Das Literaturmuseum der Moderne ist im Jahr 2006 als bislang letztes Gebäude auf der Schillerhöhe entstanden. Foto: Werner Kuhnle)

Wie wird sich der Campus auf der Marbacher Schillerhöhe verändern? Steffen Schmidt als neuer Verwaltungschef des Deutschen Literaturarchivs gibt Einblicke.

Marbach - Das Deutsche Literaturarchiv in Marbach steht vor einer Weiterentwicklung. Als Katalysator wirkt ein bereits bewilligtes Förderprogramm des Bundes, aber auch die Perspektive, bei der Landesgartenschau 2033 der beiden Partnerkommunen Marbach und Benningen als wichtiger Akteur im kommunalen Umfeld beteiligt zu sein. Als Projektleiter aufseiten des Literaturarchivs bestimmt der neue Verwaltungschef Steffen Schmidt den Prozess. Wir haben uns mit ihm darüber unterhalten.

Das Deutsche Literaturarchiv Marbach hat bisher 73 Millionen Euro an Fördergeldern von Bund und Land in Aussicht gestellt bekommen. Wie wird sich die Schillerhöhe verändern?

Wir können viele Dinge noch nicht so planen, wie wir es gerne würden. Die Standortfrage für unsere Neubauten ist noch nicht geklärt. Wir wissen, dass wir Platz für ein Magazin brauchen, um unsere vielen wertvollen Sammlungsgüter unterzubringen – und zwar in einer exponatgerechten, klimatisierten Umgebung. Darüber hinaus wollen wir uns offen zeigen für Marbach und die Welt, deswegen planen wir ein Forschungsarchiv, das auch als Schauarchiv unsere Arbeit nach außen darstellen soll.

Was darf man sich unter einem Schauarchiv vorstellen? Die Exponate werden ja sicher weiter in den Museen auf der Schillerhöhe ausgestellt.

Das Schauarchiv soll den Museen natürlich nicht den Rang ablaufen. Im Gegenteil: Wir möchten eher im Sinne einer Schaubühne Einblicke in unsere Arbeit mit den Archivalien geben und damit künftig noch transparenter werden.

Im Jahr 2033 kommt die Gartenschau nach Marbach und Benningen. Kann das Deutsche Literaturarchiv so lange mit seiner Erweiterung warten?

Wir wollen rechtzeitig vor der Gartenschau fertig sein. Das ist sehr sportlich, und ich bin froh, dass die Gespräche jetzt Fahrt aufgenommen haben und wir bald in konkrete Planungen einsteigen können. Aktuell stimmen wir unsere Planungen mit der Stadt Marbach ab. Im Sinne dieser Harmonisierung hatten wir in den vergangenen Woche Gespräche, auch mit dem Büro Planstatt Senner.

Es gibt auch Schäden am Flachdach des alten Archivgebäudes. Wie priorisieren Sie die Vorhaben?

Wir müssen das Flachdach und das Dach vom Handschriftensaal in den nächsten beiden Jahren sanieren. Da besteht dringender Handlungsbedarf. Darüber hinaus planen wir, das Forschungsarchiv und das Magazin zu bauen, aber wir müssen auch unsere Bestandsgebäude sanieren. Die Sanierung ist der dritte große Bestandteil der geplanten Baumaßnahmen. Um die Schäden am Flachdach kümmern wir uns zeitnah. Und um einstweilig Platz für weiter eintreffende Archivalien zu schaffen, mieten wir noch im ersten Quartal dieses Jahres ein Außenmagazin in Fellbach an, denn unser Bestand wächst jedes Jahr um rund 1400  Raummeter, und wir sind an unsere Grenzen gestoßen.

Lassen Sie für das Forschungsarchiv mehrere Standorte auf dem Campus untersuchen?

Wir haben das Büro Drees und Sommer beauftragt, in einem Masterplan eine Standortanalyse zu erstellen und zu klären, welche Alternativen im Umfeld möglich sind. In den nächsten vier bis sechs Wochen werden wir Ergebnisse bekommen, die wir dann aber zunächst mit unserem Partner, der Stadt Marbach, diskutieren werden.

Das Literaturarchiv und die Stadt haben das jetzige Hermann-Zanker-Bad immer als Standort des Forschungsarchivs favorisiert. Bleibt es dabei?

Das ist tatsächlich der große Knoten, der durchschlagen werden muss. Unser Wunsch ist, dass wir den Campus-Gedanken hier aufrechterhalten können. So würden die Gebäude und die Bestände zusammen und die Wege kurz bleiben. Der jetzige Standort des Hermann-Zanker-Bades wäre für uns der optimale. In grundstückrechtlichen Dingen oder Fragen, die die Zukunft des Bades betreffen, ist allein die Stadt Marbach zuständig. Wir können Wünsche äußern, aber das Vorantreiben und das Umsetzen liegen bei der Stadt. Wir stehen im engen Dialog.

Das Gelände des TV Marbach ist nach wie vor nicht für den Campus zu haben?

Uns ist der Campusgedanke wichtig und dass die bestehenden und neuen Gebäude möglichst in Sichtweite sind. Wenn man das Gelände auf der Schillerhöhe betrachtet, springt einem dieses Gelände natürlich ins Auge. Unseres Wissens haben die Gespräche der Stadt mit dem TV Marbach ergeben, dass die Fläche nicht zur Verfügung steht.

Was sind die nächsten Schritte?

Unsere Standortanalyse wird im ersten Quartal 2022 abgeschlossen sein. Abhängig von den Entscheidungen zum finalen Standort sind dann konkrete Etappen und Meilensteine zu planen. Dies wird durch einen Projektentwickler geschehen, der im Rahmen einer Ausschreibung gefunden wird. Diese Ausschreibung für die Verfeinerung der Masterplanung beinhaltet, das Raumprogramm detaillierter in den Blick zu nehmen. Wir wollen das in den nächsten Wochen und Monaten vorbereiten und dann einen Architektenwettbewerb ausloben.

Wie könnte das neue Gebäude nach Ihren Wünschen aussehen?

Das Forschungsarchiv ist als Hochbau mit Büros geplant, und das Magazin wollen wir möglichst in die Erde bauen. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ein Hocheffizienzmagazin zu bauen, das vollelektronisch betrieben und mit Fahrsystemen ausgestattet sein kann. Wir werden uns das in der Vorplanungsphase in anderen Objekten anschauen, um in den Dialog zu kommen.

Wo stehen solche Vorbilder, an denen Sie sich orientieren können?

Wir werden nach Wien fahren in das Kunstmuseum Albertina, wenn es die Coronalage erlaubt. Die haben ein Magazin, das wir uns anschauen wollen. Virtuell haben wir uns schon Standorte in den USA angeschaut.

Wie stark wird das Gebäude durch die Digitalisierung geprägt sein?

Die Digitalisierung ist ein Schwerpunkt der Zukunft. Wir werden aber auch weiterhin analoge Dokumente und Materialien bekommen, handfeste Nachlässe und Vorlässe. Das ist ja auch der Grund dafür, dass wir in der augenblicklichen Situation zunächst das Außenmagazin in Fellbach anmieten.

Ist das eine kommunale Liegenschaft?

Nein. Wir wollen die Immobilie bezugsfertig anmieten, die nach unseren Bedürfnissen ausgestattet wird, wie etwa konstante Temperaturen um 18 Grad. Allerdings muss noch die Einrichtung bestellt werden, was aufgrund der langen Lieferzeiten sicher noch dauern wird. Die Gespräche laufen aber sehr gut und wir stehen kurz vor der Vertragsunterschrift.

Was ist Ihnen außer dem Campus-Gedanken wichtig in der Gebäudekonzeption auf der Schillerhöhe?

Wir müssen langfristig denken und brauchen Erweiterungsmöglichkeiten in den Magazinen. Denn alles, was wir in Fellbach interimsweise lagern, muss dann schon in den Neubau in Marbach hinein. Wir müssen eigentlich 50 und mehr Jahre vorausdenken. Vorauszuplanen ist aber natürlich nicht ganz einfach. Wir wissen noch nicht, ob es irgendwann tatsächlich hauptsächlich digitale Bestände gibt, zudem müssen wir uns grundsätzlich überlegen, wie wir Bestände lagern, damit sie möglichst schnell ausgehoben und der Forschung zur Verfügung gestellt werden können.

Wann wollen Sie fertig sein?

Wir werden umgehend nach Klärung der Standortfrage die weiteren Planungen vorantreiben und die erforderlichen Ausschreibungen beginnen. Wir streben an, vor der Gartenschau, also spätestens im Jahr 2032 fertig zu sein. Im letzten Jahr vor der Gartenschau sollten die Baumaßnahmen für die Neubauten beendet sein, da sich dann alle Beteiligten hauptsächlich um organisatorische Themen rund um die Gartenschau kümmern müssen.