Suchen, finden, selbst einer sein: Dieter Bohlen macht beruflich immer irgendwas mit „Superstars“ Foto: dpa

An diesem Donnerstag bläst Dieter Bohlen 65 Kerzen von der Torte. Das bedeutet auch circa 35 Jahre ruchlose Hits, eine große Klappe und mehr Rampenlicht, als manchmal gut ist.

Stuttgart - Es klingt wie ein mittelmäßiger Chuck-Norris-Witz, aber Dieter Bohlen darf Polizisten duzen. Normalerweise gilt das als „ehrverletzend“. Doch als Popproduzent Dieter Bohlen das 2005 machte, wurde es lediglich als „Unhöflichkeit ohne ehrverletzenden Inhalt“ bewertet. Duzen, so das Gericht, gehöre augenscheinlich zu Bohlens „normalen Umgangsformen“ und ziele nicht darauf ab, den betroffenen Beamten in seiner Ehre zu verletzen. Jetzt wird der Popproduzent, Casting-Juror und die anerkannte Duzmaschine 65 Jahre alt.

Auch sonst wird Bohlen gerne attestiert, einer dieser mutmaßlich authentischen Typen zu sein, die reden, wie ihnen der Schnabel gewachsen sei. Ob das auch alles immer gesagt werden muss, ist freilich die andere Frage. Doch wenn Bohlens spöttische Kommentare über miserable Casting-Teilnehmer bei „Deutschland sucht den Superstar“ (DSDS) in Endlosschleife Belustigung hervorrufen, ist da auch immer ein bisschen gute Absicht zu unterstellen. Denn entgegen der landläufigen Meinung, jede Gießkanne könne heute Popstar werden, weiß Bohlen: das stimmt nicht. So dümpelte er selbst als Produzent und Songwriter Ende der 70er Jahre am Rande des Wahrnehmbaren, bis er 1984 mit Modern Talking zum Star wurde. Manchmal zerpflückt Bohlen ebenjene Superstar-Aspiranten, die außer Frisur und Garderobe wirklich gar nichts anzubieten haben. Das klingt dann so: „Wenn du bei mir im Keller singst, würden die Kartoffeln freiwillig geschält nach oben kommen.“

Bohlen füllt funktionierende Konzepte aus

Bohlens Talent wiederum war nie die Comedy – oder sonderlich visionär zu agieren. Seine Kunst ist, sich funktionierende Konzepte zu eigen zu machen und diese mit sich selbst auszufüllen. Modern Talking, das Popduo zusammen mit Thomas Anders, war beispielsweise eine freimütige Neuanordnung von biederem Schlagerstampf und dem verspielten britischen Pop der frühen 80er Jahre. Bohlen perfektionierte das skrupellos und auf eine Art und Weise, dass man ihn heute noch dazu beglückwünschen möchte, die Lieder nicht selbst zu verwechseln.

Als Bohlen 2002 Vorsteher der Castingshow „Deutschland sucht den Superstar“ wurde, war das längst ein funktionierendes Konzept in England. Er war lediglich der perfekte Deckel für den Topf: bekannt, bunt, musikalisch versiert und natürlich immer etwas zu laut.

Alles unter einem Dach

So machte sich der Norddeutsche endgültig zur Premiummarke und zu einer Art Mehrzweckhalle unter den deutschen Entertainern. Da gab’s alles unter einem Dach. Er schrieb und produzierte Hits von unter anderem Andrea Berg, haute Macho-Quatsch oder flapsige Sprüche raus und belieferte die Promimagazine im Privatfernsehen mit Personal und dem passenden Klatsch.

Ob Verona Feldbusch, Nadia Abd el Farrag, „Teppichluder“ oder kuriose DSDS-Kandidaten wie Menderes – die Promis des Senders RTL wurden unter seiner Aufsicht geformt. Letztmals stiftete Bohlen im September Verwirrung. Er äußerte sich in einer Videobotschaft zu Sänger Daniel Küblböck, der nach einer Kreuzfahrt als verschollen gilt. Bohlen trug einen Kapuzenpulli mit der Aufschrift „Be One With The Ocean“. „Ein Missgeschick“, entschuldigte sich Bohlen glaubhaft. Der Lautsprecher scheint ruhiger geworden zu sein.

Alles Gute, Herr Bohlen. Äh, Dieter.