Schon vor der Wahl war die Abneigung deutlich erkennbar: US-Präsident Donald Trump (links) und Amazon-Chef Jeff Bezos (rechts). Das Bild entstand 2017 bei einem US-Technologietreffen; in der Mitte sitzt Microsoft-Chef Satya Nadella. Foto: AFP

Bei seinen Attacken auf den Internethandelskonzern Amazon operiert US-Präsident Donald Trump durchaus mit fragwürdigen Behauptungen. Sein eigentliches Ziel dürfte allerdings die „Washington Post“ sein.

Washington - Aus seiner Abneigung gegen Donald Trump hat Jeff Bezos, der Chef des Handelsriesen Amazon, nie einen Hehl gemacht. „Ich besitze ein Raumfahrtunternehmen“, scherzte der reichste Mann der Welt vor den US-Wahlen: „Ich könnte ihn ins All schicken.“ Doch Trump landete im Weißen Haus und lebt nun umgekehrt seine Aversion gegen den glatzköpfigen Milliardär und dessen Konzern aus. Mehr als ein Dutzend Mal hat er Amazon bei Twitter angegriffen, und in privaten Gesprächen macht er nach amerikanischen Medienberichten ziemlich deutlich, dass er den Online-Versender für gefährlicher als Facebook hält.

Kurz vor Ostern ist es nun wieder so weit. „Sie zahlen wenig oder gar keine Steuern an Bundesstaaten und Kommunen, sie benutzen unser Postsystem als ihren Botenjungen (. . .) und sie drängen Tausende Einzelhändler aus dem Geschäft“, holte der US-Präsident am Donnerstag zum Rundumschlag gegen eines der größten Unternehmen seines Landes aus, das weltweit etwa eine halbe Million Menschen beschäftigt. An der Börse ging der zuletzt stetig steigende Kurs der Amazon-Aktie, der Bezos zum reichsten Mann der Welt gemacht hat, auf Talfahrt. Die Papiere erholten sich jedoch wieder, nachdem eine Regierungssprecherin versichert hatte, man plane derzeit keine Eingriffe.

Klagen hinter verschlossenen Türen

Offenbar beklagt sich Trump hinter verschlossenen Türen immer wieder über Amazon – meist allerdings in Zusammenhang mit kritischen Artikeln der „Washington Post“, die seinen Adrenalinspiegel steigen lassen. Bezos hatte 2013 die Zeitung gekauft, die neben der „New York Times“ zu den verlässlichsten Chronisten des Chaos im Weißen Haus gehört. Trumps Kampagnenmanager Brad Parscale stellte in einem Tweet eine direkte Verbindung zu dem ungeliebten Blatt her: „Man darf nicht vergessen, dass Amazon wahrscheinlich zehnmal so viel Daten über jeden Amerikaner wie Facebook besitzt. Und sie besitzen eine politische Tageszeitung, die ,Washington Post‘. Hmm . . .“

Trump hat die „Washington Post“ immer wieder als „Lügenpresse“ angegriffen und sie im Dezember 2015 als „Steuerschlupfloch“ bezeichnet, mit dem Bezos Geld spare. Man darf also unterstellen, dass Trump, der selbst jede Möglichkeit nutzt, Steuern zu sparen, nicht zuletzt aus politischen Gründen auf Bezos einprügelt.

In der Sache sind die Vorwürfe – wie oft bei Trump – teilweise zutreffend, teilweise verkürzt und teilweise falsch. Unbestreitbar ist, dass der Siegeszug des Online-Versands dem Einzelhandel in den Vereinigten Staaten mächtig zusetzt. Allerdings ist unklar, ob dies durch ein Kartellverfahren, wie es offenbar diskutiert wird, wirksam verhindert werden könnte. Auch wäre die Anweisung eines solchen Verfahrens durch den Präsidenten ein beispielloser Vorgang. Nicht auf dem neuesten Stand ist der Vorwurf, Amazon zahle in den USA praktisch keine Steuern. Auch in Deutschland wird dem Konzern vorgeworfen, dass er den Umsatzsteuerbetrug auf seiner Plattform nicht entschieden bekämpft.

Amazon und die Steuersenkung

Allerdings erhebt Amazon seit April vergangenes Jahr in allen US-Bundesstaaten die Umsatzsteuer. Außerdem hat das Unternehmen im vergangenen Jahr nach eigenen Angaben 957 Millionen Dollar (umgerechnet 777 Millionen Euro) Einkommensteuer an die unterschiedlichen staatlichen Ebenen gezahlt. Dass Amazon dem Bund keine Steuern schuldet, liegt nicht zuletzt an Trumps radikaler Steuersenkung. Schlicht falsch ist der Vorwurf des US-Präsidenten, Amazon nutze die amerikanische Post aus und beschere ihr riesige Verluste. Tatsächlich rühren die Defizite des Unternehmens aus dem dramatisch rückläufigen Briefgeschäft. Der wachsende Paketversand kompensiert dagegen zum Teil die Umsatzeinbußen.