Hat die Luca-App eine Zukunft in Baden-Württemberg? Foto: dpa/Christoph Soeder

Bald steht in Baden-Württemberg die Entscheidung über die Zukunft der Luca-App an. Die Gesundheitsämter berichten von etlichen Nachteilen in der Praxis.

Stuttgart - Die Liste der Kritikpunkte an der Luca-App zur Kontaktpersonennachverfolgung ist lang – das zeigen die Berichte aus der Praxis von den Gesundheitsämtern in Baden-Württemberg. „Wir hatten viel Arbeit damit, aber so gut wie keine Isolierungen von Risikokontaktpersonen“, berichtete etwa Wilfried Schwarz vom Stuttgarter Gesundheitsamt am Montag in einer öffentlichen Diskussionsrunde mit Sozialminister Manfred Lucha.

Aus hunderten Personen die relevanten Risikokontakte herausfiltern

Bei einer Umfrage des Sozialministeriums, an der sich 34 von 38 Gesundheitsämtern beteiligten, habe ein Viertel der Ämter auf eine Stellungnahme zur Luca-App verzichtet. Von den restlichen Ämtern habe zwar die Hälfte von einem leichteren Verfahren gegenüber der „Zettelwirtschaft“ berichtet, die anderen 50 Prozent sahen in der App jedoch keine oder kaum eine Erleichterung.

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Ein zentrales Problem, über das viele Ämter klagen: die Anzahl der QR-Codes an den Orten, an denen die App zum Einsatz kommt. „Wenn es einen Infizierten gab, wussten wir zum Beispiel nicht, an welchem Tisch die Person saß, weil es zum Einchecken nur einen QR-Code am Eingang gab.“ Besonders schwierig werde es, wenn es sich dabei um ein großes Kaufhaus oder einen Freizeitpark handele – und somit aus mehreren hundert oder tausenden Personen die relevanten Risikokontakte gefiltert werden müssen.

Chaos Computer Club: „Die Kontaktverfolgung findet de facto nicht statt.“

Es ist ein Aufwand, der für die Mitarbeiter in den Gesundheitsämtern nicht zu stemmen ist – erst recht nicht mit der hochansteckenden Omikron-Variante. Zudem würden viele Nutzer der App immer wieder vergessen, sich auszuloggen, sobald sie die Lokalität verlassen, was wiederum den Kreis der potenziellen Risikokontakte erweitert. „Das führt zu irrsinnig hohen Zahlen“, heißt es vom Gesundheitsamt für den Enzkreis.

Doch nicht nur von den Ämtern, auch vom Chaos Computer Club (CCC) gab es wie schon seit der Einführung der App wieder mächtig Kritik. Die IT-Experten haben die Zahlen der Luca-App genauer unter die Lupe genommen und herausgefunden, dass bundesweit im Schnitt zehn bis 20 Fälle durch die App verfolgt wurden. „Bei 323 angebundenen Gesundheitsämtern ist das ein Witz. Die Kontaktverfolgung findet de facto nicht statt“, klagt Jens Rieger, Vorstand des CCC Freiburg. Außerdem berichtet er: „Wenn die Ämter eine Liste mit 100 Kontaktpersonen bekommen, rufen sie diese nicht an, sondern benutzen nur die Benachrichtigungsfunktion.“ Und das sei nichts anderes als das, was die Corona-Warnapp mache. Für jene sind im Gegensatz zur Luca-App keine Lizenzkosten fällig.

Kontaktdatenerfassung in den Betrieben abschaffen?

Rieger betont, dass angesichts der vielen Infektionen durch die Omikron-Variante eine schnelle Warnung der Risikokontakte nötig sei. Doch „dafür ist Luca eine dysfunktionale App, weil sie immer die Zuarbeit von den Ämtern braucht, das kostet Zeit.“ Die bessere Alternative zur Luca-App sehen er und einige andere Experten in der Corona-Warnapp. Selbst vom Gesundheitsministerium heißt es in der aktuellen Strategie: „Wir setzen auf Eigenverantwortlichkeit und die Nutzung der Corona-Warnapp.“

Vor allem in Hinblick auf einen möglichen Übergang in eine Endemie scheine die Kontaktdatenerfassung in der Gastronomie und bei Veranstaltungen nicht mehr zwingend erforderlich. Dieser Meinung ist auch der deutsche Hotel-und Gaststättenverband (Dehoga): „Es bringt nichts, Daten zu sammeln, wenn man diese nicht verarbeiten kann“, sagt Tobias Zwiener von Dehoga Baden-Württemberg. Wie schon in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein solle auch der Südwesten die Kontaktdatenerfassung in den Betrieben abschaffen.

Sozialminister Lucha will nun die Meinungen in sein Ministerium tragen – und bis spätestens Ende Februar eine Entscheidung über die Zukunft der Luca-App treffen.