Der Boys’ and Girls’ Day will um Frauen in Männerberufen und Männer in Frauenberufen werben. Auch in Ditzingen hofft man, mehr Männer etwa für die Pflege oder die Kinderbetreuung zu finden.
Ein pflegebedürftiger Mann wird von der Sozialstation zuhause versorgt. Er ist groß, korpulent, wiegt mehr als hundert Kilo. Dafür zu sorgen, dass er nicht wundliegt, das ist die Aufgabe der Mitarbeiterinnen der Sozialstation ebenso, wie sie den Mann zu eigenständigen Bewegungen anregen und regelmäßig in den Rollstuhl umsetzen. Doch anders als in stationären Pflegeeinrichtungen gibt es in der Privatwohnung dafür oft keine Unterstützung etwa durch einen Patientenlifter. Das Gerät hilft beim Drehen und Umsetzen von Patienten. Also müssen die Pflegekräfte anpacken – schwere körperliche Arbeit. Doch in der Pflege sind Männer immer noch rar.
„Es wäre wichtig, dass wir noch drei bis fünf Männer dazu bekommen“, sagt Ulrich Bahmer. Der Ditzinger Bürgermeister verantwortet als Geschäftführer die Ditzinger Sozialstation So.Di, eine hundertprozentige Tochter der Stadt. Dabei geht es nicht allein um die Kraft in der Pflege. Korpulenten Männern etwa, die altersbedingt – möglicherweise an Demenz erkrankt – renitent würden, könnte eine männliche Pflegekraft im Zweifel mehr Kraft und Masse dagegenstellen. Unabhängig davon, so Bahmer, wünschten vor allem Frauen bisweilen Pflegekräfte desselben Geschlechts bei der Körperpflege – aus Schamgründen.
Männermangel in sozialen Berufen: Ein Trend im Wandel
In Ditzingen spiegelt sich der bundesweite Trend wider. Entsprechend sind Männer in sozialen Berufen, etwa in der Pflege oder bei der Kinderbetreuung, unterrepräsentiert. „Dennoch sieht die Ditzinger Stadtverwaltung eine positive Entwicklung, da die Anzahl männlicher Bewerber in unseren Einrichtungen steigt, sowohl bei Fach- als auch Nachwuchskräften“, teilt der Rathaussprecher Michael Geyer mit.
Die Stadtverwaltung ist nach eigenem Bekunden davon überzeugt, dass Kinder von einer vielfältigen Zusammensetzung des pädagogischen Personals profitieren. „Es ist uns daher ein wichtiges Anliegen, dass sich sowohl Männer als auch Frauen engagiert in den Bereichen Bildung, Betreuung und Erziehung einbringen.“ Die Kinder sollten dabei die Erfahrung machen, dass Engagement und Berufsbilder nicht vom Geschlecht abhängen. Bei Bewerbungen gilt laut Ulrich Bahmer das Motto: „Die besten nehmen wir.“
Herausforderungen und Chancen
Im Ergebnis heißt das bei der So.DI: In der Leitungsebene ist er der einzige Mann. Ob Pflegedienstleitung oder kaufmännische Leitung – die Position ist von Frauen besetzt. Die Fluktuation sei gering, so Bahmer, die Arbeitsatmosphäre gut. Von den 94 Mitarbeitern sind bei der So.Di neun männlich: Zwei seien Pflegekräfte, die anderen sieben seien als Hausmeister beziehungsweise Fahrer beschäftigt. Beim Boys’ Day bieten sie dennoch keinen Platz an: In der ambulanten Pflege müsse man 18 sein, weil man auf den Führerschein angewiesen sei.
In anderen Bereichen der Stadtverwaltung ist das Bild ein anderes. Dort haben Frauen Leitungspositionen etwa in den technischen Bereichen inne, beispielsweise im Stadtplanungsamt und in der Baurechtsbehörde. Und doch täuscht das nicht darüber hinweg, dass der Männermangel in den sozialen Berufen vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels schwierig ist. Bundesweit habe es in den vergangenen Jahren laut dem Bundesfamilienministerium zwar einen leichten Anstieg der Fachkräfte in sozialen Berufen gegeben. Jedoch sei der Anteil der Männer mit rund 20 Prozent in diesen Berufen „noch sehr gering“. Möglicherweise werden die veränderten Verdienstmöglichkeiten daran etwas ändern. Diese hätten sich in den Pflegeberufen erheblich verbessert, heißt es in einer Studie des Ministeriums. Dafür seien nicht nur die Einführung und Anhebung des Mindestlohns verantwortlich, sondern der Fachkräftemangel in der Pflege führe zu deutlichen Gehaltssteigerungen, besonders bei examinierten Pflegekräften. „Diese Entwicklungen sind bei Erzieherberufen nicht in diesem Maße zu beobachten.“