Für Thomas Faltin stellt die Zunahme der Wolfspopulation in Deutschland keinen Grund für Panik dar. Foto: dpa

Der Wolf ist zurück in Deutschland. Derzeit leben in der Bundesrepublik etwa 450 Tiere in 57 Rudeln. Angst geht um vor dem wilden Biest im Vorgarten. Doch was ist Angstmache und was echtes Risiko?

Echterdingen - Wir haben alle das Rotkäppchen-Syndrom. Man fürchtet das, was man nicht kennt, mehr als das, was man kennt.“ Das sagte der Redakteur Thomas Faltin am Dienstag beim Pressestammtisch der Filder-Zeitung und des Stadtseniorenrates von Leinfelden-Echterdingen in der Zehntscheuer. Sein Thema: Die Rückkehr des Wolfs nach Deutschland. Angst geht um vor dem wilden Tier im Vorgarten. Aber besteht wirklich Grund zur Panik?

Der promovierte Historiker beschäftigt sich schon lange mit der Rückkehr der Wildtiere in westeuropäische Gefilde. Vor allem in Ostdeutschland hielten sich die Tiere mittlerweile regelmäßig auf. Sie seien seit 1990 meistens über die Oder in die Bundesrepublik gekommen. Derzeit lebten dort rund 450 Tiere in 57 Rudeln.

In Deutschland ist Platz für 1300 Wölfe

Insgesamt nehme die Zahl der Wölfe in Deutschland zu. Wissenschaftler hätten ausgerechnet, dass rund 1300 Wölfe in Deutschland Platz hätten. „Ein Drittel davon ist schon da, und dieses Drittel lebt vor allem in Sachsen und Brandenburg.“ Hier sei die Maximalzahl fast erreicht. Die in Baden-Württemberg aufgetauchten Wölfe kommen nach den Worten des Referenten überwiegend aus der Schweiz.

Faltin ließ die Besucher der Zehntscheuer spontan über folgende These abstimmen: „Wölfe sollen in Deutschland leben können, auch falls es teilweise zu Problemen kommt.“ 23 Gäste stimmten der Aussage zu, 14 lehnten sie ab, also rund zwei Drittel gegen ein Drittel. Bei einer Umfrage des Naturschutzbundes Deutschland war das Ergebnis noch deutlicher: Vier Fünftel der Befragten wollen sich demnach mit dem Wolf arrangieren, nur ein Fünftel will ihn loswerden.

Wann darf der Wolf abgeschossen werden?

Aber so einfach sei das nicht. Denn der Wolf sei nach dem Gesetz ein geschütztes Tier. „Niemand darf ihn fangen und schon gar nicht töten“, sagte Faltin. „Wenn der Wolf kommt, hat er hier ein Lebensrecht.“ Es gebe nur wenige Ausnahmen: „Wenn ein Wolf sich einem Menschen in aggressiver Weise nähert, darf er geschossen werden.“ Schwieriger sei die Situation schon, wenn ein Wolf Nutztiere reißt, wie vor gut einem Jahr bei Bad Wildbad im Schwarzwald geschehen sei. Bei dem Angriff seien rund 40 Schafe ums Leben gekommen. Einen Teil habe der Wolf gerissen, der größere Teil sei in Panik in den naheliegenden Bach gerannt und ertrunken. Würde bei einem solchen Wolf eine Wiederholungstendenz festgestellt, dürfe auch er geschossen werden. Aber hier seien die Regeln eng formuliert.

„Ist die Angst vor dem Wolf berechtigt?“, fragte Thomas Faltin in die Runde. „Es gibt immer wieder Meldungen, die derartige Ängste schüren, zum Beispiel Wolfsbeobachtungen vor Kindergärten oder in der Nähe der Vorgärten von Einfamilienhäusern.“ Fakt sei aber auch, dass es seit 1990 keinen Angriff und auch keine Bedrohungssituation gegeben habe. Ausnahmen seien tollwütige Wölfe und solche, die von Menschen gefüttert worden seien. Beides verändere die Persönlichkeit des Tieres und könne gefährlich werden. Faltin stellte einen Vergleich auf. In Deutschland würden derzeit rund 30 000 bis 40 000 Angriffe von Hunden auf Menschen gezählt, und es gebe zwischen zwei und acht Todesopfer pro Jahr. Bei Wölfen stünden beide Zahlen bisher bei Null.