Sarah Voss aus Deutschland turnt am Schwebebalken bei der EM 2021 in Basel in einem Ganzkörperanzug und setzt ein Zeichen für Freiheit in Sachen Sportbekleidung und gegen die Sexualisierung in ihrer Sportart. Foto: dpa/Georgios Kefalas

Wie steht es um die Gleichberechtigung in Sachen Sport? Dieser Frage geht die sehenswerte Doku „Frauen im Muskelfieber“ nach und zeigt, wie viel Sexismus und Ungleichbehandlung heute noch in dieser Lebenswelt stecken.

Athletinnen erwecken häufig nicht das Interesse der Öffentlichkeit – oder nicht nur aufgrund ihrer sportlichen Leistungen, sondern aufgrund ihrer Erscheinung. Die deutschen Turnerinnen etwa traten als einziges Team in Ganzkörperanzügen bei den letzten Olympischen Spielen an. Die norwegischen Beachhandballerinnen kassierten Bußgelder, weil sie sich bei der vergangenen EM nicht in den vorgeschriebenen knappen Bikinihöschen präsentierten, sondern in etwas längeren, engen Shorts zum Bikinioberteil. Zum Vergleich: Männer tragen im Beachhandball Shorts und Shirts.

Knappe Outfits sind für Frauen oft die Vorschrift

Warum sich manche Frauen nicht an die offiziellen oder traditionellen Kleiderordnungen in Sportarten halten wollen, wird oft mit Unwohlsein begründet. Daran sind auch Spanner, Voyeure, Fotografen schuld, die geradezu nach tiefen Einblicken und verrutschten Outfits suchen. So erzählen es Sportlerinnen in der höchst sehenswerten Arte-Doku „Frauen im Muskelfieber“. Vorgeschrieben sind manch knappe Outfits dennoch. Und das knapp 100 Jahre, nachdem die französische Tennisspielerin Suzanne Lenglen in den 1920er Jahren mit ihrer zu damaliger Zeit freizügigen Bekleidung für Unbequemlichkeiten bei den Zuschauenden sorgte. Sie widersetzte sich den vorgeschriebenen Korsetts und langen Röcken und gewann immer wieder Pokale – auch dank mehr Bewegungsfreiheit. Bis heute spielen Frauen jedoch in Tennisröcken. Wenn dann doch mal eine Serena Williams im Ganzkörperanzug auf den Platz tritt, wie 2018, wird ihr das vom französischen Tennisverband FFT verboten.

Wie es Frauen im Sport geht, das zeigt die vierteilige Doku unter historischen, soziologischen, wirtschaftlichen und medienwirtschaftlichen Aspekten, eingeordnet von Expertinnen und Sportlerinnen. Dabei hält sie der männerdominierten Sportwelt den Spiegel vor. Die vier mal 15 Minuten umfassende Reihe spannt den Bogen vom 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart.

Nach Verboten und Verhüllungen im Sport folgten ab den 60er Jahren die Entblößungen. Noch heute müssen weibliche Athletinnen sinnlich, anziehend und ästhetisch wirken, damit sie auch erfolgreich sind. Je weniger Stoff, desto besser, lautet das Motto. Je knapper das Dress desto mehr Berichterstattung gibt es auch. Die über Frauensport nimmt gerade mal rund 15 Prozent der Gesamtberichterstattung über Sport ein, weiß eine Medienexpertin in der Doku.

Finanzielle Ungleichbehandlung ist ein Thema

Dabei wird auch deutlich, wie die Lebenswelt Sport zur Übersexualisierung von Frauenkörpern führt. Dass es überhaupt so lange gedauert hat, bis sich in Sachen Sportbekleidung für weibliche Akteurinnen etwas ändert, ist nur eines der Themen der Miniserie. Wie eng die sportlichen Möglichkeiten von Frauen noch heute mit patriarchalen Systemen und an Männerwünschen orientierten Bedingungen hängen, wird ebenso deutlich, wie die finanzielle Ungleichbehandlung, was öffentlich etwa bei der letzten Frauenfußball-Europameisterschaft thematisiert wurde.

Zudem liefert die Doku nicht nur Einblicke in den Profisport, sondern ordnet auch Sport auf Hobbyniveau ein. Dort gelte es aufzupassen, dass der weibliche Körper nicht komplett zum Objekt werde, auch wegen sozialer Netzwerke, die häufig als Präsentationsplattform dienen. Die Serie warnt vor Entfremdung und Objektifizierung des Körpers durch Sport. Hier drohe das Gegenteil der Emanzipation: Sport nur zu treiben, um dem Schönheitsdiktat einer männerdominierten Welt zu entsprechen.

Ungleiche Bezahlung von Mann und Frau

Das konterkariert die vielen Errungenschaften, die es im Profifrauensport gibt, trotz vieler Umstände und Kämpfe. Mit ihren Einblicken empfiehlt sich die Minireihe als Bildungsstück für Jung und Alt – geschlechterübergreifend.

Frauen im Muskelfieber. Arte Mediathek