Widerstand gegen Briefwahl von Trump

Die Demokraten um den Präsidentschaftskandidaten Joe Biden fordern angesichts der Corona-Pandemie, eine Briefwahl möglichst vielen Amerikanern möglich zu machen. Aus ihrer Sicht geht es darum, das Infektionsrisiko am Wahltag zu senken. Der Widerstand des Amtsinhabers dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass er im Fall von zusätzlichen Briefwählern einen Nachteil für sich befürchtet. Nach einer Umfrage des Instituts Pew aus der vergangenen Woche würden 58 Prozent der Wähler, die für Biden stimmen wollen, Briefwahl bevorzugen. Das gilt demnach nur für 19 Prozent der Wähler, die ihre Stimme Trump geben wollen.

US-Justizminister William Barr sagte dem Sender CNN zu Trumps Aussage: „Mir scheint es, dass er darauf hinweisen möchte, dass die Möglichkeiten, das System zu überwachen, nicht gut sind. Und dass man erwischt würde, wenn man ein zweites Mal abstimmen wollte, wenn es gut funktionieren würde.“

Experten widersprechen Trumps wiederholter Behauptung, wonach Briefwahl Betrug Vorschub leistet. Trump hat dafür selber keine Belege präsentiert. Barr räumte ein, Trumps Warnungen basierten lediglich auf „Logik“. Er habe keine Erkenntnisse, die auf Betrugspläne hinwiesen.

Trump legte unterdessen den Grundstein dafür, von Demokraten regierten „anarchistischen“ Städten den Geldhahn aus Washington zuzudrehen. Der Präsident wies Barr am Mittwoch in einem Memorandum an, binnen 14 Tagen eine Liste von Städten und Bundesstaaten aufzustellen, die „Anarchie, Gewalt und Zerstörung“ zulassen. Spätestens in 30 Tagen sollen dann Empfehlungen vorliegen, wie weit Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt an sie gestoppt werden können. Für die Regionen geht es um Milliarden Dollar.

Trump macht Gewalt zum zentralen Wahlkampfthema

Trump erwähnte in seinem Memorandum speziell Seattle, Portland, die Hauptstadt Washington sowie New York - alles demokratisch regierte Städte. In Washington hatte es Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt gegeben, die zum Teil in Ausschreitungen umschlugen. In Seattle hatten Demonstranten im Juni für mehrere Woche eine „Autonome Zone“, die die Polizei verließ. In Portland dauern Demonstrationen seit rund drei Monaten an. Auslöser der Proteste war vor allem der Tod des Afroamerikaners George Floyd durch Polizeigewalt. Im Fall von New York beruft sich Trump auf einen Anstieg der Kriminalität, den er auf eine Kürzung der Finanzierung der Polizei zurückführt.

Trump hat Gewalt am Rande von Protesten – speziell in von Demokraten regierten Städten – zu einem zentralen Thema in seinem Wahlkampf gemacht. Das Leitmotiv ist, dass bei einem Sieg Bidens niemand mehr in Amerika sicher sein werde. Trump verspricht den Bürgern dagegen „Recht und Ordnung“. Zugleich weigert sich der Präsident, Gewalt durch seine Anhänger zu verurteilen.

Nach dem umstrittenen Besuch Trumps in Kenosha wollte am Donnerstagnachmittag (Ortszeit) auch Biden in die von Unruhen bei Protesten gegen Rassismus erschütterte Stadt im Bundesstaat Wisconsin reisen. „Mein Ziel wird sein, einen positiven Einfluss auf das Geschehen zu haben“, sagte Biden vor dem Besuch. „Wir müssen heilen.“

Trump reiste nach Kenosha

Die Proteste in Kenosha waren von Schüssen in den Rücken den Afroamerikaners Jacob Blake (29) bei einem Polizeieinsatz ausgelöst worden. Trump hatte sich dort am Dienstag mit Vertretern von Sicherheitsbehörden sowie Unternehmern getroffen, die von den Krawallen betroffen waren. Ein Treffen mit der Familie Blakes, der die Schüsse schwer verletzt überlebte, gab es nicht. Biden werde sich hingegen mit Blakes Familienmitgliedern treffen, sagte eine Sprecherin seines Wahlkampfteams dem Sender CNN.

Biden sagte vor der Reise, der Polizist, der auf Blake schoss, sollte seiner Ansicht nach angeklagt werden - auch wenn letztlich die Ermittlungen ihren Weg gehen müssten. Barr kritisierte daraufhin in dem CNN-Interview, es sei „unangemessen“, sich dafür auszusprechen, bevor die Untersuchungen abgeschlossen seien. Der Justizminister sagte zugleich, Blake sei dabei gewesen, ein Verbrechen zu begehen, und sei bewaffnet gewesen. Details nannte Barr nicht.

Trump war am Dienstag nach Kenosha gereist, obwohl sich der Bürgermeister der Stadt und der Gouverneur des Bundesstaates Wisconsin, die beide der Demokratischen Partei angehören, gegen einen Besuch des Republikaners ausgesprochen hatten. Bürgermeister John Antaramian hatte ursprünglich auch Biden aufgerufen, mit einer Reise zu warten, nahm dies aber nach Trumps Besuch wieder zurück.

Auf Fernsehbildern von Trumps Treffen in der Stadt waren weder der Bürgermeister noch Gouverneur Tony Evers zu sehen - dafür aber Polizeichef Daniel Miskinis und Sheriff David Beth, die dem Präsidenten für dessen Unterstützung dankten. Trump hatte Sicherheitskräfte der Bundesregierung nach Kenosha entsandt, nachdem der Gouverneur bereits die Nationalgarde aktiviert hatte.