Immer souverän: Domian im Jahr 2015 im Radiostudio Foto: picture alliance/dpa/Henning Kaiser

Der Zuhörexperte Domian kehrt zurück. Diesmal spricht er live vor Publikum und Kamera mit seinen Gästen. Kann das so gut funktionieren wie die legendären Bekenntnisabende im Radio?

Stuttgart - Der Nachtarbeit habe er keine Sekunde nachgeweint, sagt Jürgen Domian, „aber mir fehlten diese intensiven Gespräche mit unterschiedlichen Menschen“. Nun wird es fast so sein wie früher, wenn der 61-Jährige nach drei Jahren als Nacht-Talker am 8. November auf den Bildschirm zurückkehrt. Geplant sind vorerst vier einstündige Live-Sendungen im WDR Fernsehen, jeweils freitags ab 23.30 Uhr. Wieder wird er sich spontan auf unbekannte Gäste einlassen müssen. Wieder stehen Psychologen im Hintergrund zur Verfügung, einige Mitarbeiter aus dem Redaktionsteam des 1-Live-Talks „Domian“, der 21 Jahre lang bis zum Dezember 2016 produziert worden war, sind erneut mit von der Partie. Das sei „die billigste Sendung der ARD“ gewesen, und er habe all die Jahre nicht verstanden, warum kein anderer Sender Ähnliches versucht habe, sagt Domian. Nun macht es der Meister halt wieder selbst.

Aber es wird auch ein bisschen anders werden, denn seine Gespräche wird er nun vor Publikum führen. 100 Gäste sollen Platz finden in der Kantine der WDR-Arkaden mitten in der Kölner Innenstadt, wo ein wenig urbane Atmosphäre durch die großen Glasfenster hereinströmen kann. Die spannende Frage wird sein, welchen Einfluss das auf seine Gäste und Gespräche haben wird. Denn in einer solchen Situation ist die Hemmschwelle sicher größer, über persönliche Probleme oder abseitige Vorlieben zu reden, als anonym per Telefon. Und wie wird das Publikum im Saal auf Gäste mit extremen Ansichten und außergewöhnlichen sexuellen Praktiken reagieren?

Erst schmunzeln, dann jubeln

Jürgen Domian ist da optimistisch. Er sei sicher, dass 85 Prozent derjenigen, die in seiner ehemaligen Sendung angerufen haben, auch vor Live-Publikum im Fernsehen aufgetreten wären. Außerdem hat er seine Erfahrungen: Mit Atze Schröder tourte er vor Jahren mit einer Talk-Reihe durchs Ruhrgebiet. Damals seien ein verurteilter Mörder und eine Musiklehrerin, die in ihren Laptop verliebt war, auf die Bühne gekommen. Mucksmäuschenstill sei es gewesen, als der Mann offen über seine Schuldgefühle sprach, und über die Frau sei erst geschmunzelt, dann sei sie bejubelt worden. „Die Menschen im Publikum sollen so sein, wie sie sind. Das wird schon gehen“, sagt Domian.

„Bewerben können sich alle, die eine interessante, emotionale oder lustige Geschichte zu erzählen haben“, lautet die Aufforderung des WDR. Einschränkungen gibt es keine – fast keine. Manche Menschen müssten vor sich selbst geschützt werden, sagt Jürgen Domian. In seinem früheren Nachttalk hatten auch Pädophile angerufen, die unter ihrer Neigung litten. Auch wenn sie sich noch nichts zuschulden kommen ließen, dürften sie nicht in seiner Fernsehsendung auftreten. „Ich möchte nicht wissen, was los ist, wenn sie am nächsten Tag durch ihre Stadt laufen“, sagt Domian.

Aufgeregtere Zeiten

Im übrigen hat er nach wie vor keine Berührungsängste, im Gegenteil. „Wir sind alle gefangen im Korsett der politischen Korrektheit“, sagt Domian und verweist darauf, dass er als Erster in seiner früheren Sendung öffentlich mit einem Pegida-Demonstranten gesprochen habe. Auch Nazis und ehemalige DDR-Grenzsoldaten, die Menschen erschossen hatten, seien Gesprächspartner gewesen. „Kann schon sein, dass die Zeiten aufgeregter sind“, sagt Domian, aber man kann ja miteinander reden. „Man kann, muss aber nicht“, schiebt er noch hinterher.

Redakteurin Elke Thommessen beteuert, es gebe keine Quoten-Vorgabe und keinen Plan, die Zuschauerzahlen durch möglichst viele Tabubrüche in der Sendung zu erhöhen. Keine Chance auf eine weitere öffentliche Bühne sollen Prominente erhalten. An der Stelle grätscht Jürgen Domian allerdings mit einer Einschränkung hinein: „Es darf aber gerne ein hoch prominenter Fußballer sein, der sich als homosexuell outet.“

Ausstrahlung: erstmals Freitag, 8. November, 23.30 Uhr