Der Esslinger Diversity-Manager Nejdet Niflioğlu entwickelt Perspektiven für Migranten. Sie sollen die deutsche Gesellschaft mitgestalten. Er liest am 26. September im Stadthaus von Ostfildern.
Mit seinem Vater hat Nejdet Niflioğlu früher Zeitung gelesen. „So hat er damals als Gastarbeiter die deutsche Sprache gelernt“, erinnert sich der ehemalige Diversity Manager bei Daimler an die eigene Jugend. Der Gymnasiast half dem Vater damals gerne. Mit sieben Jahren kam er aus Izmir in der Türkei mit seiner Familie nach Deutschland, wo er seine Heimat gefunden hat. „Wir brauchen nicht nur Fachkräfte, sondern echte Gesellschaftskräfte. Menschen, die sich in ihrer neuen Heimat einbringen, die sich engagieren.“ Am Donnerstag, 26. September, liest er auf Einladung der Volkshochschule Ostfildern und des städtischen Integrationsbüros im Stadthaus.
Die Vision von engagierten Migrantinnen und Migranten ist eine zentrale These seines Buches mit dem Titel „Von Gastarbeitern zu Hoffnungsträgern. Warum Deutschland Einwanderung braucht.“ (erschienen im Molino-Verlag, 18 Euro). Wie die Integration der Migranten gelingen kann, ohne dass diese ihre kulturellen Wurzeln verlieren, hat der Betriebswirt selbst vorgelebt. Niflioğlu ist ein gefragter Politikberater und ehemaliger Diversity Manager. Der damalige Bundespräsident Joachim Gauck verlieh ihm 2013 das Bundesverdienstkreuz für seinen umfassenden Einsatz für die Gesellschaft. Darauf ist der 62-Jährige stolz. Er engagiert sich seit Jahrzehnten in unterschiedlichen Bereichen. Wie wichtig es ist, die Arbeitskräfte aus dem Ausland zu integrieren und von ihren kulturellen Impulsen zu lernen, das hat er im Daimler-Konzern erfahren.
„In der Firmenzentrale in Stuttgart hat man zu wenig miteinander gesprochen“, sagt der Betriebswirt. Die Stimmen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit Migrationshintergrund seien untergegangen. Viele seien frustriert gewesen, hätten so die Motivation verloren. Deshalb hat er den Türk-Treff ins Leben gerufen. In diesem Mitarbeiternetzwerk bringen sich Arbeiter, Angestellte und Führungskräfte ein. Ihre Visionen sichtbar zu machen, hat er sich zum Ziel gesetzt. Diversität heißt für Nejdet Niflioğlu auch, dass die Fachkräfte aus dem Ausland mit ihren Ideen und mit ihrem Engagement gesehen werden sollen.
„Als Einwanderungsland wieder attraktiver werden“
Doch dafür müsse Deutschland aus seiner Sicht erst einmal sein Image aufpolieren. „Wir müssen als Einwanderungsland wieder attraktiver werden“, ist der Experte überzeugt. Nejdet Niflioğlu sieht Vereine und Organisationen in der Pflicht, ihren internationalen Horizont zu weiten. Selbst die Feuerwehr, das Deutsche Rote Kreuz oder das Technische Hilfswerk bekämen den Mangel an engagierten Menschen zu spüren. Diese seien aber für die Sicherheit der Gesellschaft unverzichtbar. So macht Niflioğlu diesen Organisationen Mut, gezielt die Migrantinnen und Migranten anzusprechen. Dem Integrationsexperten fällt es leicht, einen Draht zu den unterschiedlichsten Menschen zu finden.
Den Fachkräftemangel, der in Deutschland in immer mehr Bereichen durchschlägt, führt er auf die fehlende Attraktivität des Arbeitsmarkts zurück. Er fragt provokant: „Wie sollen wir ausländische Fachkräfte dazu bewegen, freiwillig nach Deutschland zu ziehen, wenn wir in Themen wie Lebensqualität jeden Tag ein Stück unserer Konkurrenzfähigkeit verlieren?“ Gerade für die junge Generation sei Geld nicht das zentrale Thema. Ihnen gehe es um Nachhaltigkeit, Unternehmenskultur und die Work-Life-Balance. Diesen internationalen Kräften nicht nur ein gutes Umfeld zu bieten, findet er wichtig. „Sie brauchen die Chance, die Stadtgesellschaft mitzugestalten.“
Das bedeutet für ihn eine gelungene Integration. Das Vorurteil, dass sich viele Arbeitskräfte aus dem Ausland gar nicht integrieren wollten, lässt er nicht gelten. Ziel müsse es sein, im internationalen Austausch voneinander zu lernen. Dazu gehöre es auch, die Eigenheiten der anderen zu respektieren. „Es geht darum, dass wir uns auf die Dinge konzentrieren, die uns verbinden“, sagt Nejdet Niflioğlu.
Moderiert wird die Lesung mit dem Autor im Stadthaus von Christina Jetter-Staib, der Leiterin der Volkshochschule. Die Autorin Müjde Karaca-Togmus begleitet den Abend auf der Gitarre. Der Autor freut sich „auf einen regen Austausch“ mit dem Publikum.
Die Veranstaltung findet am Donnerstag, 26. September, von 19 Uhr an im Stadthaus im Scharnhauser Park in Ostfildern statt.
Interkulturelle Woche in Ostfildern
Angebot für Generationen
Die Lesung von Nejdet Niflioğlu ist Teil der interkulturellen Woche in Ostfildern. Bis zum 29. September gibt es unterschiedliche Angebote, die alle Generationen ansprechen sollen. Das Spektrum reicht von der internationalen Spiel- und Krabbelgruppe zum Ukrainisch-Schnupperkurs der Volkshochschule. Weitere Informationen: www.ostfildern.de/interkulturelle_woche
Konzert
Die kroatische Band October Light spielt am Freitag, 27. September, 19.30 Uhr in der evangelischen Bartholomäuskirche in Kemnat. Die Band hat Profi-Musiker genauso in ihren Reihen wie selbst gebaute Instrumente. „Sie sind ein bisschen verrückt, allesamt Meister ihres Instruments und machen christliche Musik, die unter die Haut geht“, sagt Pfarrer Thomas Ebinger. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.