In der Sache sind sich die Ditzinger Stadträte einig gewesen – und doch haben sie kontrovers diskutiert. Am Ende fiel die Entscheidung deutlich aus.
Was ist die Abstimmung der Schulgemeinschaft wert, wenn sich der Gemeinderat dann doch darüber hinwegsetzt? Welches Signal sendet die Kommunalpolitik damit an die Schule?
Auch diese Fragen schwangen in der Diskussion des Gemeinderats über die Benennung der neuen Grundschule der Kernstadt mit. Der Rat entschied dann aber doch recht deutlich bei vier Gegenstimmen und einer Enthaltung für die Benennung nach Doris Leibinger. Die Grundschule soll Doris-Leibinger-Grundschule Ditzingen hießen, das Sonderpädagogische Bildungs- und Beratungszentrum (SBBZ) Doris-Leibinger SBBZ Ditzingen. Die Sporthalle erhält den Namen Doris-Leibinger-Sporthalle.
Die Gegenstimmen resultierten vor allem daraus, dass der Gemeinderat sich über das Votum der Schulkonferenz der zusammengelegten Wilhelmschule und Konrad-Kocher-Schule hinweggesetzt hatte. Diese hatte mit neun zu drei Stimmen für „Grundschule Ditzingen/SBBZ Ditzingen“ gestimmt.
Was ist das Votum wert?
Er sei „sehr unglücklich mit der Entscheidung“, hatte der Grünen-Rat Ulrich Steller in der letzten Sitzung vor der Kommunalwahl gesagt und damit die Diskussion im Gemeinderat eröffnet. Das habe nichts mit der Person Doris Leibinger zu tun, stellte er klar und sprach damit auch im Sinne aller, die sich im Lauf der Aussprache gegen die Namensnennung äußerten. Die Wertschätzung für die Person sollte nicht mit der Kritik an der Entscheidungsfindung verknüpft werden, so Steller. Doch die Räte könnten nun den Eindruck vermitteln, die Politik entscheide etwas völlig anderes, als die betroffene Schulgemeinschaft gewollt habe. Oberbürgermeister Michael Makurath (parteilos) hielt dem entgegen, dass man die Frustration von jenen in Kauf nehme, die diese Entscheidung nicht gewollt hätten. Es sei immer kommuniziert worden, dass letztlich der Gemeinderat entscheiden würde.
Doris Leibinger, Mutter der heutigen Vorstandsvorsitzenden des Laserspezialisten Trumpf, Nicola Leibinger-Kammüller, war Zeit ihres Lebens kulturell, vor allem aber sozial engagiert. „Es ist mir ein Herzensanliegen, hilfsbedürftigen Kindern, auch solchen, die der Willkür Erwachsener oft wehrlos ausgeliefert sind, hilfreich zur Seite zu stehen.“ Mit diesen Worten hatte sie ihr Engagement begründet, das später in ihrer eigenen Stiftung gebündelt wurde. Doris Leibinger war wie ihr Ehemann, der Unternehmer Berthold Leibinger, Mäzenin. Sie starb 2021, drei Jahre nach dem Tod ihres Mannes Berthold Leibinger.
Doris Leibinger wurde 1934 in Stuttgart geboren und machte eine Ausbildung an der privaten Fachschule für das Dolmetscherwesen in Stuttgart. Sie war in vielen Gremien kultureller Institutionen aktiv. Daneben engagierte sie sich vor allem im sozialen Bereich.
Man treffe eine „sehr kluge Entscheidung“, sagte der SPD-Rat Herbert Hoffmann, „wenn wir ihren Namen an die Schule vergeben“. Zugleich aber sollte man „die Ditzinger vertraut machen mit Doris Leibinger“, so der frühere Stadtarchivar von Ditzingen.
Stationäre Kinder- und Jugendhospiz wurde 2017 seiner Bestimmung übergeben
Doris Leibinger war herzlich und entschlossen gleichermaßen. Auf eben diese Weise verfolgte sie ihre sozialen Anliegen. „Der Mensch muss sich aufgerufen fühlen zu helfen – nach seinen Möglichkeiten. Der, der hat, soll großzügig sein“, so soll sie es selbst formuliert haben. Dabei ging es ihr nicht um Almosen, sondern darum, den Menschen mit Respekt zu begegnen und ihnen Würde zu geben. Fast drei Jahrzehnte unterstützte sie die Hospizarbeit in Stuttgart, sie machte sich stark für das Erwachsenenhospiz und das 2017 seiner Bestimmung übergebene stationäre Kinder- und Jugendhospiz.
Ihre Stiftung engagiert sich für die Verbesserung der oft schwierigen Lebenssituation von blinden und taubblinden Menschen. Der Anstoß zur Stiftungsgründung war eine Zufallsbegegnung Doris Leibingers mit einem taubblinden Kind gewesen. Dieses Erlebnis ließ sie nicht mehr los. In ihr gewannen Taubblinde eine starke Fürsprecherin, Verbesserungen wurden erreicht, etwa die Ausbildung von Taubblindendolmetschern.