Alle Anweisungen halfen am Ende nichts: Belgiens Nationaltrainer Domenico Tedesco (re./mit Yannick Carrasco) verlor das Auftaktspiel gegen die Slowakei mit 0:1. Foto: dpa/Uwe Anspach

Das belgische Nationalteam hat seine erste Niederlage unter dem Trainer Domenico Tedesco ausgerechnet zum EM-Auftakt hinnehmen müssen. Gegen die Slowakei hieß es 0:1 – dabei ist gerade die Offensive der Roten Teufel außergewöhnlich besetzt.

So eine Autobahn bei Nacht kann ja – bei all dem Verkehrsstress, der tagsüber herrscht – etwas Beruhigendes haben. Der Weg ist vorgezeichnet, das Ziel rückt näher und näher, die Monotonie der gleichbleibenden Geschwindigkeit sorgt für Entspannung. Und so glitt am späten Montagabend auch der Bus mit der belgischen Nationalmannschaft auf der A 6 geruhsam seinem Ziel entgegen – dem EM-Basislager im Hotel Monrepos in Ludwigsburg. Drinnen im Luxusliner, davon darf man ausgehen, rauchte aber zumindest einem Mann ordentlich der Kopf.

 

Domenico Tedesco neigte direkt nach dem unerwarteten 0:1 seiner Red Devils gegen die Slowakei zwar nicht zu kurzschlussartigen Reaktionen. Vielmehr attestierte der Nationaltrainer der Belgier seinem Team eine insgesamt ordentliche Leistung: „Die Mannschaft hat alles versucht, viele Dinge haben gut funktioniert.“ Über die Frage, warum die erste Niederlage unter seiner Regie – er ist seit Frühjahr 2023 im Amt – ausgerechnet zum EM-Auftakt in Frankfurt passierte, wird der sehr analytisch denkende Coach dennoch ordentlich gegrübelt haben. Gepaart mit der Frage: Was muss besser werden, wenn sein Team am Samstagabend in Köln zum zweiten Spiel der Gruppe E gegen Rumänien antritt?

Ebenjene Rumänen hatten vor der Partie der Belgier gegen die Slowakei ja die Ukraine 3:0 besiegt, weshalb das Erwartete in dieser EM-Gruppe nach einem Spieltag irgendwie auf den Kopf gestellt worden war. Allerdings: nicht ganz zur Überraschung von Domenico Tedesco. „Wir haben immer betont, wie schwierig diese Gruppe ist“, sagte er in Frankfurt – und erklärte auf die Frage nach der nun widerlegten „normalen Ordnung“ dieses Quartetts: „Es gibt im Fußball keine normale Ordnung wie in der Physik oder der Mathematik.“

In Belgien fangen sie nun dennoch an zu rechnen. Welche Ergebnisse braucht es gegen Rumänien und die Ukraine, um das Weiterkommen noch zu erreichen? Klar ist einerseits: Verloren ist noch nichts für Tedesco und seine Roten Teufel. Andererseits gilt: Der Druck vor den restlichen beiden Partien ist nun immens. Denn zwar schossen die Erwartungen nach den Rücktritten einiger Starspieler wie Eden Hazard und dem vom deutschen Trainer angeleiteten Umbruch nicht unermesslich in die Höhe. Gespickt mit Ausnahmetalenten ist das belgische Team dennoch – und der 38-jährige Coach hat selbst betont: „Das Turnier wäre eine Enttäuschung, wenn wir in der Vorrunde ausscheiden würden.“

Die Offensive der Belgier ist außergewöhnlich besetzt

Um das zu verhindern, braucht es im belgischen Spiel vor allem mehr Effektivität. Die Sturmkante Romelu Lukako erzielte gegen die Slowaken zwar zwei Tore (die beide nach Videobeweis aberkannt wurden) und hatte noch weitere Chancen. Viele weitere Offensivaktionen waren dann aber doch nicht wirklich gut zu Ende gespielt. Mal nahm das Team zu früh die Geschwindigkeit aus dem Angriff, mal wurde zu vehement und kompliziert versucht, den Ball zum Kapitän Kevin De Bruyne zu transportieren, mal übernahm sich der hochveranlagte Jérémy Doku beim Dribbling und blieb am zweiten oder dritten Gegenspieler dann doch hängen.

Mit einem Fehlpass hinein in den eigenen Strafraum hatte ebenjener Jérémy Doku die frühe Führung der Slowaken ermöglicht. „Das tut weh – ihm, mir und der ganzen Mannschaft“, sagte Tedesco, wollte aber nicht „mit dem Finger auf einen Einzelnen zeigen“. Vielmehr sieht auch der Coach den Schlüssel in der Offensivleistung. Schließlich scheinen dort die Möglichkeiten der Belgier auch immens.

Lukaku (31/AS Rom) bringt die Wucht ins Spiel, Doku (22/Manchester City) die Finesse, dahinter führt Superstar Kevin De Bruyne (32/Manchester City) Regie. Und rund um dieses Ausnahmetrio gibt es noch Leandro Trossard (29) vom FC Arsenal, den Bundesliga-Torjäger Lois Openda (24/RB Leipzig), das Toptalent Johan Bakayoko (21/PSV Eindhoven), den Europa-League-Sieger Charles de Ketelaere (23/Atalanta Bergamo) und den Ex-Herthaner Dodi Lukebakio (26), der zuletzt beim FC Sevilla aufgeblüht ist.

„Normalerweise verlieren wir dieses Spiel nicht“, sagte Domenico Tedesco gerade mit Blick auf die Möglichkeiten, die seine Abteilung Angriff kreiert hatte. Das „normalerweise“ wiederholte er dann mit nachdenklichem Blick. Denn es war ja dennoch passiert. Soll sich aber nicht wiederholen.

Am kommenden Samstag geht Domenico Tedesco mit seinen Roten Teufeln wieder auf die Reise – auf der Rückfahrt aus Köln sollen die Gedanken dann aber andere sein als am späten Montagabend auf der A 6.