Die Zahl der Kunden in der Tele-Apotheke des Versandhändlers Doc Morris in Hüffenhardt hält sich noch in Grenzen. Der Konkurrenz aber ist die Filiale ein Dorn im Auge. Foto: Fuchs

Doc Morris hat seine erste Tele-Apotheke in Hüffenhardt wieder geöffnet. Jetzt will der Versandhändler per Gerichtsbeschluss erreichen, dass er dort auch Rezepte einlösen darf. Nicht jedem gefällt das.

Hüffenhardt - Auf ein freundliches Grüß Gott muss man in Hüffenhardt (Neckar-Odenwald-Kreis) nicht verzichten. Gleich zwei sogenannte Welcome-Managerinnen warten in der „Videoberatung mit Arzneimittelabgabe“ in der ehemaligen Brunnen-Apotheke auf Kundschaft. Diese lässt an diesem Morgen kurz nach der Eröffnung, Schließung und Wiedereröffnung der ersten Doc-Morris-Dependance auf dem Land noch auf sich warten. Die Neuigkeit hat sich noch nicht herumgesprochen in dem 2000 Einwohner zählenden nordbadischen Dorf. „Wir müssen denen mal sagen, dass sie ein Geöffnet-Schild vor die Türe stellen sollen“, sagt Heiko Hagner, der stellvertretende Bürgermeister.

Zurzeit sind in der Tele-Apotheke allerdings nur Medikamente erhältlich, für die man kein ärztliches Rezept benötigt. Ob der Arzneimittelautomat in Hüffenhardt jemals verschreibungspflichtige Produkte ausspucken darf, müssen nun Richter entscheiden. Das Regierungspräsidium Karlsruhe hat Doc Morris dies untersagt, der Versandhändler hat dagegen Klage eingereicht.

Die Tele-Apotheke wirkt leer. Die Medikamente sind hinter einem großen Rollgitter verborgen. Im Moment habe man 3000 Produkte auf Lager, sagt die zuständige Projektleiterin Beatrix Zabel. Bis zu 8000 könnten es sein. Die Mitarbeiterinnen haben keine pharmazeutischen Berufe gelernt, sie sind für die freundliche Begrüßung zuständig – und ausschließlich für technische Fragen. Pharmazeutische Probleme sollen per Videoschaltung gelöst werden. Hinter einem Wandschirm steht ein Computerterminal, das mit dem niederländischen Heerlen verbunden ist. Aus dem Bildschirm heraus grüßt von dort eine Mitarbeiterin des Beratungsteams. Neben der Tastatur steht der Scanner, über den die ärztlichen Rezepte eingelesen werden können. Wenn in Heerlen die Freigabe erteilt wird, gibt der Automat das entsprechende Medikament heraus. Falls es nicht vorrätig ist, wird es bestellt und einen Tag später geliefert.

Sicherung der Daseinsvorsorge oder Rosinenpicker?

„Wir sehen unser Angebot als sinnvollen und erwünschten Beitrag zur Sicherung der Daseinsvorsorge“, sagt Olaf Heinrich, der Vorstandsvorsitzende bei Doc Morris. Das Regierungspräsidium in Karlsruhe (RP) hingegen ist der Überzeugung, dass der Arzneimittelautomat mit Videoberatung gegen gesetzliche Vorschriften verstößt – etwa gegen die Dokumentationspflicht. Apotheker seien verpflichtet, bei Zweifeln die Verschreibungen zu ändern und diese Änderungen auf dem Rezept mit ihrem Kürzel festzuhalten, erklärt ein Sprecher des RP. Diese handschriftliche Dokumentation sei bei der Medikamentenausgabe in Hüffenhardt nicht gewährleistet, deshalb dürften verschreibungspflichtige Arzneien dort nicht verkauft werden.

Für die Landesapothekerkammer sind die ausländischen Versandhändler ohnehin Rosinenpicker, die sich die teuren Nacht- und Notdienste sowie die persönliche Beratung sparten und sich am Gesundheitssystem bereicherten. Laut der Kammer haben mehr als 640 Apotheken zwischen dem 20. Dezember 2016 und dem 1. März 2017 mehr als 122 000 Unterschriften ihrer Kunden gegen ausländische Versandhändler und deren „gefährliche Einflüsse“ sowie für die Erhaltung wohnortnaher Apotheken gesammelt.

Hüffenhardt, 25 Kilometer nordöstlich von Heilbronn gelegen, hätte die dortige Apotheke auch gerne behalten. 2014 kündigte der örtliche Pharmazeut dem Bürgermeister Walter Neff an, er werde sich in einem Jahr zur Ruhe setzen. Die Gemeinde machte sich auf die Suche nach einem Nachfolger, schaltete Anzeigen und schmiedete sogar Umbaupläne für die Brunnen-Apotheke. Einen Interessenten habe man gefunden, erzählt der Rathauschef, „aber der sprang schließlich wieder ab“. Das Jahr verstrich, die Apotheke machte 2015 dicht. Seither müssen die Hüffenhardter in Hassmersheim, Obrigheim oder Bad Rappenau ihre ärztlichen Verschreibungen einlösen, allesamt Orte, die sechs, sieben Kilometer entfernt sind.

Dann meldete sich der niederländische Versandhändler Doc Morris mit der Idee, eine Medikamentenausgabe einzurichten. „Wir waren erst verwundert und ein bisschen skeptisch“, sagt Neff. „Aber wir brauchen eine Lösung, die mehr bietet als einen Rezeptsammelkasten.“ Den gibt es in Hüffenhardt; dort kann man Rezepte einwerfen und sich von einem Boten aus der Apotheke bringen lassen. „Doch mit einem Briefkasten kann ich nicht reden“, sagt Neff – und der Bote biete auch keine Beratung.

Der Metzger hat aufgegeben, die Bäckerei hält sich noch

Hüffenhardt kämpft um seine Infrastruktur. Es gibt einen Getränkehändler, der halbtags öffnet. Die Bäckerei verkauft nicht nur Brot, sondern auch Klopapier und Waschmittel. Doch der Metzger hat seit Kurzem geschlossen. Nachem im benachbarten Siegelsbach ein neuer Pennymarkt aufgemacht hatte, lohnte sich sein Geschäft nicht mehr. Dreimal die Woche hält nun an der Grundschule ein mobiler Metzger, auch ein Gemüsehändler macht dort Station. Mit der Ankündigung von Doc Morris, dort eine Tele-Apotheke einzurichten, macht der Ort überregional Schlagzeilen – und beim Bürgermeister erkundigen sich Kollegen aus ganz Deutschland.

„Ich bin überrascht, was das für Kreise zieht“, sagt Sabine Guth, die im Getränkemarkt arbeitet. Sie will die Doc-Morris-Station bald mal ausprobieren, die Mutter von drei Kindern braucht Mückenspray. „Für uns ist das eine gute Alternative, und für die Älteren ist es geschickt, so was am Ort zu haben“, sagt die 46-Jährige. „Konkurrenz belebt das Geschäft“, sagt auch Marion Hönig, die beim Bäcker arbeitet. „Es gibt hier so viele ältere Leute, die niemanden haben“, für die sei die Station durchaus hilfreich. Dass die Apotheker sich gegen den Versandhandel und solche Ausgabestationen wehrten, kann sie nur teilweise nachvollziehen: „Die hätten ja die Gelegenheit gehabt, die Apotheke weiter zu betreiben“, sagt die 52-Jährige.