Donald Trump ätzt gerne gegen Deutschland. Foto: AFP

Deutschland zählt zu den Lieblingszielen Trumpscher Verbalattacken. An die Beschimpfungen hat man sich in der Bundesregierung längst gewöhnt. Jetzt scheint der US-Präsident aber ernst zu machen. Bestrafen statt beschimpfen - ist das seine neue Strategie?

Berlin/Washington - An diesem Wochenende sollen sie wieder über Berlin fliegen, die „Rosinenbomber“. Eine Flugschau mit Oldtimern des Typs Douglas DC-3 soll an die Luftbrücke vor ziemlich genau 70 Jahren erinnern. Damals versorgten die Bomber fast ein Jahr lang die von der Sowjetunion blockierten Westsektoren Berlins mit Lebensmitteln, Kohle und anderen lebenswichtigen Gütern. „Rosinenbomber“ wurden sie genannt, weil sie auch Schokolade für die Kinder im ausgebombten Berlin abwarfen.

Die Luftbrücke gilt bis heute als Geburtsstunde der deutsch-amerikanischen Freundschaft nach Jahren des Krieges. Und sie gilt als Symbol für ein besonderes Verhältnis, dass die Menschen in Westdeutschland zu den US-Truppen entwickelt haben.

Ausgerechnet zum Jubiläum hat US-Präsident Donald Trump beim Besuch des polnischen Präsidenten Andrzey Duda in Washington erstmals öffentlich eine Reduzierung der US-Truppen in Deutschland ins Spiel gebracht. Und er verband die Ankündigung ausdrücklich mit erneut scharfer Kritik an der Höhe der Verteidigungsausgaben der Bundesrepublik. „Deutschland steht bei einem Prozent, sie sollten bei zwei Prozent (des Bruttoinlandsprodukts) sein“, sagte er.

Trump droht mit Sanktionen

Ist das nun als Drohung mit einer Strafe für ein Verhalten zu verstehen, das Trump seit mehr als zwei Jahren verärgert? Es sieht zumindest so aus, als wenn der US-Präsident den Druck auf Deutschland nicht mehr auf die üblichen Schimpftiraden beschränken will, an die sich die Bundesregierung längst gewöhnt hat.

Denn auch bei einem anderen Thema wurde Trump bei der Pressekonferenz im Rosengarten des Weißen Hauses so deutlich wie noch nie. Er drohte erstmals selbst mit Sanktionen gegen die deutsch-russische Ostseepipeline Nord Stream 2: „Das ist etwas, das wir uns anschauen und worüber ich nachdenke.“ Bisher war diese Drohung dem US-Botschafter in Berlin, Richard Grenell, vorbehalten.

Noch sind es alles nur Worte aus dem Munde des Lautsprechers Trump. Der US-Präsident hat bisher eine gemischte Bilanz, was das Wahrmachen seiner Drohungen angeht. Die Grenze zu Mexiko hat er entgegen seiner Ankündigung ebenso wenig geschlossen, wie er über Nordkorea „Feuer und Zorn“ hat kommen lassen. Dafür hat er bei anderen wichtigen außenpolitischen Themen durchaus ernst gemacht, etwa beim Austritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen, beim Rückzug aus dem Atomdeal mit dem Iran oder bei der Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem.

35 000 US-Soldaten in Deutschland

Beim Thema Nordstream 2 könnte es nun tatsächlich zu Sanktionen kommen, die Deutschland praktisch direkt treffen könnten. Deutsche Diplomaten befürchten das seit langem. Denn: Trump ist nicht der einzige in den USA, der massiv gegen das Projekt ist.

Beide Parteien im Kongress sind sich einig, dass die Pipeline US-Interessen widerspricht. Ein gemeinsamer Gesetzentwurf des Republikaners Ted Cruz und der Demokratin Jeanne Shaheen hat gute Chancen, sehr weit zu kommen. Er sieht unter anderem Sanktionen gegen hochspezialisierte Bauschiffe vor, die Rohrleitungen unter Wasser verlegen können.

Mit der Verlegung von Soldaten könnte es nun ebenfalls erstmals in der seit zwei Jahren schwelenden Diskussion um Deutschlands Nato-Beitrag zu konkreten Maßnahmen kommen. Allerdings: Wenn Trump seinen politischen Freunden in Polen den Rücken stärken will, hat er kaum eine andere Chance, als Truppen aus Deutschland zu verlegen. Um Russland nicht allzu sehr zu provozieren und nicht gegen die Nato-Russland-Gründungsakte zu verstoßen, kann er keine neuen Soldaten nach Mitteleuropa schicken, sondern muss Verlegungen aus dem bestehenden Kontingent vornehmen.

Und Deutschland ist nun mal das Land, in dem die meisten US-Truppen in Europa stationiert sind: Insgesamt sind es 35 000 Soldaten. Die Kommandozentralen für die US-Truppen in Europa und Afrika sind in Stuttgart, der wichtigste Luftwaffenstützpunkt der USA im rheinland-pfälzischen Ramstein und einer der größten Truppenübungsplätze Europas im bayerischen Grafenwöhr. 17 000 amerikanische und 12 000 deutsche Zivilisten werden von den US-Truppen beschäftigt. Zehntausende weitere Arbeitsplätze hängen an ihrer Präsenz.

„Aufmerksam verfolgen“

Gerüchte über eine Truppenreduzierung aus Verärgerung über die deutschen Militärausgaben gibt es schon länger, bisher wurden sie aber stets dementiert. Botschafter Grenell kündigte im September sogar eine Aufstockung um 1500 Soldaten an - die aber noch nicht umgesetzt ist. Bei der Truppenverlagerung nach Polen soll es zunächst um 1000 Soldaten gehen. Das wäre im Vergleich zur gesamten Truppenstärke in Deutschland zwar nicht viel. Es gibt aber Befürchtungen, dass das nur der Anfang sein könnte.

Die Bundesregierung reagierte am Donnerstag so, wie sie immer auf die Verbalattacken Trumps reagiert: mit demonstrativer Gelassenheit. „Nichts davon ist neu“, sagte Außenminister Heiko Maas in Berlin. Die Haltung der USA zu Nord Stream 2 sei bekannt und Washington kenne auch die Haltung Deutschlands. Und zur Truppenverlegung: Man werde das „aufmerksam verfolgen“.

Das wird übrigens auch Moskau tun. Vizeaußenminister Sergej Rjabkow sagte am Donnerstag, damit werde die militärische Spannung in Europa angefacht - besonders an der Ostflanke der Nato. Das Programm trage einen „destabilisierenden und eskalierenden Charakter“. Moskau sieht darin auch einen Schlag gegen die Russland-Nato-Grundakte von 1997. Darin habe die Allianz darauf verzichtet, auf dem Gebiet neuer Nato-Mitgliedsstaaten dauerhaft weitere bedeutende Streitkräfte zu stationieren, teilte das russische Außenministerium mit. Solche Handlungen würden deshalb eines der letzten verbliebenen Dokumente für die militärische Stabilität in Europa sprengen.