Mit Handykameras haben die Emos Marco, Mandy und Kevin aus Erfurt ihre Welt festgehalten Foto: ZDF/Axel Berger

Autorin Andrea Jajeh hat junge Leute ihre Welt filmen lassen - sie will Vorurteile ausräumen.

Stuttgart - Freundschaft, Liebe, Ärger mit den Eltern, Zukunftspläne: "Meine Welt" gibt authentische Einblicke in die Welt dreier unterschiedlicher Jugendcliquen in Erfurt, Dortmund und München - weil die Autorin Andrea Jajeh die Jugendlichen ihr Leben per Handykamera selbst dokumentieren lässt.

Frau Jajeh, was sind Emos?

Jugendliche, die bunt angezogen sind, Tokio Hotel hören und krawallbereit aussehen, so dass man lieber die Straßenseite wechselt. Das waren zumindest die Vorurteile, die ich vor meinem Film im Kopf hatte, so wie viele andere vielleicht auch.

Und jetzt?

Jetzt weiß ich, dass hinter dieser Jugendkultur sehr friedliche und nette Menschen stecken, die nicht auf andere losgehen, sondern oft selbst gemobbt werden.

Es ging Ihnen bei der Dokumentation also darum, Vorurteile abzubauen?

In den Medien werden Jugendliche heute oft sehr negativ dargestellt, als randalierende Schulabbrecher oder harte Fälle in TV-Erziehungscamps. Dieses falsche Bild wollte ich korrigieren. Es sind eben nicht alle jungen Leute aggressiv.

Wenn Erwachsene Filme über Jugendliche machen, geht das oft schief, weil die Distanz zu groß ist. Sie sind selbst erst 27. Ein Vorteil?

Egal in welchem Alter, es kommt darauf an, wie man arbeitet. Ich habe mir kein Buch mit dem Titel "Was ist ein Emo?" gekauft, ich habe einfach sehr viel Zeit mit den Jugendlichen verbracht, um ein wenig in ihre Welt einzutauchen. Uns war von Anfang an klar, dass sich vor einem Kamerateam niemand so benimmt, wie er wirklich ist.

Deswegen haben die drei Jugendcliquen Handykameras bekommen?

Ja. Für Videoportale wie You Tube drehen Jugendliche auch Filme über ihr Leben, sie kennen das Medium. Auch für die Dokumentation haben sie selbst gezeigt und erzählt, wie ihre Welt aussieht. Ergänzt wurden diese Handykamera-Ausschnitte durch vertiefende Interviews mit den Jugendlichen.

Dabei kommen auch Sätze heraus wie: "Ich schlage immer, bis ich Blut sehe" und "Wir klauen aus Langeweile". Das Selbstbild der Jugendlichen ist nicht unbedingt positiv.

Manchmal war ich selbst schockiert von den Ergebnissen. Gerade die russische Mädchenclique verwendet eine harte Sprache. Aber sie lebt auch in einem Umfeld, in dem sich ein nettes kleines Mädchen nicht unbedingt durchsetzen könnte. Toughsein ist da eine Art Schutschild. Auch darum geht es in der Dokumentation: zu zeigen, warum die Jugendlichen so sind, wie sie sind. Und dass sie mit ihrem Verhalten oft Hilfe rufen. Bewusst haben wir ganz verschiedene Jugendliche ausgewählt. Die Gruppe aus München etwa hatte deutlich weniger Schul- und Alltagsprobleme als die russischen Mädchen und ein sehr gutes Verhältnis zu ihren Eltern.

Was nicht bei allen der Fall war. "Erwachsene haben gar keine Ahnung, was wir so machen" sagt eines der Mädchen. Inwiefern soll die Dokumentation auch aufklären?

Viele Erwachsene wissen heute nicht mehr, was ihre Kinder so treiben. Sie denken, die gehen mit 14 noch Eis essen, dabei trinken sie Alkohol. Der Film soll ein Anstoß für Eltern sein, sich mehr mit der Welt ihrer Kinder zu beschäftigen.

Ist man nach monatelanger Arbeit mit Teenagern eher froh oder neidisch, dass diese Zeit für einen selbst vorbei ist?

Statt selbst nochmals Teenie sein zu wollen, hätte ich die Jugendlichen nach den Dreharbeiten am liebsten adoptiert. Wir haben immer noch einen sehr engen Kontakt. Ich bin also, glaube ich, eher in die Mutterrolle geschlüpft als zurück in die Jugendzeit.

ZDF neo, Freitag, 22 Uhr