Kai Wiesinger spielt Christian Wulff, Anja Kling dessen Frau Bettina. Am Montagabend feierte das Dokudrama "Der Rücktritt" Premiere in Berlin. Foto: dpa

Es war eine Affäre wie kaum eine zweite in der Geschichte der Republik. Christian Wullfs letzte 68 Tage im Schloss Bellvue kommen jetzt ins Fernsehen. Kai Wiesinger spielt den Ex-Bundespräsidenten, Anja Kling seine Frau.

Es war eine Affäre wie kaum eine zweite in der Geschichte der Republik. Christian Wullfs letzte 68 Tage im Schloss Bellvue kommen jetzt ins Fernsehen. Kai Wiesinger spielt den Ex-Bundespräsidenten, Anja Kling seine Frau.

Berlin - Ein Doku-Drama ist kein Spielfilm. Der Rücktritt Christian Wulffs vom Amt des Bundespräsidenten ist keine Fiktion, sondern war Realität. Er hat - vor genau zwei Jahren - die Republik erschüttert, Fragen aufgeworfen, die längst nicht beantwortet sind, von denen manche immer noch die Gerichte beschäftigen. War der heute 54-jährige Wulff Opfer einer Medienkampagne oder doch eher Täter, weil er viele Fehler gemacht und deren Tragweite massiv unterschätzt hat?

Der TV-Film „Der Rücktritt“ mischt überzeugend Realität - zahlreiche Doku-Einsprengsel aus Nachrichten und Fernseh-Beiträgen - und Fiktion: der Blick hinter die Kulissen. So könnte es gewesen sein. Nach der Premiere am Montagabend im Berliner Kino International kommt „Der Rücktritt“ am 25. Februar ins Fernsehen (Sat.1, 20.15 Uhr).

Kai Wiesinger (47) und Anja Kling (43) sind Christian und Bettina Wulff. Es geht um die letzten 68 Tage der beiden als Präsident und First Lady. Den Startschuss gibt der Bericht über Wulffs Hauskredit bei der Unternehmergattin Edith Geerkens. Die „Bild“ hat es herausgefunden, und weitgehend folgt der Film dem Buch der „Bild“-Journalisten Martin Heidemanns und Nikolaus Harbusch - im Film Thorsten Merten und Christian Ahlers.

ARD und ZDF winkten ab

Produzent Nico Hofmann („Unsere Mütter, unsere Väter“) würdigte vor dem Premierenpublikum deren Recherche: „Ohne diese Faktengenauigkeit wäre der Film nicht möglich gewesen“, sagte er. Und Sat.1-Fiction-Chef Joachim Ketschau erinnerte daran, dass ARD und ZDF das Projekt nicht haben wollten. „Ich danke den Öffentlich-Rechtlichen.“

Immer wieder wechseln Dokumentarszenen und Spielsequenzen ab. Regisseur Thomas Schadt nannte den Film ein „Eingeschlossenen-Drama“. Sein Rezept: „Nicht zu viel Gefühle, sondern kritische Distanz“. Er wollte erzählen, was damals in den entscheidenden Tagen im Schloss Bellevue passiert ist.

Die Wulffs wollten nicht mitarbeiten

Auf Informationen von Christian und Bettina Wulff musste er dafür verzichten. Die beiden lehnten eine Mitarbeit ab. Die Rechte an Bettina Wulffs Erinnerungen hätte Schadt auch gerne verwertet, sie waren aber nicht erhältlich.

Eine entscheidende Szene war natürlich der Anruf Wulffs auf die Mailbox von „Bild“-Chefredakteur Kai Diekmann (Hans-Jochen Wagner). Er bittet um Aufschub der Berichterstattung und droht: Es werde Krieg geben. Klar, wenn es den einen großen Fehler Wulffs gegeben hat, dann war es dieser Anruf. Partei ergreift der Film aber nicht. Er wollte der Figur Wulff gerecht werden, sagt Hauptdarsteller Wiesinger. „Das kann nur funktionieren, wenn man das ohne jede Bewertung macht.“

Wulffs Sprecher Olaf Glaeseker, gespielt von Holger Kunkel, hat eine Schlüsselrolle. Er ist Freund, Vertrauter, Strippenzieher. Und er hat den Durchblick, den andere nicht haben: „Hier geht es ums Überleben, merkt ihr das denn nicht?“ fragt er.

"Jetzt kann uns nur noch Diekmann selbst helfen"

Je länger die Affäre um den Kredit schwelt, umso deutlicher werden die Spannungen zwischen Wulff und Glaeseker. Als der Sprecher selbst ins Visier der Ermittler gerät, muss er gehen. Glaeseker sagt vorher den Satz: „Jetzt kann uns nur noch Diekmann selbst helfen.“ Als er aber hört, dass Wulff dem „Bild“-Chef aufgebracht auf die Mailbox gesprochen hat, ist er fassungslos. Diekmann speichert den Anruf für alle Zeiten.

Das Unheil nimmt seinen Lauf, untermalt von düsterer Musik, Böses andeutend. Und es kommt zum ersten Ehekrach. Bettina Wulff leidet unter dem Druck, sie will ihre Freiheit wieder, weg aus dem Schloss Bellevue. Doch es wird - bekanntermaßen - noch schlimmer. Anja Kling ist glaubwürdig als Leidende, die nicht nur das Schicksal ihres Gatten im Auge hat, sondern immer auch das eigene. Hilflos dagegen Christian Wulff, Wiesinger gibt ihn passiv, desorientiert, unentschlossen. Der Mann ist überfordert, sogar zu feige, Glaeseker selbst über seinen Rausschmiss zu informieren.

"Das Stahlgewitter ist so gut wie überstanden"

Depression macht sich breit im Schloss Bellevue. Die Erklärung kurz vor Weihnachten ist ebenso wenig ein Befreiungsschlag wie das TV-Interview im neuen Jahr. Rücktrittsforderungen werden immer lauter, in einer starken Szene lassen auch die Mitarbeiter im Präsidialamt ihre Distanz spüren. Wulff flüchtet sich in Durchhalteparolen. „Das Stahlgewitter ist so gut wie überstanden.“

Ist es nicht. Gerade als der Hauskredit fast vergessen ist und die Mailbox kaum mehr eine Rolle spielt, betritt David Groenewold die Szene. Berichte über einen kostenlosen Urlaub mit dem Filmproduzenten auf Sylt brechen Wulff am Ende das Genick. Davor noch eine Schlüsselszene: die letzte Reise als Präsident nach Italien. „Treten Sie nur aus Angst vor Mittellosigkeit nicht zurück?“ wird er gefragt. So ungefähr war es.

Drei Tage später beantragt die Staatsanwaltschaft die Aufhebung der Immunität. Am 17. Februar tritt Wulff zurück. Das ist das Ende - auch des Films, einer Produktion von UFA Fiction. Der tiefe Absturz Wulffs nach dem Rücktritt, die Trennung von Bettina, schließlich sein entschlossener Kampf um Freispruch vor Gericht und seine mögliche Rehabilitierung - das alles ist nicht mehr Thema.

Produzent Nico Hofmann hat diesmal, im Gegensatz zu seinem Von-und-zu-Guttenberg-Stück „Der Minister“ keine Satire abgeliefert, sondern eben ein Doku-Drama. Zu Lachen gibt es da nicht viel, zum Nachdenken schon. Der vielgelobte „Minister“ brachte es übrigens auf 4,44 Millionen Zuschauer, quotenmäßig kein Riesenerfolg.