Michael Makurath will weitere acht Jahre Oberbürgermeister bleiben. Foto: Helmut Anton Pangerl

Am 23. April wählen die Ditzinger ihren Oberbürgermeister. Michael Makurath hat das Amt seit 1999 und tritt erneut an. Im Interview spricht er über die Kritik an seinen zahlreichen Ämtern und über die massive Veränderung der Stadt.

Michael Makurath ist seit 24 Jahren Oberbürgermeister von Ditzingen. Ende April strebt er eine Wiederwahl an. Der parteilose Kandidat geht im Interview auch auf die Frage ein, ob in der Stadt ein Traditionsverlust droht.

Herr Makurath, lässt Sie Kritik kalt?

Widerstand und Kritik sind elementare Teile der Demokratie, mit denen man umgehen muss. Sie beschäftigen mich deshalb.

Vor acht Jahren hatten Sie keinen Gegenkandidaten, dieses Mal steht ein weiterer Bewerber auf dem Stimmzettel.

Meine Wahrnehmung ist, das wir auf dem richtigen Weg sind. Kritik muss in einer Demokratie geäußert werden können. So gibt es mit der Wahl ein Ventil für alle, die der Meinung sind, dass der bisherige Weg geändert werden sollte. Diesem Votum stelle ich mich gerne.

Die Südumfahrung Heimerdingen – nicht gebaut. Der Ditzinger Bahnhof – nicht fertig. Der Hochwasserschutz im Scheffzental – immer noch ein Provisorium. Wie fällt denn Ihre Bilanz aus?

Besser, denn ich sehe auch das, was fertig geworden ist. Aber trotzdem: Alle drei Projekte sind auf der Zielgeraden. Mir persönlich ist es sehr wichtig, dass endlich auch der Heimerdinger Ortskern vor dem Durchgangsverkehr geschützt wird. Wir haben die rechtlichen Voraussetzungen geschaffen, nun muss das Land mit dem Bau der Ortsumfahrung beginnen.

Kritiker meinen, die Zeit für Ihre vielen Nebenämter sollten Sie besser in Ditzingen investieren.

Die so genannten Nebenämter dienen der Vertretung der Stadt und ihrer berechtigten Interessen in einem immer komplexeren Umfeld. Weniger wäre deshalb gerade hier nicht mehr. Und schließlich gehöre ich auch nicht zu denen, die um 16 Uhr nach Hause gehen.

Sie sprechen von Entwicklungen. Gleichwohl ist die Kommune wie bei der Flüchtlingskrise zunehmend in übergeordnete Zusammenhänge eingebunden.

Das ist ein Spannungsfeld: Wir haben immer mehr Probleme, die nicht lokal verursacht sind, aber lokal gelöst werden müssen. Das hat es in der Ausgeprägtheit und Häufung bisher nicht gegeben.

Andererseits gelingt die globale Klimawende nur, wenn lokal gehandelt wird.

Das ist unbestritten so. Allerdings zeigen sich die Schwierigkeiten immer erst in der konkreten Umsetzung vor Ort. Wenn die Menschen das nicht nachvollziehen können aus ihrer lokalen Sicht, entsteht Widerstand. Hier sind wir als Stadt gefordert – zu informieren und zu motivieren, wie dies zum Beispiel im Rahmen der Wärme- und Quartiersplanung geschieht.

Was macht ein Oberbürgermeister in diesem Kontext?

Wir führen aus, was im Rechtsstaat in den Parlamenten als Gesetz beschlossen wird. Und wir entwickeln im Austausch mit der Bürgerschaft und dem Gemeinderat den Ditzinger Weg, mit den Herausforderungen umzugehen.

Sie wurden aber nie allein als Kommunikator gewählt.

Kommunikation ist nur ein Teil, denn schließlich werde ich am Ergebnis gemessen: Ist das Problem gelöst oder nicht?

Die Heimerdinger ächzen nach wie vor unter dem Durchgangsverkehr.

Leider gehört eine Ortsumgehung heute schon zu den Projekten, die aufgrund der Zahl der beteiligten Stellen und der Dimension der zu berücksichtigenden Aspekte an die Grenzen des Umsetzbaren führen. Man kann sich manchmal des Eindrucks nicht erwehren, dass sich nicht mehr die Frage stellt, ob man realisieren will, sondern ob weitere Probleme gefunden werden können. Umso besser, dass wir nun mit der Flurbereinigung den Bau der Straße konkret vorbereiten.

Auch der Hochwasserschutz im Scheffzental ist nach wie vor lediglich ein Provisorium.

Im Nachhinein war es das einzig richtige, sofort einen provisorischen Schutz anzubringen, der wirksam ist. Aber auch hier stellt sich die Frage, was in den behördlichen Verfahren falsch läuft, dass wir es bis heute nicht hinbekommen haben, dieses Provisorium rechtlich abzusichern. Um viel mehr geht es ja nicht.

Viele Großprojekte laufen, fertig wurde in den vergangenen acht Jahren davon nichts.

Eine Stadt ist nie fertig. Wenn ich durch den Ort gehe, ist die Mehrheitsmeinung, dass sich der Bahnhof positiv verändert. Und die Leute nehmen wahr, dass die Stadt sich entschieden hat, mehr als 40 Millionen Euro in den Schulbau zu investieren. Natürlich braucht die Entwicklung, zum Beispiel in der Siemensstraße, Zeit, aber der Neubau neben der Ran-Tankstelle ist ablesbar die Antwort auf die Anforderungen der heutigen Zeit. Die Bebauung entlang der Straße ist eine verbliebene Spur des organischen Wachstums vom Bauerndorf zum Industriestandort. Da stößt sich das neue Ditzingen an seiner erkalteten Geschichte.

Ditzingen hat sich massiv verändert. Gibt die Stadt ihre Tradition auf?

Tradition ist immer nur etwas Lebendiges. Wir geben dem Platz, das es wert ist, in die Zukunft getragen zu werden. Nehmen Sie die historischen Ortskerne von Schöckingen und Heimerdingen, das Dreigiebelhaus oder die Marktstraße, die wir als lebendiges Zentrum der Stadt erhalten wollen. Oder die Aufwertung der Wege entlang der Glems oder der Lache, dort bleiben der alte Ort und der Übergang zur Landschaft erlebbar. Und es gibt andere Bereiche der Stadt, die immer Teil des Umbruchs waren, wie der Bahnhof. Städtebau ist die Kunst, so zu gestalten, dass Neues zwar verändert, sich aber noch einpasst. Deswegen führen wir zum Beispiel auch intensive Diskussionen darüber, wie hoch ein Haus sein darf.

Jüngstes Beispiel am Bahnhof.

Das Gebäude ist nach wie vor kein Hochhaus und es gibt höhere Gebäude in der Stadt, Hirschlanden eingeschlossen. Aber es verleiht dem Ausdruck, dass wir endliche Flächen haben. Die Nutzung muss heutigen Maßstäben genügen und intensiver sein – anders als früher, als wir bei drei Stockwerken aufgehört haben.

Fakt ist, die Landwirtschaft wird zurückgedrängt – in einer Zeit, in der regionale Produktion an Bedeutung gewinnt.

Exakt. Jede Entwicklung im Außenbereich geht zu Lasten der Landwirtschaft. Deshalb agieren wir sehr zurückhaltend beim Landschaftsverbrauch und haben im Rahmen dessen, was wir uns mit unserem Flächennutzungsplan bis 2015 vorgenommen hatten, immer noch Reserven. Mit reiner Innenentwicklung können wir den Bedarf im Wohnungsbau aber nicht mehr decken, deshalb gehen wir jetzt die Neubaugebiete an.

Was wollen Sie darüber hinaus in der nächsten Amtsperiode anstoßen – und beenden?

Es ist bereits vieles in der Pipeline. Die zentrale Grundschule und in der Folge die Umgestaltung des Wilhelmschulgeländes. Die Wärmewende wird mit dem Ausbau von Fernwärmenetzen Realität. Dann das Megathema Verkehr mit Südumfahrung und möglichem Stadtbahnanschluss. Außerdem werden neue Wohngebiete in der Kernstadt und den drei Stadtteilen entstehen. Und mit der Bevölkerung muss die Infrastruktur mitwachsen: Nicht nur Kitas, auch zum Beispiel ambulante und stationäre Pflegeangebote werden benötigt.

Auch in den Neubaugebieten wird das Wohnen für viele unerschwinglich sein.

Das Angebot für Bauwillige wird dadurch größer, ob es billiger wird, entscheidet nicht die Stadt. Wir können nur die Entwicklung dämpfen. Deshalb treten wir jetzt selbst als Bauträger für den geförderten Wohnungsbau auf und haben mit dem „Masterplan Wohnen“ ein Instrument geschaffen, auch andere Bauträger zum Bau von gefördertem Wohnungsbau zu verpflichten.

Zuletzt: Was war das Herausforderndste in den vergangenen acht Jahren?

Es waren gefühlt acht Krisenjahre. Die Flüchtlingsströme waren und sind in der Dimension sehr herausfordernd. Erst 2015, 2016 und jetzt als Folge des Russland-Ukraine-Kriegs. Dazwischen die schwierigen Jahre der Pandemie. Bei allen Herausforderungen hat mich immer der soziale Zusammenhalt beeindruckt. Aktuell zum Beispiel, wie viele Menschen in Ditzingen ukrainische Flüchtlinge bei sich aufgenommen haben, 120 bis 130 kamen privat unter. Die Welt ist nicht nur schwarz und weiß, sondern schillert in allen Farben. Das macht Mut für die Zukunft.

Die Personen, die Kandidatenvorstellungen, die Wahl

Der Amtsinhaber
 Michael Makurath ist seit 1999 Oberbürgermeister der rund 25 000 Einwohner zählenden Stadt Ditzingen. 2015 hatte er 95,1 Prozent der Stimmen erhalten. Der 63-jährige gebürtige Heilbronner ist parteilos, gilt als SPD-nah und sitzt für die Sozialdemokraten im Regionalparlament. Er ist unter anderem auch Präsident des Verbands baden-württembergischer Bürgermeister.

Die Kandidaten
 Makuraths Gegenkandidat ist der 43 Jahre alte Lebensberater Andreas Bälder aus Ditzingen. Die Kandidaten stellen sich am Montag, 17. April, in Ditzingen, Bürgersaal, vor; tags darauf in Heimerdingen, Turn- und Festhalle; am 19. April sind sie in Schöckingen, Rathaussaal, und am 20. April in Hirschlanden, Karl-Koch-Halle. Beginn: jeweils um 19 Uhr.

Die Wahl
 Gewählt wird am Sonntag, 23. April.